Der Fisch als Wunscherfüller

Arte e construção da cultura

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Unterägeri hat sein erstes Seekunstwerk enthüllt. Die Skulptur aus gebogenen Rundeisen ist Aufforderung und Mahnung zugleich.

  • Der Künstler Christian Hablützel nennt die von ihm geschaffene Fischskulptur «Timpe te». Sie ist aus gebogenen Rundstahl-Elementen ­gefertigt und bewusst filigran gestaltet. (Bild Jakob Ineichen)
    Der Künstler Christian Hablützel nennt die von ihm geschaffene Fischskulptur «Timpe te». Sie ist aus gebogenen Rundstahl-Elementen ­gefertigt und bewusst filigran gestaltet. (Bild Jakob Ineichen)

Unterägeri – Anfang Juni 2023 hat der Ägerisee einen neuen dauerhaften Bewohner gekriegt. Man findet ihn an der Seepromenade in Unterägeri unweit vom Haus am See zirka drei Meter vom Ufer entfernt im Wasser. Es ist ein Fisch aus gebogenen Rundstahl-Elementen, fixiert auf einer schlanken Stange. Diese wiederum ist fest verankert auf einer Konsole im Seegrund. Obschon der Fisch unbeweglich ist, soll er einen solchen darstellen, der grad eben fröhlich mit offenem Maul aus dem Wasser springt, um in der nächsten Sekunde wieder abzutauchen.

Schöpfer der Skulptur ist der Zürcher Künstler Christian Hablützel. Er nennt seinen Fisch «Timpe te». Wer mit den Erzählungen der Gebrüder Grimm vertraut ist, erkennt, woher der Künstler die Namensgebung hat. Sie geht auf das plattdeutsche Märchen «Von dem Fischer un syner Fru» von Philipp Otto Runge (1777–1810) zurück, welcher die noch heute populäre Erzählung für die Sammlung der Grimms zur Verfügung gestellt hat.

Abgekürzt erzählt, geht es im Märchen um einen armen Fischer. Dieser fängt einen Butt, der Wünsche erfüllt. Des Fischers resolute Frau Ilsebill hat allerhand Forderungen an den Fisch, die immer massloser werden. Der bescheidene Fischer, welcher Ilsebills Wünsche jeweils an den Fisch herantragen soll, ist nicht einverstanden mit den Ambitionen seiner Gattin. Des besorgten Fischers Lockruf ist die wohl bekannteste Passage des Märchens:

«Manntje Manntje, Timpe te, Buttje Buttje in der See, myne Fru de Ilsebill will nich so, als ick wohl will.»

Wie so oft bei Märchen mit Menschen, welche Tugenden missachten, gehen diese als Verlierer hervor. So ist denn auch des Fischers Frau, als sie zum Schluss wie Gott sein wollte, weiterhin zu einem armseligen Leben verdammt.

Bescheidenheit ist eine Zier ...

Bezug nehmend auf diese Erzählung, soll auch Christian Hablützels Fischskulptur ­«Timpe te» die Wünsche der Vorbeikommenden erfüllen, aber zugleich Mahnung sein, es anders zu halten als die Ilsebill: «Man soll im Leben nicht immer noch mehr wollen, sondern bescheiden bleiben und dankbar sein für das, was man hat», sagte der Künstler anlässlich der Enthüllung seines Fisches am 2. Juni.

Ferner sei ein Fisch nicht nur ein Erfüller von Wünschen in Märchen, sondern gelte in der Traumdeutung als Vermittler zwischen dem Menschen und seinen verborgenen Bedürfnissen und Sehnsüchten. «Da das Wasser auch in der Tiefenpsychologie Sinnbild für das Unbewusste ist, finden unsere Wünsche durch den Fisch, der aus dem Wasser springt, in unser Bewusstsein», erklärte Hablützel weiter. So soll sein «Timpe te» am Unterägerer Seeufer bei allen, die ihn sehen, die Wünsche in Erinnerung rufen und ihnen Mut machen, sie sich zu erfüllen, selbst wenn es mit Hürden verbunden sein sollte.

Hablützels Fisch, der als neuster Zugang des Unterägerer Kunstinventars im öffentlichen Raum an seinem Ort verbleiben wird, mutet filigran und leicht an. Es war denn auch ganz bewusst das Ziel des Künstlers, seine Skulptur möglichst durchsichtig zu gestalten, damit die Landschaft am «schönsten See der Schweiz» nicht gestört werde.

Das erste Kunstwerk im See

Der Zürcher selbst ist persönlich eng mit dem Ägerital verbunden, war hier bereits in Kindsjahren regelmässig zu Besuch und hat viel Zeit mit Fischen verbracht. «Für mich ist der Ägerisee ein Kraftort», meint er. Dass es schliesslich zur Ausführung der Fischskulptur gekommen ist, dem liegt der persönliche Kontakt des vormaligen Gemeindepräsidenten Josef Ribary mit dem Künstler zugrunde. Ribary hatte dies einst angestossen, zumal Kunst im öffentlichen Raum in Unterägeri als Mittel zur Verschönerung der Gemeinde eine lange Tradition hat.

«Timpe te» hat im Dorf insofern Pioniercharakter, als es das erste feste Kunstwerk ist, welches sich vollständig im See befindet. So war dann auch die Aufstellung dessen mit etwas mehr Administration verbunden, zumal der Kanton als Eigentümer des Gewässers seine Zustimmung hat geben müssen. (Text von Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» ­gehen wir wöchentlich Fund­stücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.