Hat Zug das Zeug zur Kulturhauptstadt?
Dies & Das
Zugs Bewerbung als «Kulturhauptstadt 2030» wird in der lokalen Szene offensichtlich positiv aufgenommen. Doch ist man sich auch weitgehend einig: Den «beflügelnden» Titel muss sich Zug noch verdienen. Das ist mit Anstrengungen und Verpflichtungen verbunden.
Zug – «Kulturhauptstadt 2030» – hinter diesem Titel stecken Ambitionen und hohe Ansprüche an sich selbst. Zug steigt gemeinsam mit fünf weiteren Schweizer Städten ins Rennen um dieses bedeutende Prädikat, wie die Stadt Anfang April bekannt gegeben hat. Sicherlich hätte Zug beste Chancen, Wirtschaftshauptstadt zu werden, würde es diesen Titel geben. Aber Kulturhauptstadt? Wir haben bei unterschiedlichen Zuger Kulturakteurinnen und -akteuren in Stadt und Kanton nachgefragt, wie sie die Teilnahme am Wettbewerb sehen.
Der Grundtenor ist weitgehend einstimmig: Zug als Kulturhauptstadt 2030 – eine gute Sache, die Unterstützung verdient. «Es bietet die Chance, auch die vielseitigen kulturellen Aspekte Zugs ins Bewusstsein der Schweiz zu rücken», sagt etwa Ute Haferburg, Intendantin des Theater Casino Zug. «Die Stadt würde sich über das Image als Wirtschaftsstandort, Steuerparadies oder ‹Crypto Valley› hinaus endlich auch kulturell positionieren.» Remo Hegglin, Filmemacher und Kulturschaffender, pflichtet bei. Ihm ist es jedoch wichtig, «dass an dieses Ansinnen die Erwartung geknüpft ist, dass daraus für die hiesige Kulturlandschaft ein nachhaltiger Nutzen entsteht – und zwar nicht nur für die etablierten grossen Häuser, sondern eben auch für Nischenangebote». Eila Bredehöft, Geschäftsführerin IG Kultur Zug, hält die Bewerbung zwar für «mutig». Weil sie jedoch selbst finde, dass die Zuger Kulturszene mutiger werden müsse, sei die Teilnahme am Wettbewerb in ihrem Sinne, betont sie.
«Zug kann sich mit den anderen messen»
Auch die Chancen, sich gegen die anderen kandidierenden Städte – Schaffhausen, Nyon, Aarau, Bellinzona und Lugano – zu behaupten, sehen die Befragten als durchaus gegeben. «Zug muss sich kulturell nicht verstecken», ist Sinfonietta-Intendant Lion Gallusser überzeugt und hebt dabei die zahlreichen Kulturinstitutionen, -vereine und -schaffenden in Zug hervor, die eine grosse Kreativität und Ideenvielfalt mitbringen. «Zudem spüre ich im Bereich der klassischen Musik eine sehr grosse Unterstützung seitens der Bevölkerung und Förderer.»
Auch Ute Haferburg unterstreicht das vorhandene Kulturangebot, mit dem sich Zug mit den anderen Städten messen könne. «Wir verfügen hier über etablierte Institutionen wie das Kunsthaus und das Theater Casino, beliebte weitere Museen und Kulturhäuser, aber auch die Fähigkeit, komplexe Grossveranstaltungen der nationalen Volkskultur wie das ESAF oder das Eidgenössische Jodlerfest erfolgreich durchzuführen.»
Für Maria Greco, Kulturschaffende und «Mutter» des «Schrägen Mittwochs», sind zudem die stark präsente Kunst im öffentlichen Raum sowie die gut erhaltene historische Bausubstanz wichtige Faktoren, die das Potenzial von Zug zur Kulturhauptstadt ausmachen. «Ob das allerdings reicht, um Städte wie Nyon oder Aarau auszustechen, möchte ich offenlassen», fügt sie an.
Viele Ideen, das Image als Kulturhotspot zu fördern
Doch selbst wenn Zug reüssiert – «das Label ‹Kulturhauptstadt Schweiz› allein ist kein Garant für eine lebendige Kultur», betont Remo Hegglin. Woran also sollte Zug noch arbeiten, um einem allfälligen Status als Kulturhauptstadt gerecht zu werden? Hegglin: «Zunächst sollte allen Verantwortlichen klar sein: Kultur rein als Feigenblatt für Marketingstrategie sowie Wirtschafts- und Tourismusförderung zu benutzen, wäre der falsche Ansatz.» In diesem Kontext wünscht sich Ute Haferburg ein «überzeugendes Narrativ, das über wirtschaftlichen Erfolg hinausgeht und das alle Bevölkerungsgruppen einbezieht». Kultur für alle – dies schwingt somit ebenfalls im Grundtenor mit, und Maria Greco schliesst sich an: «Wir müssen sicher Angebote für Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen schaffen.»
Was dabei jedoch essenziell ist: Diese Angebote sollen auch sichtbar sein. Lion Gallusser: «In Zug gibt es so viel Kultur. Doch manchmal habe ich den Eindruck, dass hier nicht alle davon wissen oder lieber andernorts – beispielsweise in Luzern oder Zürich – nach kulturellen Angeboten suchen.» Um dem entgegenzuwirken, böte das Label «Kulturhauptstadt» eine sehr gute Ausgangslage, Zug als Kulturhotspot nach aussen zu tragen. Auch Ute Haferburg ist die bessere Wahrnehmung ein wichtiges Anliegen: «Zug müsste bestehende Angebote sichtbarer machen und die kulturelle Partizipation aller Bevölkerungsgruppen fördern.»
Maria Greco sieht an dieser Stelle auch die Politik in der Pflicht, um die Strahlkraft auszubauen: Warum nicht Steuerüberschüsse einbringen für niederschwellige Angebote, um für das Publikum von ausserhalb Anreize zu schaffen, sich einen Ausflug nach Zug zu gönnen, schlägt sie vor und führt mehrere Beispiele an: Gratiseintritte in Ausstellungen, Museen, Veranstaltungen, ÖV-Gratis-Karte, vielleicht mit Übernachtungsspecials. «Es gäbe viele Ideen.»
Dass Zug von einem Kulturhauptstadt-Label profitieren würde, darin sind sich alle einig. Ute Haferburg ist überzeugt: «Zug würde sein Image als reine Wirtschaftsmetropole erweitern. Tourismus und Wirtschaft würden ebenso profitieren.» Die externe Wahrnehmung der Stadt Zug, die ausserhalb wohl weniger als Erstes mit Kultur in Verbindung gebracht werde, könnte sich grundsätzlich ändern, meint auch Lion Gallusser. «Wir sind mehr als nur die Klischees, die man uns so gerne nachsagt», fügt Maria Greco an und sieht Potenzial, dass die Stadt Zug künftig mehr Neugierige anziehen würde.
«Poliert und herausgeputzt» reicht nicht
Eila Bredehöft betont zu diesem Punkt, dass der Titel «Kulturhauptstadt» zu mehr verpflichte als nur zu einem «polierten und herausgeputzten» Bild nach aussen, nämlich auch dazu, dass das Zuger Kulturleben zukunftsträchtig und kreativ weiterentwickelt werde. Damit spricht sie die «realen Probleme» Kulturschaffender an. Allen voran die Schwierigkeit, passenden und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Für Eila Bredehöft müssen drei Punkte erfüllt sein, damit das Zuger Kulturleben vom Label «Kulturhauptstadt» und auch ganz allgemein profitieren kann: «Erstens: Die Massnahmen sind nachhaltig. Zweitens: Reale Schwierigkeiten von Kunstschaffenden werden einbezogen. Und drittens: Die Bewerbung wird von den Kunstschaffenden und der Bevölkerung getragen.»
Dass ein Label eine hilfreiche Basis sein kann, es letztlich aber damit nicht getan ist, sondern dass die Weiterentwicklung und das Bestehen einer lebendigen Kulturszene mit weiteren Efforts einhergeht, bringt Remo Hegglin mit folgenden Worten auf den Punkt: «Im Idealfall kann eine Auszeichnung wie diese der Kultur der Stadt Flügel verleihen. Fliegen aber muss man selbst.» (Text von Andreas Faessler)
Hinweis
Wie kann sich Zug kulturell, gesellschaftlich und wirtschaftlich weiterentwickeln? Die Stadt lädt zu einer öffentlichen «Ideenwerkstatt» am 10. Mai, von 9 bis 13 Uhr, auf dem Stierenmarktareal. Weitere Infos und Anmeldung unter www.stadtzug.ch/khs2030.