«Am Anfang ist immer eine Frau»

Musik

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Vor Jahren hat der tschechische Musiker Jan Řepka die Lieder von Mani Matter entdeckt. Seitdem gehören sie in sein Repertoire. Zurzeit ist der Liedermacher wieder in der Schweiz unterwegs.

Zug – Sie haben Lieder von Mani Matter auf Tschechisch übersetzt: Wie sind Sie denn auf Mani Matter gestossen?

Wenn ich als Liedermacher unterwegs bin, interessiere ich mich auch für die musikalischen Traditionen der Länder, die ich besuche. In der Schweiz habe ich meine Gastgeber immer wieder nach einheimischen Liedermachern gefragt. Jedes Mal wurde Mani Matter genannt. So wurde ich neugierig.

Wie hat es Sie überhaupt in die Schweiz verschlagen, als tschechischer Liedermacher?

Es war eine zufällige Begegnung mit einer Frau aus dem Appenzell, die ich vor gut zehn Jahren an einem Musikfestival in Tschechien kennen gelernt habe. Sie hat für mich die Tür zur Schweiz geöffnet. Umgekehrt habe ich sie mit meinem Land bekannt machen können. Zuvor hatte ich nie die Idee, in der Schweiz zu singen. (Lacht) Wie es so ist: Am Anfang ist immer eine Frau.

Was entdecken Sie in Mani Matters Liedern, das Sie anspricht?

Über das mehrschichtige Werk von Mani Matter werden mittlerweilen wissenschaftliche Arbeiten geschrieben. Ich habe auch andere Autoren übersetzt, aber Mani Matter hat mich besonders gepackt. Melodie, Rhythmus und Stil sind mir nah. Seine Sprachkunst ist dicht, komplex und sehr durchdacht.

Lassen sich sein Humor und die Doppelbödigkeit in eine andere Sprache übertragen?

Ich habe zuerst zwei oder drei Lieder probiert. Erst als ich merkte, dass es auf Tschechisch wirkt, habe ich weitergemacht. Es funktioniert wirklich sehr gut. Obwohl Matter mit Schweizer Motiven arbeitet, ist das Grundsätzliche seiner Aussagen immer universell. Das betrifft auch seinen Humor. Die Tschechen müssen genau gleich lachen oder schmunzeln wie die Schweizer.

Sie sind ein klassischer Liedermacher: Warum liegt Ihnen diese Musik? Sie könnten ja auch Popsongs machen oder als Rapper performen.

Ich bin mit dieser Art Musik aufgewachsen. Meine Eltern hatten viele solche Schallplatten. Schon mit zehn Jahren begann ich, die Festivals in Tschechien zu besuchen, wo Liedermacher auftraten. Diese Leute mit einer Gitarre und ihrer Stimme waren immer meine Helden. Sie gehören für mich zum Archetyp des Barden, der selber schreibt, singt und mit seinen Liedern unterwegs ist, ohne Show und Brimborium. Das ist einfach, aber gleichzeitig auch komplex.

 

Gibt es eine spezielle Folk-Tradition in Tschechien?

Unsere moderne Liedermachertradition ist in den 1960ern entstanden. Viele Autoren, Musiker und Intellektuelle sind leider nach 1968 aus Tschechien geflüchtet. Es gibt einige tschechische Liedermacher, die zu Vorbildern für mich wurden. Wenn ich heute als Liedermacher auftrete, fühle ich mich gleichzeitig altmodisch und zeitlos. Heute benutzen sehr viele ein Loopgerät und arbeiten stärker mit modulierten Klängen, Rhythmen und repetitiven Patterns als mit Wörtern und Melodien. Ich kann gut einen ganzen Abend lang singen und spielen, ohne Geräte.

Sie haben ein grosses Repertoire aus eigenen Songs und Songs von andern, die sie ins Tschechische übersetzten. Was ist da alles zu finden?

Am meisten habe ich mich mit Mani Matter beschäftigt, aber auch Songs von Paul Simon, Bob Dylan oder Gerhard Gundermann auf Tschechisch übersetzt. Neben rund 30 fremden Kompositionen habe ich noch rund 60 eigene Lieder im Repertoire.

Was verändert sich mit der Übersetzung von Songs?

Einen Song einfach zu covern, macht für mich keinen Sinn. Wenn ich sie selber übersetze, interpretiere ich sie auch ein bisschen neu. Und es macht mir Spass, die Lieder in Tschechisch zu singen. Ich übersetze Lieder, wenn sie mich ansprechen. Ich kann mir das Lied auch besser merken, als wenn ich es in der Originalsprache vortrage.

In Luzern spielen Sie mit dem Schweizer Kabarettisten Carlos Greull. Was ist da zu erwarten?

Wir mischen die Sprachen und die Instrumente, das ist sehr bunt. Carlos singt die Mani-Matter-Lieder in Berndeutsch und spielt Piano. Ich spiele Gitarre und singe die Lieder auf tschechisch. Wir haben viele eher unbekannte Mani-Matter-Chansons im Repertoire. Es gibt immer wieder Zuhörer, die Mani Matter auf diese Weise ganz neu erleben. Egal, ob sie nun Schweizer sind, die Tschechisch verstehen, oder solche, für die Tschechisch eine Fremdsprache ist, aber Mani Matter gut kennen.

Vor 50 Jahren war der Prager Frühling, Sie sind 16 Jahre später geboren: Was haben Sie für eine Verbindung oder Beziehung zu diesem historischen Ereignis?

Ich weiss natürlich, um was es gegangen ist, aber ich habe keine persönlichen Erinnerungen daran und also wenig Bezug dazu. In unserer Familie war Politik nie ein Thema. Es gibt allerdings einige Poeten und Liedermacher wie Karel Kryl, die damals wirkten und Widerstand leisteten und die ich schätze.

 

Wie erfahren Sie die Unterschiede der tschechischen und der schweizerischen Mentalität?

Was ich in der Schweiz schätze, ist der Respekt, den hier die Menschen untereinander pflegen und der bei uns ziemlich fehlt. Umgekehrt könnten die Schweizer vielleicht etwas entspannter sein. Das Verbindende ist der Humor. Mit den Liedern von Mani Matter können die Leute gut über sich selber lachen. Das ist seine Kunst. Das Lachen ist gesund. (Interview Pirmin Bossart)

Hinweis
16. November, 19.30 Uhr, Jan Repka und Carlos Greull, Mittelschulzentrum, Hirschengraben 10, Luzern, Reservation: 16-11-2018@gmx.ch; 17. November, 20 Uhr, Jan Repka, Paettern, Zug; 18. November, 16 Uhr, Jan Repka, Coiffeur Philipp, Zug