Ihre Kamera ist immer dabei
Kunst & Baukultur
Die Fotografin Silvia Feusi Bopp ist eine visuelle Poetin, die sich zum Grossartigen im Kleinen hingezogen fühlt. Doch warum hat für sie die Fotokunst mit Musik zu tun?
Baar – «Die extremen Naturerscheinungen, die fast baumlose Kargheit und das wechselnde Licht auf Island haben mich mit einer unglaublichen Wucht getroffen», sagt Silvia Feusi Bopp. So hat sie auf zwei Reisen Kälte und Wetterkapriolen nicht gescheut, um riesige Wasserfälle, glitzernde Eishöhlen, Gletscherseen und einsame Küstenstriche mit ihrer Kamera festzuhalten: Hunderte Fotos sind so entstanden.
Nun hat die Autodidaktin der Fotografie ein Coming-out gewagt. So ist derzeit eine Auswahl ihrer faszinierenden Island-Bilder in der Galerie Billing Bild in Baar zu sehen. Silvia Feusi freut sich sehr über diese Chance; hat diesen Schritt jedoch erst gewagt, nachdem ein bekannter Fotograf sie motiviert hat.
Vor der Ausstellung die Qual der Wahl
Bewusst hat die Baarerin nach einer «schwierigen Auswahl» die 23 grossen Bildtafeln, die auf Japan- oder Barytha-Papier gedruckt sind, nicht betitelt. Nähere Details finden sich erst in der Liste, und es löst Erstaunen aus, dass alle Bilder neben der Ortsangabe musikalische Titel führen, wie beispielsweise der mit «Delicato» bezeichnete Strand oder «Fortissimo», der Eisberg.
Silvia Feusi lacht und erklärt: «Von links nach rechts gelesen, stellen sie eine rhythmische Auswahl meiner Eindrücke dar. Die Komposition der Ausstellung mündet, wie so oft im Barock, finalement in einem Dur-Akkord.»
Musikerin und noch viel mehr
«Fotografieren hat viel mit Musik zu tun. Es ist eine Passion, bei der es gilt, genau hinzuhören – auf die Seele, auf Dinge, Menschen und Materien. Das alles muss man mit sich selber in Einklang bringen», so Silvia Feusi. Für den musikalischen Bezug gibt es natürlich einen Grund: Silvia Feusi ist Musikpädagogin, die mit der Geige in verschiedenen Formationen und Sparten gespielt hat.
Ihr beruflicher Werdegang überrascht. Lachend zählt die 67-Jährige auf: «In mir wohnen mehrere Seelen. Zuerst habe ich Damenschneiderin gelernt, danach folgten das Englische-Literatur-Diplom als Übersetzerin, einige Jahre als ausgebildete Psychiatrieschwester und ein Studium an der Musikakademie.» So wundert es nicht, dass sie sich zum «Grossartigen im Kleinen» – zum Kammermusikalischen – hingezogen fühlt.
Schon lange ist das Fotografieren für Silvia Feusi zur Passion geworden. Den ersten Kick löste eine mehrmonatige Reise durch die Sahara in den Siebzigerjahren aus. Später habe sie viele Projekte von Schulklassen, Theater- oder Musikgruppen fotografisch begleitet. Sie sagt: «Meine Kamera ist immer dabei.»
Sie geniesst die grössere Freiheit
Ihre Kunst entsteht auf kleinem Raum, im Büro der Wohnung. Das Labor kommt dank der digitalen Fotografie heute nicht mehr zum Einsatz. «Es war eine Zeit- lang mein Experimentierraum», so die Baarerin. Die digitale Technik fasziniert sie ebenso wie das Ausprobieren verschiedener Druckpapiere und Formate.
Wenn Silvia Feusi auf ihre Pension zu sprechen kommt, beginnt sie zu strahlen und sagt: «Sich zur Ruhe setzen, heisst für mich Freiheit. Jetzt kann ich alles erkunden, erforschen, vertiefen.» Vor einigen Tagen hat sie sich spontan selbst eine Weiterbildung geschenkt, ist sogleich in den Zug eingestiegen und zum Fotografieren einen Tag ins Verzascatal gefahren.
Die visuelle Poetin erkennt sofort spezielle Momente wie kürzlich, als sie viel erledigen wollte. «Als ich am Morgen eine Vase sah und darin im Gegenlicht fluoreszierende Blasen entdeckte, habe ich die Kamera geschnappt, eine halbe Stunde später lag alles im Schatten.»
Momentan ist sie mit ihrer ersten Ausstellung mit dem Titel «Rhythmus und Melancholie» beschäftigt. «Gert Billing hat mir eine grosse Chance geboten», betont Silvia Feusi. Und die positiven Reaktionen hätten sie selber umgehauen, schmunzelt sie. Das Thema Island ist noch nicht abgeschlossen. Das nächste Mal will sie nochmals ins Hochland, das gehe aber nur im Sommer.Dort sei es noch karger als am Strand. Die Eindrücke im Land seien wahnsinnig – wie eine Sinfonie. Ideen für weitere Themen hat sie bereits. Sprühend vor Energie sagt sie: «Es geht weiter, und es ist schön, dass immer wieder Türen aufgehen.» (Monika Wegmann)
HinweisDie Ausstellung «Rhythmus und Melancholie» mit Bildern von Silvia Feusi Bopp läuft bis 23. Oktober in der Galerie Billing Bild, Haldenstrasse, Baar. Die Öffnungszeiten: Mo, Do, Fr 14–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr.