Schweizer Vokalmusik für Profis

Musik

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In der Kirche St.Oswald in Zug hat eine weitere Ausgabe der Konzertreihe Zuger Abendmusiken stattgefunden.

  • Die Basler Madrigalisten in der Kirche St.Oswald in Zug. (Bild Maria Schmid)
    Die Basler Madrigalisten in der Kirche St.Oswald in Zug. (Bild Maria Schmid)

Zug – In der Kirche St.Oswald Zug konzertierten die Basler Madrigalisten unter der Leitung von Raphael Immoos. Das professionell vorgetragene Programm brachte kaum bekannte Werke von Benno Ammann und Joachim Raff.

Raphael Immoos verfügte mit den Basler Madrigalisten über jenen Klangkörper, von welchem die meisten Dirigenten kaum zu träumen wagen: Alle 24 Mitwirkenden mit professionell geschulten Stimmen, genau ebenmässig verteilt auf die verschiedenen Register, sechs pro Stimme bei vierstimmigen Sätzen, alle zu viert für die Sechsstimmigkeit und auch im achtstimmigen Doppelchor immer je drei.

Schwerpunkt auf Werkauswahl

Wie der Dirigent in den Zwischenkommentaren andeutete, lag der Schwerpunkt vor allem in der Werkauswahl. Den ersten Teil bildete die «Missa Defensor Pacis» des in Gersau geborenen Benno Ammann (1904-1986). Die durchwegs sechsstimmige Messe entstand im Auftrag des Vatikans, und sie wurde 1947 anlässlich der Heiligsprechung des Schweizer Mediators Niklaus von Flüe uraufgeführt. Im sehr traditionalistischen Pontifikat des damaligen Papstes Pius XII. wurde neben dem gregorianischen Choral eigentlich nur das Schaffen von Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525-1594) als theologisch vollgültige Kirchenmusik anerkannt.

Ammanns Komposition erhielt damals den Vorzug gegenüber den bekannteren Vertonungen von Frank Martin (1890-1974), Johann Baptist Hilber (1891-1973) und Albert Jenny (1912-1992), weil sie sich in vielen stilistischen Eigenheiten der Renaissance-Polyfonie Palestrinas anschloss: Vor dem Aufkommen des barocken Generalbasses war der häufig pausierende Chorbass mehr nur untere Randstimme. Über weite Strecken blieb man auch in klarer Tonalität, welche nur durch nicht aufgelöste Schluss-Kadenzen und einzelne akkordfremde Zwischenstimmen behutsam erweitert wurde. Der nicht nur in einzelnen Spitzentönen, sondern durch den ganzen Notentext sehr hoch gesetzte Sopranpart brachte selbst die professionell geschulten Sängerinnen an den Rand der Leistungsfähigkeit. Dass zwischen dem Schaffen Palestrinas und der «Missa Defensor Pacis» Barock, Klassik und Romantik vorbeigezogen waren, merkte man noch am meisten beim Offertorium und beim Sanctus, welche die einzelnen Stimmen stärker homofon führten. Die zahlreichen Wiederholungen des «Dona nobis pacem» ergaben sich aus dem kurz nach Kriegsende gewählten Titel.

Kaum Ermüdungszeichen

Joachim Raff (1822-1882) verliess die Schweiz auch schon als junger Mann Richtung Deutschland. Er wurde von Musiksachverständigen seiner Epoche zeitweise auf die gleiche Stufe wie Johannes Brahms oder Richard Wagner gestellt. Aber wenige Jahrzehnte nach seinem Tod waren seine Kompositionen fast vergessen. Heute bemüht sich eine Joachim-Raff-Gesellschaft mit einigem Erfolg um eine Wiederbelebung des umfangreichen Werkes. Raff komponierte drauflos; für das am Konzert interpretierte Messefragment – mitsamt Paternoster und Ave Maria – ist kein klarer Verwendungszweck bekannt. Trotz ununterbrochenem langem Einsatz, fast doppelt so langer Konzertdauer als auf dem Programmblatt angegeben, spürte man kaum Ermüdungszeichen, und die Intonation blieb bis zu Schluss tadellos. Beim Gloria der Messe störte allerdings das klangliche Ungleichgewicht zwischen den über weite Strecken kanonisch geführten Sopran und Tenor.

Es sind keine Aufführungen aus dem 19. Jahrhundert der drei Raff-Werke überliefert. Die offizielle Uraufführung des Messe-Fragments soll jedoch erst am kommenden Samstag in Lachen stattfinden, am Geburtsort des Komponisten. Für alle aufgeführten Werke sind in nächster Zeit gedruckte und auf Tonträgern fixierte Ausgaben für die Öffentlichkeit vorgesehen; es wurden schon Bestellzettel zur Subskription verteilt. Ob dies angesichts des hohen stimmtechnischen Schwierigkeitsgrades für eine weitere Verbreitung ausreicht? (Jürg Röthlisberger)