Der Musikschulunterricht geht neue Wege
Vermittlung, Musik
Der Saxofonlehrer Matthias Tschopp und sein Kollege Alexander Fähndrich, Musikproduzent und Komponist, bieten innovativen Unterricht mit digitalen Hilfsmitteln an. Profitieren kann davon, wer rasch vorankommen will und bereit ist, sich besonders zu engagieren.
Zug – Der traditionelle Musikschulunterricht, bei dem die Schülerinnen und Schüler zur Lehrperson in die Stunde kommen, hat zwar laut Alexander Fähndrich und Matthias Tschopp von der Musikschule Zug nicht ausgedient. «Alle Schülerinnen und Schüler haben weiterhin Einzelunterricht bei mir», erzählt Saxofonlehrer Matthias Tschopp. Darüber hinaus aber biete er sogenannte «Practice Sessions» oder «Video-Tutorials» an, also angeleitete Übungslektionen fürs tägliche Üben zu Hause.
«Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei nach meiner Anweisung innerhalb einer Dreiviertelstunde ein Musikstück.» Er nehme die «Practice Sessions» auf Video auf, lade sie auf eine Onlineplattform hoch und gewähre den Schülerinnen und Schülern Zugang dazu. «Ich spiele zum Beispiel ein Musikstück auf dem Saxofon vor oder begleite es am Klavier.» Das Video könnten die Lernenden dann x-mal wiederholen und selbst dazu spielen, bis das Lied sitze. «Auf diese Weise ist der Unterricht viel effizienter.»
Hunderte von Stunden investiert
«Blended Learning» (gemischtes Lernen) sei der Fachausdruck für diese Unterrichtsform. Seine Schülerschaft bestehe nicht nur aus Kindern, sondern auch aus Jugendlichen und Erwachsenen, welche diese zusätzlichen Angebote sehr schätzten, berichtet er. «Sie können über die Plattform auch Fragen stellen und Aufnahmen hochladen. Innert 24 Stunden bekommen sie eine Antwort von mir.» Auch der Austausch unter den Schülerinnen und Schülern werde so gefördert.
Für ihn als Lehrer sei dies viel aufwendiger als der Einzelunterricht allein. «Ich habe Hunderte von Stunden investiert für den Aufbau der digitalen Lektionen, die ich vor zwei Jahren ins Unterrichtsprogramm aufgenommen habe. Auch die Ausrüstung habe ich erst einmal selbst bezahlt.» Sie besteht aus drei Mikrofonen, einem Laptop, Beleuchtungsutensilien, einer Kamera und Verbindungswerkzeugen.
Mehr Lohn bekommt er indes nicht, das Angebot ist auch nicht teurer für die Interessierten. Diese haben aber weniger Einzelstunden als die Schülerinnen und Schüler, die nicht am «Blended Learning»-Modell teilnehmen. «Es ist extrem spannend zu sehen, was sich für welche Altersgruppe bewährt und wie schnell engagierte Schülerinnen und Schüler Fortschritte machen», betont der Saxofonlehrer. Und er schätze das Interesse seiner Arbeitgeberin, der Stadt Zug, an seiner Arbeit. «Ich dachte zuerst, ich müsse Überzeugungsarbeit leisten, bekam aber von Anfang an grünes Licht.»
Jedes Jahr werden Inhalte neu definiert
Ähnlich erlebte sein Kollege, der Produzent und Komponist Alexander Fähndrich, den Aufbau seines Unterrichtsfachs «Music Production», das es seit fünf Jahren an der Musikschule Zug gibt. Es sei von Anfang an auf grosses Interesse gestossen, seitens der Schülerschaft ebenso wie seitens der Musikschule. «Am Anfang musste ich den Unterricht aufbauen. Auch heute noch werden die Inhalte jedes Jahr neu definiert.»
Das hängt auch mit den technischen Hilfsmitteln zusammen. Diese sind beträchtlich und wurden deshalb nicht auf einmal, sondern mit der Zeit angeschafft. Zur Verfügung hat er heute ein vollständig digitales Mischpult, eine top ausgerüstete Tonregie, Mikrofone, diverse Gitarren, Keyboards und Midicontroller (Eingabegeräte zur Erzeugung von Steuerdaten ohne eigene Klangerzeugung). «Wir haben also das gesamte Spektrum für die Musikproduktion. Neu sind zudem der Singsaal und die Aula digital verbunden.» Wenn also im Saal ein Sinfonieorchester spiele, könne er das Konzert in seinem Studio aufnehmen.
Digitale Lieder- und Musikproduktion
Doch worum geht es in seinem Unterricht eigentlich? «Wir entwickeln mit digitalen Hilfsmitteln Songideen und Kompositionen und arbeiten sie dann unter Einbezug des Tonstudios sowie der Schülerinnen und Schüler aus anderen Fachschaften aus.» Die Songs würden gemischt und «gemastert», worunter man die klangästhetische und technische Finalisierung eines Lieds verstehe, sowie auf die gängigen Musikplattformen hochgeladen oder live aufgeführt.
«Das kann auch mal ein ganzes Werk für sinfonische Blasmusik sein, welches mit digitalen Sounds erweitert wird.» Es sind also rein computergenerierte Produktionen, die angereichert werden können mit Livemusik und umgekehrt», führt der Fachmann aus. Dabei spiele auch Künstliche Intelligenz (KI) eine grosse Rolle. «Die KI kann beispielsweise Vorschläge zu bestimmten Musikstilrichtungen machen, die man als Arbeitsgrundlage verwenden kann.» Die Filmmusikkomposition, mit der er sich in seinem eigenen Studio in Luzern vor allem beschäftige, sei inzwischen zu 50 Prozent Technik, betont Alexander Fähndrich. «Nur schon das Notenschreiben von Hand ist vorbei, denn für ein Kompositionslayout bekommt man heute noch zwei Tage Zeit, während die Arbeit dafür früher einen Monat in Anspruch nahm.»
Mit seinen 25 Schülerinnen und Schülern arbeitet der Musiklehrer im Einzelunterricht, in Workshops und Song Camps, also Musiklagern mit mehreren Studiosessions. Die digital kreierten Songlayouts werden auf einer Sammelplattform gespeichert, zu der alle Schülerinnen und Schüler Zugang haben und auf der sie Inspiration für eigene Werke finden. Um diese Form des Musikunterrichts zu besuchen, müsse man nicht zwingend ein Instrument spielen können, erklärt Fähndrich. «Jedoch sollte man für den Anfang über ein Notebook oder iPad sowie einen Kopfhörer verfügen.» Mittlerweile schreibt er ein einheitliches Programm vor, die sogenannte Audioworkstation, damit er bei Problemen auch telefonisch helfen kann.
«Durch die Datenvernetzung kann man eigentlich zu jeder Zeit und von jedem Ort aus arbeiten.» Auch für persönliche Notizen, Hausaufgabenjournale, Elternkontakte und Fragen gebe es Möglichkeiten auf der Plattform. «Es braucht digitale Kompetenz für diesen Lehrgang. Deshalb sind nur Schülerinnen und Schüler ab der 5. Primarklasse zugelassen.» In seiner Klasse seien aber auch Erwachsene, darunter einige Lehrerkollegen, erzählt Fähndrich. Was er und seine Schüler schaffen, kann man sich demnächst live anhören.
Am 20. September findet ein Sax-Ensemble-Workshop mit Konzert um 17 Uhr in der Aula der Musikschule Zug statt. Eine Live-Performance der Klasse «Music Production» findet am 12. November um 20 Uhr im Zuger Kulturzentrum i45 statt. (Text: Cornelia Bisch)