Corona-Krise trifft Kulturschaffende hart

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Wenn die Kultur stillsteht, fehlt auch das Geld für Gagen. Freischaffende Künstlerinnen und Künstler sind dadurch in ihrer Existenz bedroht.

Zug – Abgesagte Konzerte, geschlossene Theater: Auch das Kulturleben in der Schweiz steht wegen des Corona-Virus weitgehend still. Die finanziellen Folgen sind gravierend. Vor allem selbstständig erwerbende freischaffende Kunstschaffende sind wegen ausbleibender Gagen und Honorare in ihrer Existenz bedroht. Auch die grossen Häuser und Institutionen leiden. Sie können Löhne nicht mehr bezahlen und müssen bereits gekaufte Eintrittskarten zurückerstatten. Dass einige Besucherinnen und Besucher ihr Geld aus Solidarität mit den Kunstschaffenden nicht zurückverlangen, wie dies beim Luzerner Sinfonieorchester geschieht (Ausgabe vom 17. März), sind Glücksfälle.

«Die Situation ist kritisch, für gross und klein», sagt Rosie Bitterli, Kultur- und Sportchefin der Stadt Luzern: «Nach meiner Erfahrung hat in diesen Branchen niemand Liquiditätsreserven oder finanzielle Polster.» Viele Aufwände seien bereits entstanden oder in Form von Löhnen zu zahlen. Nicht nur die Kultur sei betroffen, auch der Sport. In vielen Fällen könne Kurzarbeit helfen: «Es braucht hier aber auch kulante Lösungen für kleine Pensen, Personen auf Abruf oder einzelne nicht im Arbeitsvertragsverhältnis stehende Personengruppen, die freischaffend tätig sind und zum Beispiel im Auftragsverhältnis arbeiten.» Dass viele Veranstalter zu einem grossen Teil von Gastronomie leben, «wo ja nun auch nichts mehr läuft», verschärfe das Problem: «Gerade in dieser Branche arbeiten viele Personen mit kleinen Pensen, auch Studierende verdienen sich so einen Teil ihres Geldes.»

Hilfe von Stadt, Kanton und Regionalkonferenz Kultur?

Bitterli betont: «Wir versuchen derzeit, uns einen ersten, groben Überblick zu verschaffen. Was wurde abgesagt, wer hat den Betrieb eingestellt, welche konkreten Forderungen liegen uns derzeit vor?» Dann werde es darum gehen, mit den Partnern von Kanton Luzern und Regionalkonferenz Kultur (RKK) zu erörtern, «ob wir ein Hilfsprojekt schnüren und wie wir vorgehen können». Man werde auch schauen, was andere Städte machen.

Die Stadtluzerner SP fordert in einem dringlichen Postulat die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Kunst- und Kulturschaffende und nahe Berufe. Weil der Vorstoss hängig ist, kann sich Bitterli dazu noch nicht äussern. Das Bundesamt für Kultur habe Kulturschaffende beziehungsweise ihre Organisationen, die Kantone und die Städte am vergangenen Donnerstag zu einer Aussprache eingeladen, sagt Bitterli. Was für Schlüsse der Bund daraus ziehen werde, sei noch offen.

Es gehe nicht nur um Kulturschaffende, sondern um Selbstständigerwerbende generell, sagt Stefan Sägesser, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern. Man sei daran, zusammen mit anderen Kantonen die Haltung gegenüber dem Bund abzusprechen: «Der Bund soll eine Härtefallregelung erlassen. Gerade in der Kultur ist auch die ganze Zulieferer-Branche betroffen – Technik, Bauten, Stände. Wenn Anlässe abgesagt werden, bricht alles zusammen.»

Stellvertretend für viele stehen etwa die Profimusikerinnen und -musiker, die für die Palmsonntag- und Ostermessen in Kirchen engagiert waren. Alle Messen wurden wegen den vom Bund verhängten Notstandsmassnahmen ersatzlos gestrichen. «Das sind enorme Verdienstausfälle», sagt Ulrike Grosch, Chorleiterin in der Franziskanerkirche Luzern und Gesamtkoordinatorin der Kirchenmusik in der Stadt Luzern. «Wir hoffen, dass ein Teil der Gagen trotzdem ausbezahlt werden kann, wenn möglich 60 Prozent.» Auch der Bund sei gefragt. Dieser habe im Zusammenhang mit den in Aussicht gestellten 10 Milliarden Franken Überbrückungshilfe für Kleinunternehmer versprochen, «dass er auch die Kulturschaffenden nicht vergessen werde».

«Jetzt wird es für viele dramatisch»

Das Collegium Musicum Luzern musste seine Aufführungen in der Jesuitenkirche absagen. Es befindet sich allerdings in einer besonderen Situation, da viele seiner Mitglieder Studierende sind oder Professoren der Musikhochschule mit fixen Anstellungen und Löhnen. Aber auch hier gibt es Freelancer, die nun leer ausgehen.

«Die meisten Kulturschaffenden müssen ohnehin schauen, dass sie finanziell irgendwie überleben können», sagt Gianluca Pardini, Geschäftsführer der IG Kultur Luzern, «jetzt wird es für viele dramatisch.» Für Pardini ist klar: «Die Kultur wurde als erster Wirtschaftszweig von der Corona-Virus-Krise getroffen und wird auch am längsten darunter leiden.» Man erwarte unbürokratische Hilfe von Stadt, Kanton, etwa über den kantonalen Arbeitshilfefonds. Aber auch Bundesgelder müssten jetzt fliessen.

Kulturschaffende können sich wegen der Gagen-Ausfälle durch abgesagte Konzerte beim Verband Musikschaffende Schweiz (Sonart) melden. «Je mehr dokumentierte Fälle wir aufweisen können, desto besser können wir aufzeigen, welche finanziellen Folgen die Entscheide von Bund und Kantonen für unsere Branche bedeuten», steht auf dessen Website. Die Entwicklungen der letzten zwei Wochen zeigten erneut auf, «wie viele Arbeitnehmende im Kultur- und Veranstaltungsbereich in prekären und unterversicherten Arbeitsverhältnissen agieren müssen». Der Anteil der Selbständigerwerbenden, Freischaffenden und Einzelunternehmern, die weder vom Instrument der Kurzarbeit erfasst werden können noch durch die Arbeitslosenversicherung abgesichert sind, sei «ungleich höher als in den meisten anderen Branchen». Der Verband Sonart fordert deshalb unter anderem einen «unkomplizierten Zugang zu Kurzarbeit für alle KMU im Bereich Kultur» sowie eine «Notfallkasse für existenziell bedrohte Kulturschaffende und -Betriebe».

Theater Fischbach in seiner Existenz bedroht

Durch das Corona-Virus in seiner Existenz bedroht ist das Theater Duo Fischbach in Küssnacht. Es musste seine laufende Saison abbrechen. Um offene Rechnungen zu bezahlen und Eintrittskarten zurückzuerstatten, braucht es bis 27.April 50000 Franken. «Sonst müssen wir den Betrieb schliessen», sagt Inhaberin Jeannette Tanner. Das Geld soll via Stiftungen, Besucher und ehemalige Künstler hereinkommen. «Eine Art privates Crowdfunding», sagt Tanner. Sie ist zuversichtlich, dass es funktioniert. (Hugo Bischof)