Die Kapelle des Pestheiligen

Dies & Das

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Bei der Kapelle St. Karl hat der Legende zufolge der heilige Karl Borromäus seinen Fuss erstmals auf Zuger Boden gesetzt. Speziell ist das Kirchlein insbesondere aus architektonischer Sicht.

  • Turm, Fenster und Fassade der Kapelle St. Karl beim Salesianum sind für diese Region sehr ungewöhnlich, um nicht zu sagen einzigartig. (Bild Stefan Kaiser)
    Turm, Fenster und Fassade der Kapelle St. Karl beim Salesianum sind für diese Region sehr ungewöhnlich, um nicht zu sagen einzigartig. (Bild Stefan Kaiser)

Oberwil b. Zug – Schon als Kind habe ich mir immer gedacht: «Wenn man da rauskommt, ist man tot.» Schliesslich führt die Tür der Kapelle St. Karl in Oberwil direkt auf die Hauptstrasse. Aber der einstige Haupteingang ist schon lange verriegelt. Der neue Eingang befindet sich seitlich. Die Kapelle beim Salesianum ist weitherum einzigartig. Kirchtürme ihrer Art findet man in unseren Regionen kaum. Die Kapelle ist dem hl. Karl Borromäus geweiht. Der Legende nach soll er im Jahre 1570 von Buonas her über den See geschippert sein und an dieser Stelle erstmals Stadtzuger Boden betreten haben. Karl Borromäus (15381584) galt auch als Pestheiliger. Die weltberühmte Karlskirche in Wien ist ebenfalls dem aus der Lombardei stammenden Patron geweiht, als Dank für die überstandene Pestepidemie.

Doch unsere Kapelle wurde nicht aus diesem Grunde erbaut, sondern eher als Zeichen der Verehrung des auch für die Innerschweiz bedeutenden Heiligen. Bauherr war Ritter Hansjakob Stocker, der damalige Eigentümer des Bruggbachhofes. 1616 entstand der erste Kapellenbau. Nur 20 Jahre später liess der neue Besitzer Kaspar Weissenbach die Kapelle neu errichten. Um 1643 entstand neben der Kapelle ein Herrenhaus, welches 1750 unter dem neuen Besitzer Johann Caspar Lutiger zu einem prächtigen spätbarocken Palais, dem heutigen Salesianum, umgebaut wurde.

Wie bereits angesprochen, zeichnet sich die Kapelle St. Karl durch ihr ungewöhnliches Erscheinungsbild aus. Nicht nur ihr Turm ist einzigartig, sondern auch die Rundfenster im Schiff. Normalerweise ergänzen solche Okuli bei Barockkirchen lediglich die Bogenfenster und fungieren mehr als Zierde. Die Mauerverstärkungen auf der Seite erinnern an gotische Kirchen. Sie wurden jedoch erst nachträglich hinzugefügt, um die Aussenmauern zu stabilisieren, die sich im Lauf der Zeit durch das Gewicht der Dachkonstruktion nach aussen geneigt hatten. Ohnehin bedurfte es mehrerer umfassender Renovationen der Kapelle. Der Druck von Grundwasser vom Berg her setzte der Bausubstanz gleichermassen zu wie der nicht sonderlich stabile Baugrund direkt am Seeufer. Die Erschütterungen durch den Verkehr trugen später das Ihrige bei. In den 1990er-Jahren wurden neue Sickerleitungen eingezogen, das Mauerwerk trockengelegt und eine Bodenheizung eingebaut, um mit Temperaturregelung das Raumklima optimal zu halten. Im Zuge dessen hat man das Innere der Kapelle in den alten Zustand zurückversetzt, sprich den schlichten, weiss verputzten Raum wieder hergestellt, der einzig durch feines Rokoko-Stuckwerk am Gewölbe geziert ist. Auffallend ist die Sonnenuhr am Turm mit dem Wappen Kreuz, Sonne, Mond, Sterne. Es ist das Wappen der Schwestern vom Heiligen Kreuz zu Menzingen, der Grundeigentümerinnen. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.