Bach verjazzt oder Jazz verbacht

Musik

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Drei Musiker der obersten Liga liessen am vierten Sommerklänge-Konzert gehörig die Saiten tanzen. Für viele Zuschauer war dies wohl eine ganz neue Erfahrung.

  • Die drei Ausnahmetalente begeisterten in Unterägeri: Georg Breinschmid (Bass), Benjamin Schmid (Violine) und Diknu Schneeberger (Gitarre). (Werner Schelbert)
    Die drei Ausnahmetalente begeisterten in Unterägeri: Georg Breinschmid (Bass), Benjamin Schmid (Violine) und Diknu Schneeberger (Gitarre). (Werner Schelbert)

Unterägeri – Hätten die Umstände für das vierte Sommerklänge-Konzert überhaupt besser sein können als am Sonntag in Unterägeri? Madeleine Nussbaumer, künstlerische Leiterin des Festivals, räumte vor Konzertbeginn ein, dass sie wie auf Nägeln gewesen wäre, hätte der Wetterbericht doch Gewitter für diesen Nachmittag vorausgesagt. Doch es kam wie innigst gewünscht: Ein lauer Sommerwind wehte sanft durch den malerischen Hof der Privatschule Dr. Bossard. Durch das Blätterdach der Birken drang das denkbar angenehmste Licht der Abendsonne und schuf die besten Bedingungen für die atemberaubende Vorstellung, welche die in ansehnlicher Zahl erschienene Zuschauerschar hier gleich erleben würde.

Präludium einmal anders

Drei Musiker aus Österreich waren es - keine falsche Bescheidenheit; man darf ihnen das Weltklasseformat attestieren -, die das Publikum vom ersten Ton an in den Bann zogen: Benjamin Schmid an der Violine, Diknu Schneeberger an der Gitarre und Georg Breinschmid am Kontrabass. Nein, nicht etwa eine reduzierte Wiener Schrammelbesetzung, sondern ein eingespieltes Team, das primär auf dem Jazzsektor mit einem elektrisierenden Spiel auf allerhöchstem Niveau für Furore sorgt - und das in erfrischend legerer Aufmachung. Die drei spielten mehrere Werke Breinschmids, der seines Zeichens auch als angesehener Komponist in Erscheinung tritt. Weiter interpretierten sie Kompositionen von Django Reinhardt, Kurt Weill, Fritz Kreisler und Johann Sebastian Bach.

Letzterer liess aufhorchen, will er doch so ganz und gar nicht recht mit der Stilform des Jazz korrespondieren. Doch Grössen wie den drei Österreichern gelingt selbst die Zusammenführung von Jazz und Barock auf eine erstaunliche Art, welche die Würde der alten Musik unangetastet lässt: Ein Bach-Präludium sowie eine Gavotte flochten die drei meisterhaft in einen lockeren Rahmen turbulenter Jazzmusik, ein Arrangement Breinschmids. Wie eine musikalische Persiflage auf das Bachwerk mutete es an, ohne aber seiner zu spotten. Die Zuschauer freute es sichtlich, und sie geizten nicht mit Begeisterungsrufen und dem einen oder anderen bewundernden Lacher, wenn Schmid im Präludien-typischen Tempo giusto seinen Bogen über die Saiten fegen liess. Man bedenke, dass ein Barock-Präludium an sich primär ein Stück für Tasteninstrumente ist.

Lanner - Kreisler - Schmid?

So war schnell klar: Man könnte Benjamin Schmid als das bezeichnen, was seine Landsmänner Joseph Lanner im 19. und Fritz Kreisler im 20. Jahrhundert waren - Teufelsgeiger à la Paganini. Mit einem Werk Kreislers besiegelten die drei denn auch ihren beeindruckenden Auftritt. Hier konnten sie noch einmal auf der ganzen Linie zeigen, was sie «draufhaben», und die Möglichkeiten ihrer Instrumente bis aufs Äusserste ausreizen. Der eine oder andere verbale Einwurf sowie ein gelegentlicher breit grinsender Gesichtsausdruck demonstrierten, mit welcher Freude am eigenen Spiel die drei erstklassigen Musiker ans Werk gingen, was unmittelbar auf das Publikum überschwappte. Köpfe und Füsse schaukelten mit im Takt, und gleichzeitig wurden die Fertigkeiten des Trios konzentriert mitverfolgt und aufrichtig bewundert. Abwechslungsweise schmiss jeder von ihnen hervorragende Soli, um wenig später den Lead an den Mitmusiker weiterzureichen und als Begleitpart weiter zu wirken. Auf diese Weise erhielt jeder der drei seine wohlverdiente Beachtung des begeisterten Publikums, das immer mal wieder mitten im Spiel anerkennend Beifall spendete. Für viele der Zuschauer bedeutete das Gebotene sichtlich eine neue Erfahrung. Geiger Benjamin Schmid richtete sich gegen Schluss ans Publikum: «Wir sind dankbar, heute an diesem schönen Ort spielen zu können. Und danke auch für Ihre offenen Ohren.» (Andreas Faessler)

Hinweis
Das fünfte und letzte Konzert des Sommerklänge-Festivals 2013 findet am nächsten Sonntag, 11. August, in der Hofgruppe Bofeld bei Deinikon in Baar statt. Beginn um 17 Uhr.
 

Die Privatschule Dr. Bossard

BÜHNE IM HOF. «Es ist unser Ziel, solche Orte mit Musik zu füllen.» Mit diesen Worten begrüsste Peter Hoppe vom Sommerklänge-OK das Publikum am Sonntag in Unterägeri. Essenz des beliebten Festivals ist es, mehr oder weniger bekannte und gleichsam ungewöhnliche Orte im Kanton als Konzertbühne zu wählen und ihnen für einmal auf musikalische Art neues, anderes Leben einzuhauchen. Dieses vierte Konzert in der diesjährigen Reihe fand im Innenhof der Privatschule Dr. Bossard im Herzen von Unterägeri statt. Elisabeth Köppel-Schmid von der Heimleitung sprach einführende Worte zum Ort. So war die heutige Schule anfänglich (Ende des 19. Jh. von Fridoline Bossard-Hürlimann gegründet) eine Stätte für Kinder zur Erholung von Krankheit. Später hatte die Anlage eher eine Funktion als Ferienheim, wurde dann aber in den 70er-Jahren offiziell zu einer Schule. Diese war zwar schon immer im Betrieb integriert, aber stellte nicht dessen Hauptzweck. Seither werden hier Kinder geschult und betreut, die an den öffentlichen Schulen nicht so recht «gedeihen» können, wie Elisabeth Köppel-Schmid erklärte.