Ein Orchester schreibt seine Geschichte weiter
Ceci & Cela, Musique
Einmal 75 Jahre und einmal 25 Jahre gibt einen Runden: Das Stadtorchester Zug blickt auf seine bewegte Geschichte zurück und präsentiert diese in seiner nun aufwendig erweiterten Chronik.
Zoug – Der Kulturplatz Zug sieht sich mit der Herausforderung konfrontiert, auf halber Strecke zwischen zwei Schweizer Kulturzentren zu liegen: auf der einen Seite Luzern mit seinem KKL, auf der anderen Zürich mit Opernhaus, Tonhalle und weiteren Einrichtungen mit internationaler Ausstrahlung. Kann angesichts dessen ein Amateur-Sinfonieensemble wie das Stadtorchester Zug heutzutage noch bestehen, ja überleben? Präsident Gregor Hotz ist überzeugt, dass der Nährboden in Zug dafür gegeben ist – auch über 100 Jahre nach der Gründung: Im Herbst 2022 hat der Verein seinen grossen Geburtstag gefeiert.
Seine heutige Positionierung hat sich das Stadtorchester Zug über viele Jahre hinweg mit viel Einsatz und Fleiss erarbeitet – durch laufende Professionalisierung, eine gelebte Demokratie innerhalb des Orchesters und einen soliden Vorstand. Zudem legte man stets Wert auf eine sehr bedachte Wahl der Orchesterleitung wie auch der einstudierten Literatur, welche die Laienmusikerinnen und -musiker fordert – aber nicht überfordert und sie damit bei Laune hält. «So findet laufend eine Weiterentwicklung statt», fügt Hotz an.
Das seit 2021 unter der Leitung von Joonas Pitkänen musizierende Stadtorchester verzeichne einen stabilen Mitgliederstamm, sodass die sinfonische Besetzung zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sei. «Auch über Nachwuchsmangel können wir uns nicht beklagen», fährt Hotz fort. «Häufig erhalten wir überdies Anfragen von interessierten Expats und Neuzuzügern. Und wenn ältere Mitglieder kürzertreten möchten, können wir die Pensen stets ausgleichen.»
Das Stadtorchester Zug spielt als Laienformation auf hohem Niveau, ist in Stadt und Kanton Zug tief verwurzelt, legt grossen Wert auf die Nachwuchsförderung und pflegt den aktiven Austausch auch über die Kantonsgrenzen hinweg. So verstehe man sich denn auch nicht als Konkurrenz zur Zuger Sinfonietta, welche als professionelles Orchester ebenfalls grosse Werke der Klassik aufführt. «Einige unserer Profi-Instrumentalistinnen und Instrumentalisten spielen zugleich bei der Sinfonietta mit», erklärt Gregor Hotz.
So komfortabel war die Situation des Stadtorchesters allerdings nicht immer. 1922 als Cäcilienorchester mit dem Cäcilienverein St.Michael als Träger gegründet, hatte das Orchester wiederholt mit schlecht stehenden Finanzen oder mangelnder Disziplin der Mitglieder zu kämpfen. Die Jahre des Zweiten Weltkrieges hinterliessen ebenfalls ihre Spuren, es folgten weitere Höhen und Tiefen. Aber stets hat es das Orchester geschafft, sich zu halten.
Orchesterchronik mit Fortsetzung
Anlässlich des 75-jährigen Bestehens erschien 1997 eine ausführliche Orchesterchronik, erarbeitet von der Kunsthistorikerin Sybille Omlin und dem langjährigen Cellomitglied Paul Schwerzmann. Christoph Balmer, welcher das Stadtorchester Zug ein Vierteljahrhundert lang präsidierte, ehe er das Amt 2020 seinem Nachfolger Gregor Hotz übergab, hat nun eine Chronik der Jahre 1998 bis 2022 folgen lassen. Dass zum 100-Jährigen erneut etwas zur Orchestergeschichte erscheinen sollte, darüber hat Balmer schon früh nachgedacht. In welcher Gestalt, blieb vorerst offen.
«Dass es in Buchform erfolgen sollte, war mir jedoch bald klar. Schliesslich haben wir uns dafür entschieden, eine Fortsetzung der Orchesterchronik von 1997 zu verfassen und die Jubiläumsschrift von damals als Reprint neu herauszugeben», so Christoph Balmer. Um alles in einem einheitlichen Format vorlegen zu können, spielte Balmer und seinem Team das Glück in die Hände: «Die Firma Kalt Medien, wo die Jubiläumsschrift von 1997 gedruckt worden ist, hatte diese alten Dateien entgegen unserer Erwartung noch zur Hand», sagt Balmer. Folglich sei alles kalibriert, ins gewünschte Format gebracht und neu gedruckt worden. Die Chronik-Fortsetzung ist vom Baarer Grafiker Beni Sutter gestaltet worden. Nun verfügt das Stadtorchester Zug über zwei Bände, die seine 100-jährige Geschichte sauber aufgearbeitet erzählen.
«Die letzten 25 Jahre zeichnen sich durch eine grosse Kontinuität aus», sagt Christoph Balmer und erklärt, was aus seiner Sicht dazu geführt hat: «Es hat uns damals gar in die Hand gespielt, dass mit der Eröffnung des KKL Luzern 1998 und dem enormen Aufschwung des Tonhalle-Orchesters Zürich unter David Zinman Weltformatkonzerte geboten wurden. Dies nämlich wirkte sich auch auf Zug aus. Denn durch eine geschickte Nischenpolitik und einen hohen Qualitätsanspruch konnte die Musikszene in Zug ein eigenes Profil entwickeln: Sie hat sich mehrheitlich auf ein kammermusikalisches Wirken konzentriert. Dies wiederum war für das Stadtorchester die Chance, sich im lokalen Kulturgeschehen als sinfonischer Klangkörper zu etablieren.» Das Publikum habe dies realisiert, weshalb man sich eine solide Besucherschaft habe aufbauen können.
In der Chronikfortsetzung steht unter anderem viel Internes geschrieben. «Die Leserschaft erhält so aufschlussreiche Einblicke in unser Vereinsleben, liest jedoch auch von grossen Momenten und sehr bewegenden Episoden.» Balmer meint damit unter anderem das Zuger Attentat oder die herausfordernden Coronajahre. Band Nummer zwei ist zugleich eine Art Auslegeordnung der Situation, in der sich das Stadtorchester Zug heute wiederfindet, und hat einen hohen Anspruch an Detailtreue. Auch gibt es Querverbindungen in die Zuger Kulturszene.
Ein Blick in die Zukunft
Und wo sieht sich das Stadtorchester Zug in der Zukunft? Präsident Gregor Hotz muss nicht lange überlegen: «Wir wollen die Entwicklung des Orchesters aufrechterhalten und weiterverfolgen, unsere traditionellen Werte hochhalten, Musiknachwuchs weiterhin Chancen bieten und die Zusammenarbeit mit der Stadt Zug, der Musikschule Zug und Zuger Musikvereinen intensivieren.» Christoph Balmer, der seit seiner Demission als Präsident weiterhin aktives Orchestermitglied geblieben ist, fügt an: «Die einstudierte Literatur soll künftig vermehrt mit Musik jenseits populärer Klassik angereichert werden. Hier bringt unser Dirigent Joonas Pitkänen gute und neue Impulse.»
Beide, Gregor Hotz und Christoph Balmer, sehen das Stadtorchester Zug bestens gerüstet für eine gesicherte Existenz und eine erfolgreiche Zukunft auf dem lebendigen Platz Zug – zwischen den Kulturmetropolen Luzern und Zürich. (Text von Andreas Faessler)
Hinweis
Die aufgearbeitete Orchesterchronik in zwei Bänden (1922–1997 und 1997–2022) kann für einen Unkostenbeitrag von 30 Franken in Buchform bei Christoph Balmer bezogen werden (christoph.balmer@datazug.ch).