Durch den Fels zur Sommerfrische am Berg

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

,

Im steilen Gelände am Zugerberg stösst man auf einen Tunnel, dessen Sinn und Zweck sich einem nicht erschliesst. Hinter dem merkwürdigen Bauwerk im Wald steckt eine illustre Persönlichkeit der jüngeren Zuger Geschichte.

  • Ein Tunnel im Wald am Zugerberg. Wer hat sich da einst die Mühe gemacht, ihn in den Fels zu treiben? (Bild Matthias Jurt)
    Ein Tunnel im Wald am Zugerberg. Wer hat sich da einst die Mühe gemacht, ihn in den Fels zu treiben? (Bild Matthias Jurt)

Zug – Wer ab dem Lienisberg der Fahrstrasse Richtung Schnuristein folgt, sich talwärts orientiert und weiter an den Strassenverlauf hält, steht wenig später im Wald vor einem Kuriosum, das als solches im Kanton Zug einzigartig ist: Ein knapp 30 Meter langer Tunnel führt hier durch den Fels des vom Schnuristein her abfallenden Geländesporns. Unmittelbar danach biegt der Weg Richtung Norden ab und führt weiter zum Unterhorbach. Wer um alles in der Welt hat sich hier im steilen Gelände des Eielenwaldes die Mühe gemacht, einen Tunnel in den Fels zu treiben? Und warum? Hinter dem Relikt aus vergangenen Zeiten steht die für die Geschichte Zugs bedeutende Person der Adelheid Page-Schwerzmann (1853–1925). Die gebürtige Zugerin aus wohlsituierter Familie hat es als Gattin von George Ham Page, Leiter der Anglo-Swiss Condensed Milk Company in Cham, zu grossem Ansehen und Reichtum gebracht. In der Folge hat sie als selbstbewusste Wohltäterin und Mäzenin das gesellschaftliche Leben wie auch die Kultur im Kanton Zug massgeblich mitgeprägt. Eines ihrer noch sichtbaren Vermächtnisse für die Nachwelt ist die Klinik Adelheid in Unterägeri – und ferner eben dieser merkwürdige Tunnel am Zugerberg.

Und das steckt dahinter: Anno 1894 erwarb Adelheid Page die Alp Horbach am Abhang des südlichen Zugerberges. Kern des Anwesens war zu der Zeit ein Bauernhaus von 1833. Die Zugerin liess den heutigen Unterhorbach in eine Art Sommerfrische für ihre Familie umgestalten. Das Bauernhaus wandelte sie in ein feudales Ferienhaus mit Annex- und Nebengebäuden um. Das Bächlein, den «Horbach», liess sie aufstauen, sodass sich ein kleines Gewässer in der Form des Zugersees bildete. Dieses existiert noch heute, so auch ein Teepavillon.

Anreise auf Rädern

Der Ausbau dieses voralpinen Page’schen Landsitzes hoch über dem See umfasste nicht nur das Anwesen Horbach und seine nähere Umgebung, sondern das ganze Gebiet. Frau Page hatte benachbarte Grundstücke dazu gekauft, um die Landschaft am Schnuristein grosszügig und nach persönlichem Gusto zu gestalten. Das schloss selbst das Weg- und Strassennetz mit ein. Es ist zu bedenken, dass bis dahin die Erreichbarkeit des Horbachs erschwert war, zumal vom Tal her lediglich ein wohl rudimentärer Saumweg zur Alp führte, der im oberen Bereich in einen Fussweg überging und kaum befahrbar war. So ist die heutige Fahrstrasse zwischen dem Lienisberg am Schnuristein vorbei zum Unterhorbach von den Pages ausgebaut worden. Als Leute von Welt wollte die Familie ja nicht einen beschwerlichen Fussmarsch oder Pferderitt in Kauf nehmen, um zur Sommerfrische zu gelangen. Das sollte schon auf vier Rädern machbar sein. Auf diesen Anspruch ist vermutlich der besagte Tunnel im Eielenwald zurückzuführen.

Aber doch nur ein gestalterischer Zweck?

Aus heutiger Sicht scheint dieses Bauwerk jedoch verzichtbar, zumal es die hiesige Topografie freilich zugelassen hätte, die Strasse einfach um zirka 100 Meter zu verlängern und um den Geländesporn herumzuführen. Das wäre mit einem substanziell geringeren Aufwand verbunden gewesen, als den Fels zu durchbrechen. Somit drängt sich die Vermutung auf, dass der Tunnel wie auch die flankierenden Mauern von der Familie Page-Schwerzmann bewusst als Element der Landschaftsgestaltung rund um den Horbach angelegt worden sind – vielleicht gar aus einem romantischen Gedanken heraus.

1931 verkauften die Nachkommen der Pages den Landsitz Horbach der Gemeinnützigen Gesellschaft Zug (GGZ). In den folgenden Jahrzehnten dienten die Gebäude unterschiedlichen Bildungszwecken. Seit Frühjahr 2020 ist hier die «Sennhütte» untergebracht, die zur GGZ gehörende Fachinstitution für Suchttherapie.

Die Waldstrasse mit dem Tunnel als Zubringer für den Unterhorbach hat ihre Funktion schon lange verloren. Das Anwesen ist vom Zugerberg her über eine moderne, asphaltierte Fahrstrasse erreichbar. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.