Frau Wyss und ihr gezeichneter Garten

Kunst & Baukultur

,

Gabriela Wyss ist Psychiaterin, sie philosophiert, schreibt - und sie hat in ihrem Leben auch den Zeichenstift geführt. Wie gut, das lässt sich derzeit in Zug überprüfen.

  • 90-jährig und voller Energie: Gabriela Wyss in der Galerie Bolwijerkanal in Zug. (Bild Alexandra Wey)
    90-jährig und voller Energie: Gabriela Wyss in der Galerie Bolwijerkanal in Zug. (Bild Alexandra Wey)

Zug – «Ich sage Ihnen, es gibt keine unbelebten Dinge», sagt Gabriela Wyss. Sie sitzt auf der Gasse vor der Galerie Bolwijerkanal 23, gleich neben dem Burgbachsaal, und zwischen Apérohäppchen und Weingläsern geht ein sonniger Tag zu Ende.

Das Kopfsteinpflaster strahlt noch die letzte Wärme ab, und Wyss erklärt: «Dieses eine Bild hat einfach nicht in der Schublade stecken wollen, es wollte im Mittelpunkt stehen.» Und über Umwege hat es das endlich doch geschafft: Ihr Porträt von Steffi Graf steht im Zentrum einer Ausstellung voller Bilder der Café-Philo-Veranstalterin. Dazu später mehr.

Aussichtsposten in die sonnige Welt

Die Galeristin Judith Müller erklärt ihre Ausstellung so: «Ich habe zu Frau Wyss gesagt: Ich mache dir einen Garten.» Und dann in deren Keller die Bilder aus Jahrzehnten zusammengesucht, Blumen und Bäume und leuchtende Pflanzen. Sie machen den kleinen Galerieraum zum Aussichtsposten in eine sonnige Welt. «Ich bin keine Künstlerin, das weiss ich», sagt Wyss. «Aber ich kann gut zeichnen.»

Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit: Wer sich die Zeit nimmt, in ihren kleinen Skizzenbüchern zu blättern, der stösst plötzlich auf verblüffende Zeichnungen und Bilder, die so spontan und von so grosser Ausdruckskraft sind, dass sie den Betrachter berühren müssen. Wie zufällig entstandene und mit Glück gefundene kleine Kunstschätze, zwischen ansprechendem zeichnerischem Handwerk: ein Gesicht, das unverwandt durch die Seiten blickt, eine Geste, die Wyss so präzise eingefangen hat, dass sie körperlich nachvollziehbar wird. Ein Bild mit dem Titel «Das erste Kind», die eigene Tochter gemalt, die voller Staunen und etwas überwältigt ihr Baby im Arm hält. Daneben auch Blumen, die einfach schön farbig sind.

Die Ausstellung ist keine aktuelle Werkschau, eher eine rückblickende Feier dieses zeichnerischen Schaffens, anlässlich des 90. Geburtstags der umtriebigen Zugerin. Wyss musste mit dem Zeichnen aufhören wegen der Hände, die nicht mehr wollen, und überhaupt: «Ich kann mich mit Worten besser ausdrücken», sagt sie.

Die Sache mit Steffi Graf

Und dann eben jenes eigenwillige Porträt, das im Mittelpunkt stehen wollte. «Dieses Bild hat ein ganz unglaubliches Eigenleben», sagt Wyss lachend. Sie hatte es schon frustriert abgeschrieben, nachdem sie es der Tennisspielerin am «Stars on Court» vor wenigen Monaten nicht wie geplant überreichen durfte, weil deren Management das nicht zuliess. «Ich habe das Bild dann einem Bekannten von Steffi Graf geschickt, den ich in der Arena kennen gelernt habe, und ihm gesagt, er solle damit machen, was er wolle.» Und jetzt hängt es an der Wand, eine junge Steffi Graf, «das Lächeln noch ganz eng, noch nicht so offen und frei wie heute», beschreibt es Wyss. Und darunter hängt eine Fotografie des Originals: Steffi Graf mit breitem Lächeln und ebendieser Zeichnung in der Hand, frisch signiert. Das Bild hat es zur Tennisspielerin geschafft, über Umwege und per Zufall, und dann wieder zurück zu Wyss. «Es ist wie die Rose von Jericho, kennen Sie die Blume? Frau Müller hat den ersten Tropfen Wasser darauf gegossen, als sie sie damals aus meiner Schublade gezogen hat.» Jetzt blüht sie, mitten im gezeichneten Blumengarten. (Falco Meyer)

Hinweis
Der Erlös aus dem Verkauf der Bilder wird der Stiftung «Children for Tomorrow» überwiesen. Für das signierte Porträt von Steffi Graf kann während der ganzen Dauer der Ausstellung schriftlich geboten werden. Gebote gehen an: mueller.judith@datazug.ch