Symbiose von Kunst und Küche

Kunst & Baukultur

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Zum ersten Jahrestag haben sich die Wirte vom «Steirereck» etwas Besonderes einfallen lassen. Sie verwandeln ihren Gasthof in eine Art Kunstgalerie.

  • Thomas Peinhaupt (links) und Severin Titz verwandeln das Steirereck in eine Galerie. (Bild Werner Schelbert)
    Thomas Peinhaupt (links) und Severin Titz verwandeln das Steirereck in eine Galerie. (Bild Werner Schelbert)

Finstersee – Wo normalerweise die Spielecke für Kinder ist und der sammelwürdige Töggelikasten steht, versprühen nun bildschöne Frauen ihre Reize. Sinnliche Lippen, wallendes Haar, lockender Augenaufschlag da, dort sogar ein unverhüllter Busen. Was sich hier lesen mag wie die Beschreibung des Zimmers eines Junggesellen im besten Alter, ist eine Auswahl bester Kunst. Pasquale Gigliottis eindrucksvolle Interpretationen der «femme fatale» lassen den Betrachter schnell erkennen, dass er hier nicht einfach mit einem herkömmlichen kitschig-schönen Frauenzimmer zu tun hat. Gigliottis fotografisch anmutenden Gemälde sind mehr als nur das Streben nach dem Schönheitsideal. Die Frauen lassen in ihre Seele blicken - so hat man den Eindruck. Schafft man es, sich der geballten Weiblichkeit zu entziehen, bemerkt man ein eindrucksvolles Tierporträt. Ebenso ausdrucksstark und naturecht. Dasselbe gilt für das jugendliche, unschuldsvolle Mädchengesicht gegenüber.

Zweierlei Genuss

Gigliotti, ein gebürtiger Italiener in Neuhausen lebend, ist einer der bei der Galerie Alexander E. Räber vertretenen Künstler. Die Kunstgalerie im Zürcher Oberdorf ist eine der bekanntesten Adressen für auserlesene Kunst in der Limmatstadt. Gigliotti ist einer von vier Künstlern, deren Werke ab heute im Gasthaus Steirereck in Finstersee zu sehen sind. Zum ersten Jahrestag ihres Restaurants wollen die beiden Geschäftsführer Thomas Peinhaupt und Severin Titz nicht etwa einfach nur ein Fass aufmachen, sondern haben sich mit der Kunst im Gastrobetrieb etwas Spezielles einfallen lassen. «Die Gäste sollen hier die Möglichkeit haben, beiderlei Genuss zu frönen - Essen und Kunst», sagt Thomas Peinhaupt.

Ein Ziegler-Raum

Natürlich klingt das nicht nach einer Neuigkeit - zahlreiche Cafés und Restaurantbetriebe hängen in ihren Gasträumen Kunstwerke auf. Aber in Finstersee hat das dennoch eine etwas andere Note, und das macht es erst richtig interessant: Die Kunst gibt es hier eher als Aperitif - oder als Dessert. Denn die Gaststube ist nicht etwa der Kunst-Hauptschauplatz. Obschon hier ein eindrucksvolles Doppelgemälde von Simona Gaido - tiefrote Tagetes - hängt, sind die Kunst-Epizentren einerseits das Foyer mit den Gigliotti-Gemälden und andererseits das Hirschbirn-Stüberl im Soussol. In diesem eigentlichen Bankettraum ist der Mammutteil des Ausstellungsinventars ausgestellt. Dieser ist allein Rolf Ziegler gewidmet. Den Werken des im Februar 2010 verstorbenen Berners ist hoher Wiedererkennungswert zu eigen. Seine Arbeiten sind grösstenteils Collagen mit viel Farbanteil, in abenteuerlicher und faszinierender Komposition. Der optische Effekt zerknüllten Packpapiers, eingebundene Scharniere oder sich überlappende Teilstücke erwecken den Eindruck eines Raums mit Tiefenwirkung. Der Künstler orientiert sich am Menschen, obschon dieser als greifbare Gestalt kaum auszumachen ist. Abgesehen von dem zum Schlag ausholenden Golfer vielleicht. Für Zieglers Werke braucht man Zeit. Ein flüchtiger Blick reicht hier nicht aus. Und das gönnt man sich noch so gern nach einer ausgiebigen steirischen Tafel im Stockwerk darüber.

Bronzekandelaber von Bruno Bruni

«Hier lässt sich Kunst in einer ungezwungenen Umgebung konsumieren», hält Thomas Peinhaupt fest. «Und wer weiss, vielleicht entdeckt bei uns ja der eine oder andere die Kunst für sich, obwohl er sich sonst so etwas weniger anschauen würde.»

Aber doch: In der Gaststube stehen trotzdem einige Objekte, die auch zur Ausstellung gehören, jedoch nicht auf Anhieb auffallen, doch sich beim genaueren Betrachten als wahre Schmuckstücke erweisen: Es sind hochaufwendig verarbeitete Kerzenkandelaber von Bruno Bruni, einem der bedeutendsten italienischen Gegenwartskünstler. Der international bekannte Bildhauer verarbeitet in seinen Skulpturen Sinnlichkeit, Erotik und Mystik gleichermassen. Bekannt sind insbesondere seine weiblichen Bronzefiguren. Und eine solche wird es mit etwas Glück bis zur Vernissage heute Abend auch noch ins «Steirereck» schaffen. Der Galerist Alexander E. Räber wird ebenfalls am Apéro teilnehmen und zu den Kunstwerken Auskunft geben.

Bis mindestens 1. Dezember wird sie stattfinden, die Symbiose von Kunst und Küche unter ein- und demselben Dach. (Andreas Faessler)

Hinweis
Vernissage mit Apéro heute Abend ab 18 Uhr. Restaurant Steirereck, Im Dörfli 16, Finstersee.