Wenn Wörter aus der Cloud purzeln

Theater & Tanz

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Die 10- bis 15-Jährigen des Kinder- und Jugendtheaters Zug führten eine fantasievolle Eigenkreation auf.

  • Das Kinder- und Jugendtheater schickte das Publikum auf eine Wörter-Reise. (Bild Matthias Jurt)
    Das Kinder- und Jugendtheater schickte das Publikum auf eine Wörter-Reise. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Am Anfang steht ein weisses Büchergestell auf der Bühne – voller Buchstaben aus Büchern, Briefen, Schallplatten, Videokassetten. Zuvor hat eine Offstimme ein weihnachtliches «Autopoem» verlesen, und gleich wird erklärt, was das ist: ein Gedicht, das der PC aus Zufallswörtern hergestellt hat, computergenerierte Literatur also. Jetzt poppen Begriffe auf wie «Überwachung», «Algorithmen», «Angst» und – schliesslich – «Cloud». Die zehn Kinder auf der Bühne ziehen sich weisse Kittel über und tanzen eine «Bücherregal-Entleerungs-Choreografie», an deren Ende die Bibliothek weggeräumt und die Bühne kahl ist. In einer Art Rap-Sprechgesang skandieren sie nun auf immer dieselben Reime: Cloud, klaut, geklaut und schweizerdeutsch «gchlaut». Man hat ihnen die Wörter gestohlen.

Von jetzt an herrscht die Cloud, und nacheinander stellen sie sich vor und beschreiben, was sie in der «Wolke» anrichten oder daraus profitieren: Der Rosenzüchter (Juri Fürrer) schwärmt wortreich von einer «schwarzen Rose». Die Influencerin (Tanja Baroni) im Tigerfell-Blüschen muss trotz Protest ihr geliebtes Arbeitsinstrument, das Handy, abgeben. Die Malerin (Eva Dzengan) sucht sich auf dem Bildschirm ihre Photo‑­shop-Werkzeuge samt der fehlenden Inspiration zusammen, während die Komponistin (Zoe Zaira Neidhart) das Wort «Liebeskummer» googelt. Wie sie klaut auch der grossspurige Sänger (Miron Slodowicz) seine Songs im Netz. Der Chemiker (Dhruv Prasad Raja), «der Schlauste von allen», konstruiert mit Wörtern die Weltformel, und die Glücksforscherin (Stephanie Batista de Oliveira) verkündet positives Denken. Die Schriftstellerin (Yepa Trinkler) aber beklagt, dass Vorlesen nicht mehr üblich sei; die Grossmutter (Annabelle Amiet) hat einen riesen Stress mit Online-Bestellungen, und irgendwann gibt es einen Stromausfall (und damit die Pause). Aber danach spukt die Cloud neue Fetzen aus – Fussballlärm beim Auftritt des Sportreporters (Basil Bollhalder), und irgendwann auch plötzlich Franz Hohlers «Es sind alli so nätt...». Die Wortkaskaden werden zunehmend verrückter, und als die WWZ auf einem Leinwand-Brief eine Stromunterbrechung ankündigt, wird die Cloud farbig. Am Ende rufen alle «Cheese» und machen ein Gruppen-Selfie. Am Ende einer Wörter-Reise, die fantasievoller fast nicht sein könnte.

«Wir haben die Kinder aufgefordert, Texte mitzubringen, Geschichten, Gedanken, Gedichte – eigene oder von berühmten Schriftstellern», schildern die Theaterpädagoginnen Mirjam Dettwiler und Laura Bucher den Werdegang. «Das Thema entwickelte sich sehr schnell daraus heraus.» An acht Mittwochen und ein paar Samstagen fand dieser «Theaterkurs für Angefressene» statt. Die auf allen Altersstufen beliebten Angebote des Kinder- und Jugendtheaters Zug sind seit 1986 eine Institution in der Metalli und führen zu jährlich insgesamt acht Aufführungen. «Ich wollte einfach mal einer sein, der statt an Menschen nur an Rosen denkt», spasst der 11-jährige Juri Fürrer über seine Rolle. Und Annabelle Amiet erzählt: «Ich war mit 15 eh die Älteste, und so kam ich auf die Idee, die Grossmutter zu spielen. Es hat Spass gemacht, ihren Konservativismus gegenüber der digitalen Welt darzustellen!» Und so ist das Theaterspiel auch eine Form der Welt- und Menschenerkundung. (Dorotea Bitterli)