Mit vier Händen durch drei Jahrhunderte
Musik
In der Pfarrkirche Rotkreuz begannen die 43. – und letzten – Zuger Orgeltage mit einer seltenen Klangkombination: Orgel vierhändig auf einem oder auch auf zwei Instrumenten. Mitunter eine akustische Herausforderung.
Rotkreuz – Das erste Konzert der diesjährigen Internationalen Zuger Orgeltage brachte das Gastspiel der beiden aus Estland stammenden Organistinnen Marju Riisikamp und Viola Chiekezi. Das stilistisch vielfältige Programm führte mit interessanten Klangkombinationen durch drei Jahrhunderte.
Es ist nicht einfach, eine ansprechende Werkfolge für Orgel vierhändig zusammenzubringen. Wenn beide Interpreten auf dem gleichen Instrument musizieren, ist es besonders im Pedalbereich noch enger als am Klavier. Falls im gleichen Kirchenraum – wie in der katholischen Kirche Rotkreuz – tatsächlich zwei Instrumente zur Verfügung stehen, so ist das zweite meist eine Chororgel, viel kleiner und klangschwächer, von der Hauptorgel auf der Empore in der Regel weit entfernt. Das Zusammenspiel war so nicht nur für die beiden Interpretinnen heikel; je nach Sitzplatz im grossen Kirchenraum hörten auch die Leute im Publikum durch die Schallgeschwindigkeit oft eines der beiden Instrumente minim verspätet.
Am Übergang vom Barock zur Klassik
Und doch begann man genau in dieser Kombination. Die Sonate in F-Dur des im 18. Jahrhundert lebenden aber nicht einmal nach dem Lebensdaten bekannten Gaetano Felice Piazza brachte ein enges Wechselspiel zwischen den beiden als ebenbürtig verstandenen Instrumenten. Zur Wahrung des Gleichgewichts – einer Chororgel fehlen aus Platzgründen die tiefen Labialpfeifen – waren auch in der Registrierung der Hauptorgel deutliche Einschränkungen notwendig.
Der Bach-Sohn Philipp Emanuel Bach (1714–1788) – neben seinem Vater Johann Sebastian wohl der bedeutendste Komponist der Dynastie – verstand in seiner Bearbeitung die Hauptorgel als eine Art Orchester, während die viel heller registrierte Chororgel vor allem solistisch eingesetzt wurde. Nachdem die beiden ersten Sätze vor allem frühklassische Elemente betonten, erinnerten die zahlreichen fugierten Einsätze des ausgedehnten Schlusssatzes doch noch stark an die eigentlich barocke Ausbildung des Komponisten.
Drei Mal erklangen für Orgel vierhändig Bearbeitungen; die beiden Nummern aus den «Orgelduetten für Eliza» waren die einzigen Originalkompositionen. Im Sinne des damaligen englischen Orgelbaus verzichtete Samuel Wesley (1766-1837) auf den Einsatz eines Pedals. Die einfache Gesamtstruktur diente wohl vor allem pädagogischen Zwecken, was auch von der Tochter noch lange nach dem Tod ihres Vaters schriftlich bestätigt wurde.
Romantische Orgel-Opulenz
Mit der Sonate in a-Moll von Jacques-Nicolas Lemmens (1823-1881) verliess Viola Chiekezi das vierhändige Orgelspiel und gelangte in die Romantik. Dies ermöglichte ein volles Ausloten der klanglichen Möglichkeiten des prachtvollen Orgelwerks. Im ersten Satz schuf ein eifriges Benützen des Schwellers auch ohne viele Registerwechsel eine fast orchestrale Dynamik. Vor allem im Schlusssatz erschienen auch gregorianische Motive, allerdings häufig durch Einsatz zusätzlicher Halbtonschritte stark romantisiert. Der eigentlich von einem früheren Werk übernommene Mittelsatz bildete durch seine schlichte Gestalt einen angemessenen Kontrast.
Das Pastorale von Peeter Süda (1883-1920) blieb als Volkslied-Bearbeitung viel kürzer. Der für ein solches Werk fast obligatorischen Sechs-Achtel-Takt wurde teilweise durch eigenwillige Registrierungen aufgelockert. Den Schluss bildeten «Intermezzo» und «Alla Marcia» von Jean Sibelius (1865-1957). Sie zeigten auch in der Übertragung viele Qualitäten des originalen Orchesterwerks. Schade, verhinderten heftige Regenfälle unmittelbar vor dem Konzert einen besseren Besuch. Der trotzdem herzliche und kräftige Applaus wurde mit einem kurzen Stück von Arvo Pärt (geb. 1935) verdankt. (Text von Jürg Röthlisberger)
Hinweis
Nächstes Konzert der 43. Zuger Orgeltage: Sonntag, 11. Mai, 17 Uhr, Pfarrkirche Baar. An der Orgel: Frank Scheffler