Rollenspiele unter den Chören

Musik

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Audite Nova Zug und Händel Chor Luzern im Vergleich mit Vokalensemble Zürich und Ensemble Corund.

  • Der Zuger Chor Audite Nova feiert in der Pfarrkirche Unterägeri (Bild von 2018) sein 50-Jahr-Jubiläum. (Bild Maria Schmid)
    Der Zuger Chor Audite Nova feiert in der Pfarrkirche Unterägeri (Bild von 2018) sein 50-Jahr-Jubiläum. (Bild Maria Schmid)

Zug – «Professionalität», «Begeisterung», «Verbundenheit»: Diese drei Stichworte findet man zuoberst auf der Homepage des Chors Audite Nova Zug, der in dieser Saison sein 50-Jahr-Jubiläum feiert. Dass er sich seit 2005 im Leitbild als «Laienchor mit professionellem Anspruch» definiert, ist kein Zufall. In dieser Zeit traten immer mehr kleiner besetzte professionelle Vokalensembles auf den Plan, die die Rolle der Grosschöre neu bestimmten.

Audite Nova bekennt Farbe mit Suters «Sonnengesang»

Das Jubiläumsprogramm des Chors bekennt Farbe mit einem Programm, das nur ein Grosschor gestalten kann: Hermann Suters Oratorium «Le Laudi di San Francesco d’Assisi» und eine darauf bezogene Uraufführung des Zuger Komponisten Carl Rütti. Suters Vertonung des «Sonnengesangs» von Franz von Assisi von 1923 verkörpert wie kaum ein anderes Werk die im 19. Jahrhundert begründete Tradition der grossen Laienchöre in unserem Land.

Es versammelt nicht nur eine «Hundertschaft von Menschen aus rund zwanzig Nationen», wie sich Audite Nova selber beschreibt. Hinzu kommen die Zuger Sinfonietta, der Konzertchor der Musikschule Zug, die Damen des Zuger Kammerchors und ein Solistenquartett um die Sopranistin Gabriela Bürgler. Die Orgel in der Pfarrkirche Unterägeri spielt Carl Rütti. Mit diesen Klangmitteln steigert Suter den Lobpreis Gottes zum Strahlen der Sonne und den Naturgewalten von Wind, Wasser und Feuer, bevor das Werk in einem mystischen Pianissimo verhallt.

Händel Chor Luzern: Vielseitig auch unter Andrew Dunscombe

Eine Zäsur setzt das Jubiläumskonzert auch deshalb, weil Dirigent Johannes Meister aufs Pensionsalter seinen Rücktritt bekannt gab. Vollzogen hat sich ein Dirigentenwechsel bereits beim Händel Chor Luzern. Dessen Leitung übernahm während Corona der britisch-schweizerische Dirigent und Pianist Andrew Dunscombe. Der ehemalige Studienleiter am Luzerner Theater dirigierte Musicals für das Thunerseefestspiel und leitet den Uni-Chor Luzern sowie die «English Theater Group of Zug».

Damit führt Dunscombe die schon von Pirmin Lang geprägte Vielseitigkeit des Händel Chors mit seinen knapp 100 Mitgliedern weiter. Im Antrittskonzert «Exsultate!» gehören dazu sich mysteriös entfaltende Werke der Renaissance, denen man fast nur noch in Kleinbesetzungen begegnet. Aber zum Chorklang treten Bläser und Schlagzeug des Ensembles «UnglauBlech» hinzu (Orgel: Martin Heini). Sie machen eine Eröffnungsfanfare aus Ralph Vaughan Williams’ «O Clap Your Hands», das als Loop durch «Revolution 9» der Beatles geistert. Einflüsse durch Jahrhunderte und die Welt versammeln populäre Werke des englischen Erfolgskomponisten John Rutter, der die Tradition der englischen Kathedralmusik mit Elementen von Jazz und Pop weiter entwickelte.

Vokalensemble Zürich: Handverlesene Individualität

Individualität ist bei Berufsvokalensembles mit knapp 20 Sängern schon von der Besetzung her Trumpf. Das vom Luzerner Peter Siegwart geleitete Vokalensemble Zürich beweist es seit 30 Jahren mit ganz persönlich komponierten Programmen.

Zum Jubiläum sind es jetzt sogar deren zwei, die durch das Motiv der Pilgerfahrt verbunden sind. Im ersten steht Musik zu einem theatralen Fest der italienischen Renaissance im Zentrum (mit dem Lautenisten Eduardo Egüez und dem Ensemble La Chimera, 13. Juni). Das zweite taucht mit Robert Schumanns «Der Rose Pilgerfahrt» ein in romantische Märchenwelten (Klavier: Peter Baur, 26. Juni). Verbunden werden beide Programme durch Texte von Fernando Pessoa (Rezitation: Robert Hunger-Bühler) und «Schattenklänge» von Siegwart.

Ensemble Corund: Krönung mit zweierlei Stars

Wie sich Rollen vertauschen können, zeigt sich daran, dass sich nicht einer der Grosschöre, sondern – in historischer Aufführungspraxis – das Ensemble Corund dem monumentalen Händel-Stil widmet. Gewissermassen dessen Krönung sind im Konzert im KKL Händels in jeder Hinsicht grossartige «Coronation Anthems». An den Star-Status von Händel, der in den Pausen seiner Oratorien als Orgelvirtuose auftrat, erinnert sein Orgelkonzert vom Kuckuck und der Nachtigall mit der Organistin Alina Nikitina.

Mit Anne-Sophie von Otter hat Stephen Smith zudem eine Starsängerin verpflichtet. Die schwedische Mezzosopranistin ist Solistin in Opernarien von Händel (u.a. «Cara Sposa» aus «Rinaldo») und in einem zeitgenössischen Werk, Caroline Shaws Liedzyklus «Is a Rose». Geschrieben für Mezzosopran und Barockorchester ist es ein weiteres Indiz dafür, wie herkömmliche Grenzen auch in der Vokalmusik immer mehr verschwimmen. (Text von Urs Mattenberger)