Jemand anders zu sein, reizt sie

Theater & Tanz

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Seit 36 Jahren ist Marie-Theres Barmet (60) in der Theatervereinigung Menzingen aktiv. Ihre Texte studiert sie an einem besonderen Ort ein.

  • Marie-Theres Barmet ist Laienschauspielerin aus Leidenschaft. (Stefan Kaiser)
    Marie-Theres Barmet ist Laienschauspielerin aus Leidenschaft. (Stefan Kaiser)

Menzingen – Für kurze Zeit in die Haut eines anderen Menschen zu schlüpfen, andere Kleider zu tragen, auf eine andere Weise zu sprechen, anders zu denken und zu handeln, das fasziniert Marie-Theres Barmet auch nach 36-jähriger Tätigkeit als Laienschauspielerin bei der Theatergesellschaft Menzingen bei jedem Stück aufs Neue. Ihre grosse Leidenschaft fürs Theater ist auch nach dieser langen Zeit noch ungebrochen. Dabei stellt sie hohe Anforderungen an sich selbst. «Ich will nicht nur den Text auswendig hersagen können. Erst wenn ich meine Rolle richtig leben kann, dann ist das Ziel erreicht», stellt sie klar.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie die Sätze des Skripts manchmal umstellen, sie näher an ihre eigene Sprache bringen. «Ich frage mich dann, wie würde ich das sagen, wie klingt es für die Zuschauer glaubwürdig.» Damit spricht die 60-Jährige aus Finstersee einen wichtigen Punkt an. «Man muss nicht nur dazu bereit sein, die Proben zu besuchen, sondern auch, zu Hause zu arbeiten.»

Wenn die Probephase im Mai beginnt, sieht man die dreifache Mutter, die ihre Theaterleidenschaft auch an die nächste Generation vererbt hat, oft in ihrem Garten herumpilgern und die Texte einstudieren.

Auch hinter der Kulisse ist sie tätig

Der Verein besteht aus 30 bis 35Aktivmitgliedern, von denen etwa die Hälfte als Schauspieler tätig sind. «Nicht immer gibt es für alle eine Rolle. Das gehört dazu und ist gut so», betont Barmet. Denn es sei für das Publikum viel interessanter, wenn nicht immer die gleichen Schauspieler auf der Bühne stünden. «Es entsteht eine andere Dynamik», ist sie überzeugt. Ebenso verhalte es sich mit den Regisseuren. «Ein Wechsel alle paar Jahre tut gut und bringt frischen Wind in die Gruppe.» Natürlich sei sie jeweils im ersten Moment etwas enttäuscht, wenn keine Rolle für sie abfalle. «Aber es gibt ja noch genug andere Aufgaben, denen man sich widmen kann.» Als gelernte Damenschneiderin unterstützt sie den Verein mit Näharbeiten sowie mit dem Bereitstellen von Requisiten.

Um weitere Abwechslung zu schaffen, spielt die Theatergesellschaft Menzingen nicht ausschliesslich Komödien und Lustspiele. «Wir haben uns im Krimigenre versucht», erinnert sich Barmet. Das sei allerdings beim Publikum nicht so gut angekommen. Sie sagt: «Mit ‹Die hölzerne Schüssel› wagten wir uns 2004 sogar an ein ernstes, dramatisches Stück heran.» Das 1965 unter der Regie von Kurt Früh mit den Schweizer Schauspielgrössen Heinrich Gretler, Anne-Marie Blanc und Hannes Schmidhauser verfilmte Drama erzählt die Geschichte eines alternden, marottenreichen Mannes, der mit Sohn und Schwiegertochter zusammen lebt und schliesslich ins Altersheim abgeschoben wird. «Auch dieses Stück kam nicht so gut an. Es war wohl einfach zu ernst. Aber für uns Spielleute war es sehr interessant», erzählt Barmet. Es habe sie gezwungen, sich das Leben aus einer anderen Perspektive anzusehen. Das Theaterspiel bringe einem immer wieder dazu, über sich selbst nachzudenken. «Wir haben gelernt, dass man auf dem Land keine allzu ernsten Stücke bringen kann. Die Leute wollen lachen. Das ist ja verständlich und gut so.» Oft habe die Theatergruppe daraufhin bekannte Klassiker gespielt. Stücke mit Tiefgang, einer Portion Sozialkritik, aber auch einer guten Prise Humor. «Der Spagat zwischen lustig und ernst ist für Publikum und Spieler sehr spannend.»

Paraderolle von Margrit Rainer

Im 2019 aufgeführten Stück «Aber Mami!» nach dem Klassiker «D’Muetter wott nur s’Bescht» mit Margrit Rainer und Ruedi Walter, spielte Marie-Theres Barmet die Haupt- und damit ihre bisher absolute Lieblingsrolle: Eine resolute, herzensgute Mutter, die vor lauter Stolz auf ihre Familie nicht sehen will, was sich in dieser tatsächlich abspielt. «Sie träumt von der Zukunft ihrer Kinder und lebt in ihrer eigenen Blase», legt die Laienschauspielerin dar. «Dabei erdrückt sie ihre Kinder und ihren Mann fast mit ihrer Fürsorge.»

Ein Stück weit habe sie sich als Mutter mit dieser Rolle identifizieren können. «Sie war eine Herausforderung für mich, eine Menge Text, viele Einsätze, eine starke Präsenz.» Sie habe oft und lange daran gearbeitet und die Auftritte schliesslich sehr genossen. Auch das Publikum habe positiv reagiert. Marie-Theres Barmet lehnt grundsätzlich keine Rolle ab. «Ich mag die Abwechslung. Manchmal ist es echte Knochenarbeit, sich in eine Rolle hineinzudenken. Aber so fährt man nicht fest.» Die Rolle eines Rätschweibs, das immer über andere herzog, habe ihr ebenfalls besonders gut gefallen. «Da konnte ich so richtig Gas geben.» Meist überlege sie, ob sie eine Person im echten Leben kenne, die der Rolle gleiche. «Manchmal sitze ich auf einer Bank an einem belebten Ort und studiere die Verhaltensweisen der Menschen. Theater spiegelt das Leben. Man kann in die Welt schauen und sie einfach nachmachen.»

Auch die Geselligkeit unter den Vereinskollegen findet Marie-Theres Barmet schön und wichtig. «Diese leidet stark wegen Corona. Mir fehlt das sehr. Ich fühle mich wohl und zu Hause unter den Kolleginnen und Kollegen.» Das Jubiläumsstück zum 70-jährigen Bestehen der Theatervereinigung «Landdienst 1950» konnte im letzten Oktober gerade zweimal aufgeführt werden, bevor Corona den Spielleuten einen Strich durch die Rechnung machte.

Nun will die Gruppe mit dem Stück einen zweiten Anlauf wagen. «Wir starten etwas später als sonst zu den Auffrischungsproben.» Diesmal hat Marie-Theres Barmet keine Spielrolle, sondern kümmert sich um Kostüme und Requisiten. «Ich hoffe sehr, dass wir das Stück aufführen können, mit viel Publikum und Applaus.» Denn das sei der Lohn der Schauspieler. (Cornelia Bisch)

Hinweis
In einer losen Serie stellen wir die dienstältesten Freiwilligen in Zuger Organisationen vor.