Virtuoser Auftakt der «Sommerklänge»

Musik

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Kammermusik-Konzerte an ungewöhnlichen Orten: Das Konzept des Sommerklänge-Festivals begeistert auch dieses Jahr. Das erste Konzert der 21. Festival-Ausgabe mit Werken von Mozart, Brahms und Turina hat ein durch und durch verzücktes Publikum hinterlassen.

  • Das Zuger Ensemble Chamäleon eröffnete in Oberägeri die «Sommerklänge» 2021. Von links: Tobias Steymans, Madeleine Nussbaumer, Luzius Gartmann und Natalia Mosca. (Bild Stefan Kaiser)
    Das Zuger Ensemble Chamäleon eröffnete in Oberägeri die «Sommerklänge» 2021. Von links: Tobias Steymans, Madeleine Nussbaumer, Luzius Gartmann und Natalia Mosca. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Auftakt Sommerklänge 2021 – die heisse Jahreszeit wird in der Regel mit Müssiggang und/oder Dolcefarniente verbunden. Und genau hier setzt «Sommerklänge» an: Das Festival stimuliert die Sinne, denn zu viel Nichtstun macht ja träge. Damals, 2001, war es eine mutige Entscheidung, im kulturübersättigten Zug ein klassisches (Kammer)Musikfestival auf die Beine zu stellen. Der Erfolg gab Peter Hoppe und Madeleine Nussbaumer als Initianten recht; die «Sommerklänge» sind mittlerweile das Highlight der Saison. Die Idee, Kammermusik mit aussergewöhnlichen Landschaften und Orten im Kanton Zug zu verbinden, kommt beim Publikum an.

So auch am Sonntag; dort war die Landschaft – das Konzert fand im Gemeindesaal Maienmatt in Oberägeri statt – nicht gerade «aussergewöhnlich», dafür aber das Programm und noch viel mehr die Darbietung: Das Ensemble Chamäleon eröffnete das Festival fulminant mit Mozart, Turina und Brahms.

Lebenslinien während der Pandemie

Das Thema am Sonntag: Lebenslinien. Äusserst passend, denn unsere Lebenslinien haben global etwas gemeinsam – wir wissen nicht, was die nächsten Wochen bringen werden und wie wir damit umzugehen haben. Dies wurde auch in der kurzen Eröffnungsrede von Peter Hoppe klar: Bei den «Sommerklängen» spielt auch dieses Jahr die Pandemie die erste Geige; bei jeder Location musste vorher geprüft werden, ob die Anzahl der Gäste zugelassen ist. «Pandemiebedingt haben wir bei der Auswahl der Destinationen und damit beim Routenplan für unsere beliebte kulturhistorische Entdeckungsreise vor allem auf grosse Räume geachtet und damit gewisse Einschränkungen in Kauf genommen. Bis April wussten wir ja gar nicht, was überhaupt möglich sein würde im Juli. Es war eine extrem schwierige Planung», erklärt die künstlerische Leiterin Madeleine Nussbaumer.

Prominente Besetzung

Das Ensemble Chamäleon ist ein Garant für erstklassige Musik auf höchstem Niveau. Alleine die Besetzung verspricht, dass «handwerklich» nichts schiefgehen kann. Madeleine Nussbaumer als Gründerin des «Chamäleons» am Klavier, Tobias Steymans als Konzertmeister des Sinfonieorchesters des Bayrischen Rundfunkes an der Violine, Natalia Mosca (Viola) und Luzius Gartmann (Violoncello) komplettierten den akustischen Leckerbissen.

Bei Wolfgang Amadeus Mozarts Klaviertrio B-Dur KV 502 aus dem Jahr 1786 trifft man den Geschmack des Publikums auf sicher – das war schon damals bei der Uraufführung so und hatte am Sonntag ebenfalls bestens funktioniert. Das Hauptthema des ersten Satzes ist einprägsam, und durch das Können des Ensembles war akustisch ein Spiel mit Licht und Schatten fühlbar – quasi grosses Kino für die Ohren, ganz im Sinne des Komponisten, der dramatische Kontraste liebte. Bereits hier wurde klar, warum der Auftakt der Sommerklänge unter dem Thema Lebenslinien startete: Denn obschon Mozarts drittes Kind tragisch verstorben ist, beendete der Komponist sein Werk einen Tag nach dem Begräbnis. Eine weitere Lebenslinie also, wenn auch eine tragische. Zu hören ist dieser schicksalhafte Umstand in seiner Komposition nur marginal, die leichten Moll-Eintrübungen könnten als entsprechender Hinweis verstanden werden.

Virtuoses Spiel

Gewagter dann Joaquín Turina (1882–1949) mit dem Klavierquartett a-Moll op. 67 aus dem Jahr 1931. Eine unglaublich spannende Komposition und vom Ensemble Chamäleon faszinierend virtuos gespielt. Die Rhythmen, die Turina in seinen Stücken verwendete, stammen oft aus der andalusischen klassischen Flamencotradition mit Elementen, die fahrende Völkergruppen in ihrer Musik verwendeten. Nach gut einer Stunde dann die Pause, viele Monate lang war so etwas nicht möglich – umso mehr freute sich das zahlreich erschienene Publikum auf die Erfrischungen und damit verbunden auf anregende Gespräche.

Und danach folgte Brahms mit seinem Klavierquartett c-Moll op. 60. Gemäss Programmheft ist das Stück «von tiefem Ernst und erschütternder, auswegloser Verzweiflung» geprägt. Die Komposition wurde von ihm mehrmals überarbeitet, und es dauerte Jahre, bis er diese dann endlich veröffentlichte. Dies hing direkt mit dem stark persönlich gefärbten Hintergrund des Werks zusammen. Und auch hier ­wieder: Lebenslinien. Denn Brahms verarbeitete darin seine unerfüllte Liebe zur verheirateten Clara Schumann. Diese Essenz transponierte das Ensemble Chamäleon am Sonntag meisterlich, und das Publikum dankte mit grossem Applaus. (Haymo Empl)