Ein Symbol religiöser Identität

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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Ein Kunstwerk im Reformierten Kirchenzentrum Zug symbolisiert den Menschen und seine religiöse Identität.

  • Das Werk «Dressing» von Maja Thommen im Reformierten Kirchenzentrum Zug besteht aus 16 Reliefs. (Bild Maria Schmid)
    Das Werk «Dressing» von Maja Thommen im Reformierten Kirchenzentrum Zug besteht aus 16 Reliefs. (Bild Maria Schmid)

Zug – Die Kirche, vor allem die katholische, hat es grundsätzlich nicht so mit Nacktheit oder Körperlichkeit und hegt ein – milde ausgedrückt – zurückhaltendes Verhältnis zur Sexualität allgemein. Einen ganz anderen Eindruck erhält man im Reformierten Kirchenzentrum Zug, wo sich ein mehrteiliges Kunstwerk den weiblichen Körper zum Thema macht und dabei viel Haut zeigt.

Am Ende des Treppenaufgangs im ersten Obergeschoss nimmt das Werk mit dem Namen «Dressing» – geschaffen von der gebürtigen Zürcher Künstlerin Maja Thommen (*1965) – einen wesentlichen Teil der Sichtbetonwand im Flur ein. Es sind 16 schneeweisse, hochrechteckige Reliefplatten, in zwei 8er-Reihen übereinander angeordnet. Bis auf eines zeigen die Reliefs eine mehrheitlich entblösste Frauenfigur, die im Begriffe ist, sich ein Kleidungsstück überzustreifen oder umzulegen. Dabei ist sie in ganz verschiedenen, typischen Haltungen und Bewegungen dargestellt.

Eine Allegorie der Religion

Auffallend ist die detailgenaue, dynamische und naturgetreue Ausarbeitung des Kunstwerkes «Dressing», zu Deutsch «Anziehen». Durch ihre Erhabenheit und je nach Lichteinfall werfen die Reliefs leichte Schatten, was den Darstellungen vor neutralem Hintergrund noch mehr Struktur und Tiefe gibt und sie wie ein Foto-Negativ erscheinen lässt.

Dass so viel nackte Haut an der Wand in einem kirchlichen Zentrum hängt, ist allenfalls nur im ersten Moment ein Widerspruch. Nach biblischer Auffassung schliesslich hat Gott den Menschen nackt geschaffen. Und auch im Lebenszyklus ist es vorgesehen, dass der Mensch nackt zur Welt kommt. Beim Bildwerk «Dressing» kann die sich im Ankleiden begriffene Frau als Allegorie der Religion verstanden werden. Sie streift sich ihren Glauben wie ein Kleidungsstück über, als Symbol für die eigene religiöse Identität.

Auch die Bezeichnungen, welche die einzelnen Platten tragen, stehen in einem weiteren religiös-spirituellen Kontext. Titel wie «Megalith», «Pyramide» oder «Sonne» verweisen auf die seit Jahrtausenden bestehende Verbindung des Menschen zu Religion und Glauben. Zugleich stehen sie für den Bruch mit der Tradition eines althergebrachten Gottesbildes.

Die 16 je 85 mal 55 Zentimeter grossen Reliefplatten bestehen aus Acrylharz. Anlässlich einer Einzelausstellung von Maja Thommen in der Reformierten Kirche Zug wurde «Dressing» für das 2012 eröffnete neue Kirchenzentrum angekauft. Es war Voraussetzung, dass die künstlerische Gestaltung der Räume den Bezug zur Religion zum einen und zur Identitätsstiftung zum anderen herstellen soll.

Der Mensch im Zentrum

Am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn hat Maja Thommen sich auf die Malerei fokussiert und nebenbei mit diversen Materialien experimentiert. Schliesslich hat sie vor allem als Bildhauerin ihre eigene Ausdrucksform gefunden und wendet unterschiedliche Gusstechniken an. Thommens Skulpturen sind von unterschiedlicher Ausformung – von voluminösen Voll- oder Halbplastiken bis hin zur filigranen Reliefarbeit. Und fast immer steht dabei der Mensch in seiner gesamten Komplexität und zugleich Einfachheit im Mittelpunkt ihres Schaffens.

Ein weiteres Kunstwerk Maja Thommens in Zug findet sich im Eingangsbereich des Parktowers. Davon wird zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle zu lesen sein. (Text von Andreas Faessler)

 

Hinweis

In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.