So kam es im Kunsthaus Zug zum Eklat – und so geht es nun weiter
Kunst & Baukultur
Im Streit ums Kunsthaus wurde viel Geschirr zerschlagen. Unsere Recherche zeigt: Intern wie extern wurde seit Jahren eine Kursänderung gefordert. Nun soll der Betrieb rasch modernisiert werden. Doch es herrscht Skepsis, auch wegen zweifelhafter Verstrickungen in der Trägerschaft.
Zug – Bald hundert Tage ist die neue Präsidentin der Zuger Kunstgesellschaft Silvia Graemiger im Amt. Bei Staatsregierungen wird dann in der Regel erste Bilanz gezogen. In der Kunst ist das nicht so einfach, da gelten andere Zeitregeln. In einem GPK-Bericht von 2023 wird das Kunsthaus Zug, für dessen Betrieb die Kunstgesellschaft verantwortlich ist, mit einem «trägen Tanker» verglichen. Heisst: Wer das Ding wenden will, braucht Geduld.
Einen Turnaround hätte das Kunsthaus dringend nötig. Darüber herrscht inzwischen weithin Einigkeit. Nach den Erschütterungen der letzten Monate soll wieder Ruhe einkehren an der Dorfstrasse. «Das neue Team steht, nun folgt die Transformationsphase», sagt Graemiger. Es gebe viel zu tun, vor allem in operativer Hinsicht. «Das braucht Zeit.»
Präsidentin: «Das stimmt so nicht»
Die Beurlaubung des Langzeitdirektors Matthias Haldemann Mitte April hatte im Kunsthaus eine operative Lücke hinterlassen. Inzwischen ist daraus ein Rechtsstreit geworden. Nach Informationen dieser Zeitung wurde Haldemann im Juni auf Ende Jahr gekündigt. Er hält das für rechtswidrig, da er zu 100 Prozent krankgeschrieben sei. Oder mindestens für missbräuchlich, da ihm keine Gründe genannt worden seien.
Damit konfrontiert, erwidert Neo-Präsidentin Graemiger: «Das stimmt so nicht.» Die Probleme seien offensichtlich gewesen und auch kommuniziert worden: fehlendes Programm, hohe Fluktuation, gewichtige Abgänge. Der plötzliche Rücktritt ihres Vorgängers Reto Fetz im April habe schliesslich den Ausschlag gegeben, da im Kunsthaus einige abzuspringen drohten, sollte Haldemann im Amt bleiben. «Wir fürchteten einen Exodus.»
Graemiger und Haldemann kennen sich gut, sind unter anderem Mitglied im selben Rotary Club. Zu einer Aussprache ist es bisher trotzdem nicht gekommen. Die Handhabung der Personalie Haldemann – notabene 35 Jahre lang Kunsthausdirektor – hat Graemiger teils heftige Kritik eingebracht, insbesondere aus der Kunstszene.
Sie gibt sich rückblickend selbstkritisch. «Die Kommunikation hätte man besser handhaben können. Die Verdienste von Matthias Haldemann als Kunsthistoriker sind unbestritten.» An der Kündigung hält Graemiger aber fest. Unter ihm sei der Betrieb nicht mehr gewährleistet gewesen, deshalb habe die Kunstgesellschaft als Aufsichtsorgan handeln müssen. «Wir sind daher auch nicht der Ansicht, dass die Kündigung missbräuchlich war.» Letzteres wird ein Richter entscheiden müssen. Details über die Kündigungsgründe dürfte indes der Bericht der Münchner Beratungsfirma Metrum liefern, der am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt wird und dieser Zeitung vorliegt. Der Bericht war vor zwei Jahren als «Potenzialanalyse zur Museumslandschaft Zug und zum Kunsthaus Zug» in Auftrag gegeben worden; in dem nun vorliegenden 70-seitigen Dokument wird aber auch das Management des Kunsthauses thematisiert.
Zehn Abgänge innerhalb eines Jahres
Eingeweihte werden darin wenig Neues finden. Intern hatte Haldemanns Führungsstil in der Vergangenheit immer wieder zu reden gegeben. Im Gegensatz zu seiner Tätigkeit als Kurator, die weit über Zug hinaus anerkannt war, sorgte insbesondere seine administrative und Personalführung für Kritik.
Laut dem erwähnten GPK-Bericht von 2023 hatte es allein im Jahr 2022 zehn Abgänge im Kunsthaus gegeben, bei insgesamt 840 Stellenprozent. Öffentlich werde kaum darüber gesprochen, doch intern herrsche «keine optimale Stimmung», heisst es darin. Haldemanns Führungsverhalten wird an mehreren Stellen infrage gestellt. «Das Hauptproblem ist das Management», wird ein Mitglied der Kunstgesellschaft zitiert. Es hätte schon länger «eine neue Lösung gefunden werden müssen», man habe aber den Eindruck, dass «der Direktor geschützt agiert».
Dies deckt sich mit Gesprächen, die diese Zeitung mit verschiedenen Personen aus dem Umfeld des Kunsthauses geführt hat. Unter anderem zeigte sich ein Stadtpolitiker, der das Haus im letzten Jahr besichtigt hat, «erschüttert über die Situation, darunter etwa die Lagerung einiger Kunstwerke von Weltformat». Für ihn sei Haldemann «ein Kunstfachmann, jedoch kein Direktor». Seine Art, mehr öffentliche Gelder bei abnehmendem Erfolg zu fordern, habe die städtische Politik immer wieder frustriert.
Wiederholt fiel in diesen Gesprächen auch das Stichwort «Corporate Governance», respektive dessen Absenz in der Organisationsstruktur des Kunsthauses. Als problematisch wird insbesondere die Vermischung von Funktionen zwischen dem Kunsthaus und den drei massgebenden Gremien – Kunstgesellschaft, Stiftung Sammlung Kamm und Stiftung Freunde Kunsthaus Zug – angesehen. Dies sei mit heutigen Grundsätzen der guten Unternehmensführung nicht mehr vereinbar, lautet der Tenor.
Graemiger ist sich dessen bewusst. «Es braucht eine Entflechtung und Verschlankung der Strukturen, daran arbeiten wir», sagt sie. Sinnbildlich dafür stehe Christa Kamms Rücktritt aus dem Stiftungsrat der Freunde Kunsthaus Zug wegen «potenzieller Interessenskonflikte». Haldemann selbst wollte sich nicht mehr öffentlich dazu äussern.
Verbindungen zur Affäre Schwarzenbach
Künftig sollen die Verantwortungen klarer verteilt werden. Auf die Suche nach einem neuen Direktor wird deshalb bis auf Weiteres verzichtet. Stattdessen hat ein junges Trio die Leitung übernommen. Dies soll wohl den Neuanfang unterstreichen, der am Kunsthaus angestrebt wird; die Dienstälteste im Leitungsteam ist knapp mehr als vier Jahre an Bord. Für den erhofften Schritt hin zu mehr Professionalisierung wurde zudem ein Trio aus der Wirtschaft in die Kunstgesellschaft geholt: die Juristen Petra Kalt und Guido Urbach sowie der Ingenieur Adrian Beer. Kalt sass jahrelang in der Geschäftsleitung der Zuger Kantonalbank und bringt Erfahrung im Kundenmanagement mit. Beer kennt sich mit der Leitung komplexer Transformationsprozesse in Industriefirmen aus. Und Urbach hat als Partner der Zürcher Kanzlei Kohli Urbach Rechtsanwälte Berührungspunkte mit der internationalen Kunstszene.
Alle drei wurden an der Generalversammlung vom 17. Juni in den Vorstand der Kunstgesellschaft gewählt, obschon Urbachs Nomination nicht ohne Nebengeräusche verlaufen war und bei vielen bis heute umstritten ist. Urbach war von Monika Molnar, seit 2023 im Vorstand der Kunstgesellschaft, vorgeschlagen worden. Molnar ist ebenfalls Juristin und fungiert als Beraterin bei Kohli Urbach Rechtsanwälte, was innerhalb der Kunstgesellschaft die Frage aufwarf, ob es im Gremium zwei Personen aus derselben Kanzlei brauche. Stichwort «Corporate Governance».
Kommt hinzu, dass die Kanzlei Kohli Urbach Rechtsanwälte in der Kunstschmuggel-Affäre um Urs Schwarzenbach eine zweifelhafte Rolle gespielt hat. Zur Erinnerung: Urbachs Kanzleipartner Ulrich Kohli wurde im Fall Schwarzenbach als «Mittäter» zu einer Busse von 1,9 Millionen Franken verurteilt; laut dem Zürcher Obergericht hatte Kohli massgeblich daran mitgewirkt, für Schwarzenbachs Kunstschätze ein ausgeklügeltes Offshoresystem zur Steuerhinterziehung aufzubauen. Sowohl Kohli als auch Urbach hatten Schwarzenbach seinerzeit vor Gericht vertreten.
Nun sitzt Urbach im Vorstand der Zuger Kunstgesellschaft, wenn auch seine Wahl mit 69 zu 32 Stimmen bei 32 Enthaltungen weniger deutlich ausfiel als jene der anderen beiden. Zuvor hatte der Zuger Kulturdirektor Stephan Schleiss «keinerlei Vorbehalte gegenüber der zur Wahl stehenden Personen» geäussert. Urbach selbst mag dazu nichts sagen. Auf eine Anfrage dieser Zeitung lässt er via Graemiger ausrichten, dass das Thema «bereits ausführlich an der GV diskutiert» worden sei. «Es ist nicht meine Aufgabe, Kritik an meiner Person nachvollziehen zu können, sondern zusammen mit dem Vorstand das Kunsthaus Zug voranzubringen.»
Steigende Subventionen, sinkende Besucherzahlen
Voranbringen heisst im Fall des Kunsthauses auch, dieses wieder näher an die Leute zu rücken. Die in den letzten Jahren öfters beklagte Entfremdung von der breiten Bevölkerung hatte sich zuletzt immer deutlicher in den Besucherzahlen niedergeschlagen. Diese sind stagnierend bis rückläufig, auch nach Corona.
Im letzten Jahr wurden noch knapp 70'000 Franken mit Eintritten, Ladenverkäufen und Anlässen eingenommen. Gleichzeitig hatten Stadt, Gemeinden und Kanton Zug ihre Subventionsbeiträge nochmals erhöht, auf 1,4 Millionen Franken. Das heisst, für jeden Franken der öffentlichen Hand springen in Zug gerade mal 5 Rappen an Billetteinnahmen heraus. Zum Vergleich, auch wenn dieser leicht hinkt: In Zürich sind es immerhin 40 Rappen.
Hier streben die Verantwortlichen ebenfalls den Turnaround an. Das Kunsthaus soll wieder gesellschaftlicher Treffpunkt sein. Ein kultureller Leuchtturm, der weit über die Region hinausstrahlt. Zur Strategie gehört auch der Erweiterungsbau, für den inzwischen ein Baugesuch vorliegt. Kostenpunkt: 36,6 Millionen Franken. Baubeginn 2027, Eröffnung 2029.
Um wieder mehr Leute anzulocken, kommt der neuen künstlerischen Leiterin Jana Bruggmann die schwierige Aufgabe zu, die Balance zwischen Masse und Nische künftig besser zu meistern. Oder wie Graemiger es ausdrückt: «Wir wollen das Kunsthaus den Zugern zurückgeben. Es soll nicht eigenbrötlerisch sein, sondern identitätsstiftend.» (Text: Gregory Remez)