Damit Frauen in Erinnerung bleiben

Literatur & Gesellschaft

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Erfolge von Sportlerinnen bleiben oft nur eine Randnotiz. Der Oberwiler Marco Keller will das ändern.

  • Auch über die Mountainbikerin Jolanda Neff – kürzlich zur Olympiasiegerin gekürt – findet sich ein Beitrag im Buch. (Bild Stefan Kaiser)
    Auch über die Mountainbikerin Jolanda Neff – kürzlich zur Olympiasiegerin gekürt – findet sich ein Beitrag im Buch. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Dass eine Schweizer Sportlerin nach ihrer aktiven Karriere ausserhalb ihrer Heimat für Schlagzeilen sorgt, ist ein Einmalereignis. Widerfahren ist dies der ehemaligen Weltklasse-Eishockey-Torhüterin Florence Schelling. Der SC Bern, lange Jahre eine Topadresse der Schweiz, machte sie im April 2020 zur Sportchefin. Eine Frau im Eishockey-Profi-Business ist rar. Die Sportchef-Newcomerin war als Interviewpartnerin heiss begehrt. Der sportliche Kriechgang der Berner setzte sie aber einem sehr heftigen Kritikgewitter aus. Der Traditionsklub schob Schelling in die zweite Reihe. Ende April 2021 war die Zürcherin ihren «Pionierjob» in der Bundesstadt dann schon wieder los.

Diese Entwicklung konnten die Autorin und ihre beiden Autoren des Buches «Frauenpower» nicht vorhersehen. Dies stört jedoch nicht, denn das Porträt von Schelling zeigt auf seine Art eindringlich, welche Hürden Frauen überwinden müssen, wenn sie sich dem Profi-Eishockey verschreiben. Einem Umfeld, welcher noch heute den Ruf hat, geeignet nur für die wirklich harten Männer zu sein.

Prägende Figuren im Schweizer Sport

Das Autorenkollektiv um den Oberwiler Sportjournalisten Marco Keller ist jedenfalls gelungen, eine Sammlung von 30 Porträts von Frauen zusammenzustellen, die in ihrer Sportart Aussergewöhnliches leisteten oder immer noch leisten. Mit Meta Antennen, Erika Reymond-Hess, Marie-Therese Nadig, Denise Biellmann, Ariella Käslin, Mujinga Kambundji und Giulia Steingruber sind hier nur einige Namen genannt. Auch Jolanda Neff ist darin verewigt. Die Mountainbikerin wurde unlängst in Tokio Olympiasiegerin. Stolz ist Marco Keller, dass bis auf ein Beitrag alle in der Schweiz entstanden seien. Die Artikel sind so verschieden wie die Sportarten, welche sie betrieben, oder für die sie immer noch auf Rekordjagd gehen. «Die Sportlerinnen waren beim Gespräch offen und ehrlich», erinnert sich Keller.

Das zeigt sich exemplarisch bei der Kunstturnerin Ariella Käslin. Im Buch «Frauenpower» steht über die gebürtige Luzernerin: «Sie hat alles gegeben, ihr wurde alles genommen.» Der Text geht unter die Haut, weil gerade im Sport der Konsument nur die schönen Seiten präsentiert bekommt. Die Kunstturnerin hat im Alter von 23 Jahren ihre Karriere beendet. Heute, zehn Jahre später, ist Käslin immer noch am Aufarbeiten ihrer aktiven Karriere. Ein Buch hat sie darüber schon geschrieben («Leiden im Licht»), auf den Befreiungsschlag wartet sie immer noch. In «Frauenpower» heisst es klipp und klar, dass Käslins langjähriger Trainer sie gebrochen habe.

Wie Marco Keller erzählt, habe eine Jury darüber entschieden, wer in seinem Buch Aufnahme finden sollen. Im Auswahlgremium sassen unter anderem Steffi Buchli (Sportchefin «Blick»), der Zuger Patrick Fischer (Eishockey-Nationaltrainer), Vicky Mantegazza (Präsidentin HC Lugano), Regula Späni (einstige Sportjournalistin) und viele mehr. Speziell erwähnt Marco Keller den FC-Sion-Präsidenten Christian Constantin: «Er hat seine Liste um vier Uhr morgens per E-Mail abgeschickt.»

Ein finanzielles Abenteuer

Der Autor verrät im Gespräch auch noch, dass es ein Ringen war, bis die Liste der 30 zu porträtierenden Sportlerinnen feststand: «Es hat aber grossen Spass gemacht», führt er aus. Es ist bereits Kellers zweites Buch. Sein erstes Werk «Jubeljahre» hat das Tennis im Fokus. Die Sportart, der sein Herz gehört, im aktuellen Buch aber nur einmal vertreten ist.

Ein Werk dieser Art zu veröffentlichen, ist im Bereich der Finanzen immer auch ein Abenteuer. Marco Kellers zweites Buchprojekt stammt aus einem Eigenverlag. Da sind finanzielle Vorleistungen und Gönner notwendig. Diese Projektart habe aber auch ihre Vorteile. Das Werk ist vorderhand in einer Auflage von 3000 Exemplaren gedruckt worden. Rund 2000 davon seien, so Keller, bereits verkauft worden: «Ich rechne damit, dass wir unseren Einsatz wieder zurückbekommen.»

Stolz erwähnt der beim Verlang Tamedia arbeitende Sportjournalist, dass er «viele, sehr viele positive Rückmeldung» erhalten habe – und das nicht nur von Frauen. (Marco Morosoli)

Hinweis
Marco Keller, Monica Schneider, Peter M. Birrer: «Frauenpower» Kebisch Verlag, Kilchberg, 2021, 32 Fr. Bestelladresse: www.50-jahre-frauenpower.ch.