Vorreiterin in Feierlaune

Dies & Das

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Ein 10‐Jahr‐Jubiläum steht an. Für das Young Dance Festival, seines Zeichens das erste Tanzfestival für ein junges Publikum, ist Zug sowohl Gründungsgrund als auch schwieriges Pflaster.

  • Die Co-Leiterinnen der Young Dance Festivals. (Foto: Athos Abreu)
    Die Co-Leiterinnen der Young Dance Festivals. (Foto: Athos Abreu)

Zug – Dieser Artikel erschien in der September-Ausgabe 2025. Hier geht es zu den weiteren Artikeln.

 

Auf eine Dekade blickt das Young Dance, das erste Schweizer Tanzfestival für junges Publikum, mittlerweile zurück. Auf über 280 Auführungen von rund 80 Kompanien, auf über 120 Workshops für mittlerweile 25 000 Menschen und 300 Schulklassen. 
Gründerin des Festivals ist Anu-Maaria Calamnius-Puhakka. Seit 18 Jahren lebt die gebürtige Finnin in Zug – mit ein Grund, weshalb die Idee des Tanzfestivals für ein junges Publikum überhaupt in ihr gewachsen ist. «In Zug leben so viele Menschen mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen. Da ist Tanz die perfekte gemeinsame Sprache», so Calamnius-Puhakka.
 
Tanz als Basis 
Sie habe Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Tanz ermöglichen wollen. «Es gab damals schweizweit kein Festival für Kinder im Tanzbereich», sagt sie. Und in Zug habe allgemein kaum ein professionelles Familienangebot bestanden – geschweige denn sprach man von Vermittlung. Die Festivalgründerin, die sich seither in der Kulturkommission der Stadt Zug engagiert und zum Vorstand der Freunde der Burg Zug zählt, schrieb also während einer Weiterbildung das Konzept und gründete das Festival. Eines, das 2015 klein begann: Freunde und Familie – lediglich eine Schulklasse – das Publikum war klein. Es gab vor zehn Jahren nur wenige Schweizer Stücke auf den Markt, die für Kinder auf einem professionellen und qualitativ hochstehenden Level angeboten wurden. Das hat sich seither sehr stark verändert», erklärt die Gründerin und sieht dafür mehrere Gründe. Einerseits seien immer mehr Tanz-Kompanien international unterwegs und böten dabei auch Kinderstücke an. «Das junge Publikum wird heute gesehen und respektiert, es wird einbezogen, den Kindern wird auf Augenhöhe begegnet und die Stücke für sie werden mit hohem künstlerischen Anspruch erarbeitet.» 

Tanz überall 
Selbst hat sich die Festivalgründerin nie professionell auf den Tanzböden bewegt – auch wenn sie es sich als Kind gewünscht hätte. Doch die Innovationsexpertin mit eigener Firma in Zug hat in London, Maastricht, Zürich und Barcelona europäisches Recht, Kulturmanagement und Blockchain studiert und unter anderem für das finnische Gesundheitsministerium gearbeitet. Daneben tanzt Calamnius-Puhakka seit ihrer Kindheit mehr als regelmässig. «Ich bin oft umgezogen, habe in Kanada, den Niederlanden oder England gelebt. Und überall habe ich als Erstes eine Tanzschule gesucht.» In Zug fand sie diese bei Larissa Gassmann in Steinhausen.Natürlich sei Tanz einerseits eine hohe Kunstform, für sie sei er aber auch einfach ein Kanal, um zur Ruhe zu kommen und mit sich selbst zu kommunizieren. Ballett sei schlicht ihre «base», nennt sie es. 

Noch so viel Potenzial 
Dass Anu-Maaria Calamnius-Puhakka das Festival nun seit fünf Jahren gemeinsam mit Nicole Friedman leitet, geschah am Ende durch Zufall. «Ich hatte den Auftrag, für das Tanznetzwerk Schweiz ‹Reso› die Tanzlandschaft der Zentralschweiz zu untersuchen», erzählt Friedman. «Ich ging damals auf Anu-Maaria zu, weil ich sah, wie wichtig dieses Festival für die hiesige Tanzlandschaft war – und ist. Als Corona die Kulturszene quasi lahmlegte, bestärkte ich sie darin, sich von der Pandemie nicht unterkriegen zu lassen und weiterzumachen.» Und aus dem Bestärken wurde ein Verstärken des Teams. Friedman, in Zug geboren und aufgewachsen, absolvierte nach dem Lehrer*innenseminar ihre Ausbildung zur Bühnentänzerin in Zürich und New York, arbeitete anschliessend als Tänzerin in unterschiedlichsten Projekten in der Schweiz und in den USA – hauptsächlich in der freien Szene. Nach einer weiteren Ausbildung in Kulturmanagement organisiert sie seit 2003 mit ihrer eigenen Firma «tanztotal» Tanzplattformen, Tanzfestivals, arbeitet im Bereich der Vermittlung und macht Produktions- und Tourneeplanungen für zeitgenössische Tanz-Kompanien im In- und Ausland. «Nicole kam mit so vielen innovativen Ideen und einem grossen Netzwerk dazu und gemeinsam haben wir das Festival in den letzten Jahren divers weitergedacht», sagt Gründerin Calamnius-Puhakka. Wichtig ist den beiden Leiterinnen des Festivals, die Vermittlungsangebote und den Gedanken dahinter immer weiterzuentwickeln. «Man muss rückblickend sagen, dass das Festival vor zehn Jahren sehr innovativ und fortschrittlich war. Anu-Maaria war eine Vorreiterin in der Schweiz», sagt Friedman. 

Fehlende Räume 
Nun gehe es darum, zu feiern, was sie erschaffen haben, und sich gleichzeitig bewusst zu bleiben, wie viel Potenzial noch da ist. «Tanz eröffnet uns einen Zugang zur Gesellschaft; er ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, aber darüber hinaus auch von Kultur(en) und von aktuellen Themen», so Friedman. Der Tanz als Kunstform sei in den vergangenen Jahren auch in der Schweiz sehr viel diverser, inklusiver und aktueller geworden. Und das spiegle sich auch in Zug und den lokalen Häusern – im Theater Casino Zug beispielsweise, erklärt Friedman. Gleichzeitig hat Zug eine kleine Tanzszene und dementsprechend sind die Bedingungen für Produktionen für ein junges Publikum hier in verschiedener Hinsicht nicht so einfach. «Wir können zum Beispiel als Festival nur einladen und nicht koproduzieren – weil dafür keine Räume in der Region zur Verfügung stehen», so Calamnius-Puhakka und Friedman. Auch die Suche nach adäquaten Aufführungsräumen sei nicht einfach. Für ein zeitgenössisches Familien-Tanz-Stück ist je nach Produktion und Setting ein Saal mit 500 Plätzen schwierig – gleichzeitig seien in den kleinen Spielstätten im Kanton Zug die Bühnen für Tanzaufführungen nicht gross genug oder ungenügend ausgerüstet, geschweige denn für die Erarbeitung: «Tanz braucht Raum und eine gewisse Infrastruktur», so Friedman. «Die Tanzschulen in Zug sind zwar sehr aktiv, bloss ist es dann oft so, dass die Tänzer*innen, die weitermachen und auf die professionelle Bühne gehen, abwandern», ergänzt Calamnius-Puhakka. Ein bekanntes Problem. 

Raus zu den jungen Menschen 
Die beiden Co-Leiterinnen sind nun jedenfalls bereit für die diesjährige Ausgabe, die unter dem titelgebenden Motto «Rhythms and Emotions» über die Bühnen gehen wird. Während zehn Tagen gibt es Aufführungen und Workshops in Theatern, Bibliotheken, draussen in der Stadt und in der Natur zu erleben. Anu-Maaria Calamnius-Puhakka und Nicole Friedman freuen sich besonders auf die niederländische Produktion «Ballroom», die mit einer Performance in einem Lastwagen durch den Kanton ziehen wird. «Wir sind allgemein sehr glücklich darüber, dass wir Produktionen haben, die auf dem Zugerberg, im Park und in den verschiedensten Häusern und Institutionen stattfinden werden», erklärt Nicole Friedman. Eigentlich wegen der Coronapandemie musste das Festival 2021 aus den üblichen Aufführungsstätten auf öffentliche Plätze und Schulhöfe ausweichen. Eine Öffnung, die das Team danach ganz bewusst beibehalten hat. «Um die jungen Menschen zu erreichen, muss man die Wege so kurz wie möglich halten. Deshalb sind unsere mobilen Angebote ein grosser Pluspunkt», so Friedman. Über 1500 junge Menschen seien für die unterschiedlichen Formate dieses Jahr bereits angemeldet. 
Tendenz steigend. 

 

Text: Jana Avanzini