Dieser Zuger hat den verrücktesten Museumsjob

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Damian Zingg ist Leiter des Museums in der Gotthardfestung. Er ist wohl der einzige Museumsleiter in der Schweiz, der über eine Seilbahnkonzession verfügt und Kontakt mit Astronauten hat.

  • Immer wieder eindrücklich: Die einst geheime Festung im Gotthardmassiv. (Bild zvg)
    Immer wieder eindrücklich: Die einst geheime Festung im Gotthardmassiv. (Bild zvg)

Zug – «Man muss das, was wir hier auf dem Gotthard machen, wirklich lieben. Wir leben hier in einer anderen Welt. Hier herrschen ganz andere Zustände», sagt Damian Zingg. Vor allem muss man auf Tageslicht verzichten können. Denn Zingg verbringt den grössten Teil seiner Arbeitszeit im Innern des Gotthardmassivs. Zingg leitet das Museum der einst geheimen Festung im Gotthardmassiv. Dort gibt es keine Fenster. Dafür Stollen, endlos lange Stollen. Die ganze Anlage erstreckt sich über eine Strecke von zwei Kilometern.

Und es gibt eine Seilbahn. «Hier benötigst du eine Seilbahnkonzession. Ohne die Stollenseilbahn würde es nicht gehen», sagt er. Denn die ehemalige Festung erstreckt sich über mehrere Stockwerke mit einer Höhendifferenz von 220 Metern. Mitarbeiterführung bekommt da eine neue Bedeutung: Zingg sieht seine Mitarbeitenden zum Teil nur ganz kurz am Morgen und danach den ganzen Tag nicht mehr, weil sie weit weg, tief im Innern der Festung zu tun haben. «Unser einziger Kontakt ist der Funk», sagt er.

«Für mich ist es ein Traumjob»

Das Museum Sasso San Gottardo gibt es seit 2012. Betrieben wird es von der gleichnamigen Stiftung, einer privaten Nonprofit-Organisation. Mit ihrem Engagement möchte die Stiftung die kulturhistorisch wertvolle Gotthardfestung langfristig erhalten. Das Museum ist jeweils von Juni bis Oktober geöffnet. Die Stiftung wird von Fritz Gantert präsidiert. Dem Stiftungsrat gehört unter anderem auch André Blattmann an, der ehemalige Chef der Schweizer Armee.

Seit neun Jahren ist Zingg auf dem Gotthard tätig. «Für mich ist es ein Traumjob», sagt er. Schon als Kind zog es ihn ins Innere der Berge, zeigte er Interesse für Bergwerke und Tunnelbau. Zudem ist er am 4. Dezember auf die Welt gekommen, dem Gedenktag der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Tunnelbauer. Kein Wunder, war er später in der Armee den Festungstruppen zugeteilt. Es hat sich schon früh abgezeichnet, wohin es Zingg zieht.

Goethe sorgte für den ersten Gotthard-Hype

Auf 2107 Metern über Meer muss auch der Museumsleiter Hand anlegen: Im Frühling gilt es, die langen Stollen mit Spitzhacke und Schaufel von Steinen zu räumen und sich mit der komplizierten Belüftung des unterirdischen Labyrinths zu befassen.

Vor allem schätzt er aber, dass er viele kreative Freiheiten geniesst. So hat er zusammen mit seinem Team in eigener Regie einige Ausstellungen realisiert; darunter die Kristallkaverne, die Ausstellung über den Mythos Gotthard oder die neue Dauerausstellung über General Guisan, den Oberbefehlshaber der Schweizer Armee während des Zweiten Weltkrieges. Auch jene zu Johann Wolfgang von Goethes Zeit in der Schweiz.

Letzterer spielt eine wichtige Rolle: Dreimal war Goethe auf dem Pass. Jedes Mal führte sein Weg von Hospental hinauf und jedes Mal den gleichen Weg wieder hinunter. «Mit Goethe entstand der erste Gotthard-­Hype», sagt Zingg. Die jüngste Ausstellung von Zingg und seinem Team, die seit diesem Sommer zu sehen ist, trägt den Titel: «Tell – von Goethe über Schiller und Rossini zur geistigen Landesverteidigung».

Der Gotthard fasziniert. Gut 15 000 Personen besuchen jährlich das Museum. Früher waren es vor allem Personen, die an der Militärgeschichte interessiert waren. Heute ist es die breite Masse. Und immer mehr auch ausländische Gäste, die in Andermatt Ferien machen. «Die sind jeweils besonders erstaunt, wie wenig sie über die Schweizer Geschichte wissen», sagt Zingg.

Mondaufenthalt auf dem Gotthard simulieren

Es kann gut sein, dass Besuchende dabei auch Astronauten über den Weg laufen. Seit 2022 simuliert der Verein Asclepios mit dem Space-Center der EPFL Lausanne auf dem Gotthard den Aufenthalt in einer Mondbasis. Dazu wurde eigens eine Kaverne der ehemaligen Festung umgebaut. «Die Verhältnisse im Innern des Berges eigenen sich ideal für diese Simulation», sagt Zingg. «Es kommen aus der ganzen Welt Studenten der Fachrichtung Astrophysik und angehende Raumfahrtingenieure. Unglaublich faszinierend, ihnen bei der Arbeit zuzuschauen.»

Zingg arbeitet auf dem Gotthard und wohnt in Andermatt. Zug ist für ihn ein wichtiger Fixpunkt geblieben. Hier leben seine Geschwister und Verwandte. Heimweh verspürt er deswegen nicht. «Ich fühle mich in Andermatt, im Kanton Uri, wohl», sagt er. Diese Idylle wird nur dann getrübt, wenn er wieder einmal zu einem Eishockeymatch nach Ambri eingeladen wird. «Wenn Ambri gewinnt, gönne ich ihnen den Erfolg», sagt er. Überschwänglich freuen kann er sich gleichwohl nicht. «Ich bin in meinem Herzen halt ein EV-­ Zug-Fan geblieben.» (Text von Dominik Buholzer)