Sophias Klosterrestitution

Brauchtum & Geschichte

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Dank einer Ordensfrau mit Zuger Wurzeln konnte das Zisterzienserinnenkloster Tänikon nach der Reformation seinen Betrieb wieder aufnehmen. Heute erinnert nur noch wenig an diese illustre, kunstaffine Äbtissin.

  • Das von Sophia von Grüth im Jahre 1549 gestiftete Glasgemälde anlässlich ihrer Einsetzung als Klosterschaffnerin ist heute Teil eines Fensters in der ehemaligen Klosterkirche Tänikon. Es konnte 1943 vom Kanton Thurgau zurückerworben werden. (Bild Andreas Faessler)
    Das von Sophia von Grüth im Jahre 1549 gestiftete Glasgemälde anlässlich ihrer Einsetzung als Klosterschaffnerin ist heute Teil eines Fensters in der ehemaligen Klosterkirche Tänikon. Es konnte 1943 vom Kanton Thurgau zurückerworben werden. (Bild Andreas Faessler)

Zug – Im Thurgau hat die Reformation ab 1500 für besonders grosse Wirren und Spaltungen gesorgt. In vielen Klöstern kam das Ordensleben fast vollends zum Erliegen, so auch im ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Tänikon in der heutigen Gemeinde Aadorf. Dank einflussreicher Kräfte wie adlige Familien, die im Hintergrund die Strippen zogen und dem katholischen Glauben treu geblieben sind, konnte der Betrieb im Kloster Tänikon, wo lediglich zwei alte Konventfrauen übrig geblieben waren, im Frühjahr 1548 wieder aufgenommen werden. Dies war freilich alles andere als eine leichte Aufgabe. Auf Empfehlung von mehreren Seiten betrauten die Ratsherren eine tüchtige Ordensschwester mit der Mission: Sophia von Grüth, sie war zu der Zeit Konventualin im Kloster Magdenau. Als Schaffnerin baute sie schliesslich das Ordensleben in Tänikon langsam wieder auf und wurde dort am 19. November 1550 erste Äbtissin nach der Reformation. Von Grüths Verdienste für das Kloster liessen sie als eine der wichtigesten Figuren in dessen fast 800-jährige Geschichte eingehen.

Für uns spannend an der Sache: Äbtissin Sophia von Grüths Wurzeln lagen mit grösster Wahrscheinlichkeit in Zug. Dies ergeben aufwendige Recherchen von Georg Muheim aus Baar. Als Amateurfamilienforscher ist er bei der Suche nach seinen Vorfahren auf Verbindungen zur Familie von Grüth-Schwarzmurer gestossen, was in ihm wiederum das Interesse an diesem Stammbaum geweckt hat – nicht zuletzt deshalb, weil die Schwarzmurers sowohl in Zürich als auch in Zug ansässig waren.

Eine Schwester des Zuger Ammanns Schwarzmurer?

Wie also lässt sich die verdiente Ordensfrau Sophia von Grüth zu Tänikon in Zug verorten? Ihr wohl zürichstämmiger Vater ­Joachim Edler von (auch vom) Grüth († 1527) – erst Freund, dann ein Gegenspieler Zwinglis – war mit Veronika Schwarzmurer († 1564) verheiratet. Diese war zuvor mit einem Jost Müller von Zug verehelicht. Müller dürfte jedoch schon früh verstorben sein. Dieser ersten Ehe entsprangen zwei Töchter, welche beide mit angesehenen Zuger Amtsträgern verheiratet waren.

Hier ist nun von Grüths Frau Veronika die massgebliche Figur, welche die Äbtissin zu einer zugstämmigen Protagonistin macht, denn Sophia war eines von neun Kindern, welche dieser zweiten Ehe entsprangen. Die Schwarzmurer sind gemäss Aufzeichnungen von Georg Muheim in Zürich und ab dem 15. Jahrhundert auch in Zug belegt. Der bekannteste Zuger Schwarzmurer war der Hans, Ammann der Stadt von 1508 bis 1517. Er ist als Brunnenfigur am Hirschenplatz bis heute präsent. Ob und wie er mit Veronika Schwarzmurer in Verbindung stand, ist zwar nicht verbürgt, jedoch kann gemäss Aufzeichnungen von Georg Muheim ein Brief von Joachim von Grüth an Heinrich Schwarzmurer in Zürich dahin gehend interpretiert werden, dass Veronika gar die Schwester des illustren Zuger Ammanns gewesen sein könnte. Es bleibt aber vorerst eine Mutmassung. Auch nicht ganz abschliessend geklärt ist, ob Veronika der Zürcher oder der Zuger Schwarzmurer entstammte. Aber: Ihre Heirat mit dem Zuger Müller in erster Ehe sowie eine Mehrheit der schriftlichen Quellen zu ihrer Person machen es höchst wahrscheinlich, dass sie eine Zuger Schwarzmurer war – und in der Folge liegen auch die Wurzeln unserer Täniker Äbtissin in Zug. Dieser möchten wir uns jetzt wieder zuwenden.

Sie verhalf ihrem Kloster – durch strenge Hand und grosse Sparsamkeit – zu einer Blüte und zur finanziellen Sanierung, die Klosterbauten werden unter ihrer Leitung wieder hergestellt und erweitert, die ausgeräumte Kirche erhielt neue Altäre. Im November 1566 konnte das fertiggestellte Kloster Tänikon neu eingeweiht werden. Ab 1558 liess die kunstaffine Äbtissin von Grüth den Kreuzgang mit Glasgemälden ausstatten, welche heute als bedeutendes Kulturgut des Kantons Thurgau und besonders wertvolles Zeugnis der Glasmalerei des 16. Jahrhunderts gelten. Sophia von Grüth stiftet in jenen Jahren zahlreiche Glasgemälde für verschiedene Klöster.

Eine ihrer Gemäldestiftungen finden wir noch vor Ort, sie erinnert an die Einsetzung von Sophia als Schaffnerin in Tänikon. Es ist das hier gezeigte Glasgemälde. Dieses ist heute in einem der drei südlichen Fenster im hinteren Teil der ehemaligen Klosterkirche Tänikon eingesetzt. Sein ursprünglicher Standort ist unbekannt. Es gelangte Anfang 20. Jahrhundert in eine Pariser Kunstsammlung und konnte 1943 vom Kanton Thurgau zurückgekauft werden. Das Glasgemälde ist vom Luzerner Glasmaler Anton Schiterberg (1526-1588) gefertigt und zeigt die Szene der Verkündigung Mariens. Im Vordergrund sieht man in verkleinerter Gestalt Sophia von Grüth knien, davor ihr Familienwappen. Die Inschrift darunter lautet Sophia von Grüt Verwallterin dess Gotzhus Thänicken 1549. Den Draht zu ihrer Mutter Veronika hat Sophia insbesondere seit dem frühen Tod ihres Vaters aufrechterhalten. Veronika ist nach ihrem Tod im Kloster Tänikon beigesetzt worden. Sophias Schwester Beatrix lebte mit im Kloster, ohne dem geistlichen Stand anzugehören.

Interne Spannungen während der letzten Jahre

Die letzten acht Jahre von Sophias Wirken als Äbtissin waren jedoch von internen Spannungen geprägt: 1571 erwirkte sie ohne das Wissen ihrer Mitschwestern von den katholischen Orten das Recht, selbstständig eine Nachfolgerin ernennen zu dürfen. Damit brachte sie ihren Konvent um das Wahlrecht. Das hatte ein regelrechtes Zerwürfnis innerhalb des Klosters zur Folge, was zuweilen gar das Klosterleben ernsthaft gefährdete. Am 3. März 1579 starb Äbtissin Sophia von Grüth nach 30-jähriger Amtszeit. Ihre Nachfolgerin, die sie eigens zur solchen bestimmt hatte, war Barbara von Hertenstein aus Luzern, welche 1533 als Novizin nach Tänikon gekommen war.

Sophia von Grüth wurde im 1850 abgerissenen Kreuzgang neben ihrer Mutter Veronika beigesetzt. Das Glasgemälde in der ehemaligen Klosterkirche ist eines der wenigen Zeugnisse innerhalb des einstigen Zisterzienserinnenklosters Tänikon, welches an das einflussreiche Wirken der ersten postreformatorischen Äbtissin erinnert. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.