Die «kleinste Pride der Welt»

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Was sonst nur in Grossstädten stattfindet, gibt’s jetzt auch in Zug. Am 21. August steht die Glavanik ganz im Zeichen des Regenbogens.

  • Das fleissige Gespann hinter der Zug Pride: Eila Bredehöft, Galvanik-Geschäftsleiterin, und der Zuger Kulturschaffende Remo Hegglin. (Bild PD)
    Das fleissige Gespann hinter der Zug Pride: Eila Bredehöft, Galvanik-Geschäftsleiterin, und der Zuger Kulturschaffende Remo Hegglin. (Bild PD)

Zug – Die Schweiz gilt als sicheres und fortschrittliches Land für Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung. Dass aber deren vorbehaltlose Akzeptanz noch immer nicht überall als Selbstverständlichkeit angesehen wird, zeigt sich zum einen im Alltag Betroffener, die Ausgrenzung und Anfeindungen ertragen müssen. Zum anderen herrschen offensichtlich grosse Vorurteile auch in der Politik – sonst müsste das Schweizer Volk am 26. September nicht über die sogenannte «Ehe für alle» abstimmen gehen, welche in zahlreichen, darunter auch erzkatholisch geprägten Ländern schon lange im Gesetz fest verankert ist.

Jetzt wird in Zug ein Zeichen gesetzt: Am Samstag, 21. August, ist das Kulturzentrum Galvanik Austragungsort der ersten «Zug Pride». Pride heisst übersetzt Stolz und ist ein Sammelbegriff für LGBTQ*-Bewegungen, die das Ziel haben, Selbstachtung und einen «stolzen», also selbstverständlichen Umgang mit der eigenen Sexualität zu fördern. Die Zug Pride darf durchaus als Pendant zu den jährlich in den Grossstädten durchgeführten Pride-Veranstaltungen verstanden werden, welche üblicherweise in einem friedlichen, bunten Demonstrationsumzug gipfeln. So einer ist in Zug zwar nicht geplant, denn alles beschränkt sich auf das Gelände der Galvanik. Aber die Mission der Zug Pride ist ein- und dieselbe: Information, Aufklärung, Sensibilisierung – im Zeichen von Akzeptanz und Toleranz gegenüber «anderen» Lebensentwürfen.

Offene Türen eingerannt

Einer der Initianten ist der Zuger Kulturschaffende Remo Hegglin. Als Ideenlieferant anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Galvanik hat er diesen Vorschlag eingebracht und damit bei der Geschäftsleiterin Eila Bredehöft offene Türen eingerannt. «Ich fand die Idee grossartig», sagt sie. «Es passt wunderbar zu unserem Credo, ein offenes Haus für alle zu sein – ohne jegliche Vorbehalte.» Zwar habe sich das Kulturzentrum Galvanik seit jeher bewusst von politischem Engagement distanziert. «Hier aber geht es um Gleichbehandlung und um Gleichberechtigung. Auf diesem Gebiet ist es unmöglich, nicht politisch zu sein. Darum möchten wir mit der Zug Pride einen Beitrag zum Thema im Vorfeld zur Abstimmung im September leisten», so die Geschäftsleiterin.

Grundsätzlich sei die junge Generation im Kanton Zug sehr aufgeklärt, offen und unverklemmt, sagt Remo Hegglin. Auch bei den Älteren sieht er einen tendenziell entspannten Umgang mit der Thematik. Dennoch weiss er: Nach wie vor existieren neben gängigen Vorurteilen und Schubladisierungen auch immer noch viele offene Fragen in der Bevölkerung – und ein Mangel an Kenntnis über die Rechtslage für Nicht-Heterosexuelle. «Dass in essenziellen Punkten trotz der Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft noch immer keine Rechtsgleichheit herrscht, ist vielen Leuten gar nicht bewusst», so Hegglin. «Es ist umso wichtiger, offen darüber zu reden und Aufklärungsarbeit zu leisten, was die unterschiedlichen Orientierungen sowie Partnerschafts- und Familienmodelle angeht, welche sich von der althergebrachten Tradition unterscheiden.»

Eine Veranstaltung, die Mut machen soll

In seiner Jugendzeit wäre ein solcher Anlass in Zug kaum in Frage gekommen, sagt der offen homosexuell lebende Hegglin rückblickend. «Ich wäre dankbar gewesen, hätte es so etwas gegeben. Es macht Mut und zeigt Betroffenen, dass sie bei weitem nicht allein sind. Darum möchten wir möglichst viele Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen Identität – motivieren, unsere Veranstaltung zu besuchen.»

Die Zug Pride ermöglicht generationenübergreifend einen niederschwelligen Zugang zum Ganzen. So sieht das Nachmittagsprogramm ab 15.45 Uhr Vorträge und Workshops vor, die für Familien mit Kindern geeignet sind. «Es ist unerlässlich, dass der Nachwuchs heute zeitig lernt, dass es neben der ‹klassischen› Familie mit Mutter und Vater auch andere funktionierende Konstellationen und Modelle gibt», sagt Eila Bredehöft, selbst zweifache Mutter. Vor Ort werden Vertreter lokaler Organisationen wie Queer Zug sein, welche Interessierten anschauliches Infomaterial zur Verfügung stellen. Es wird über Aufklärungsangebote informiert, genauso wie über die bevorstehende Abstimmung, und es wird aufgezeigt, was es für Bedürfnisse in der LGBTQ*-Community gibt.

«Mit all dem leisten wir Sensibilisierungsarbeit – in einem schönen, familiären, sehr menschlichen und auch emotionalen Rahmen», so Remo Hegglin. Er wird um 19.30 Uhr, im Anschluss an das Nachmittagsprogramm, ein Podiumsgespräch mit Gästen führen, darunter mit einem Vertreter von Pink Cross, der Dachorganisation homo- und bisexueller Männer in der Schweiz. Auch eine Zuger Politikerin ist mit dabei, welche in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt und sich wünscht, ihre Lebenspartnerin endlich heiraten zu dürfen.

Schliesslich soll das Vergnügen nicht zu kurz kommen: Ab 21 Uhr nimmt die Galvanik den Partybetrieb auf mit DJ und Drag-Show (am Abend Einlass nur mit gültigem Covid-Zertifikat). Mit der Travestie, einer vor allem in der LGBTQ*-Szene angesiedelten Kunstform, kann das Publikum bereits im Rahmen des Nachmittagsprogrammes auf Tuchfühlung gehen und den drei Protagonisten bei der wundersamen Verwandlung in schillernde Dragqueens über die Schultern schauen.

Zeigt eure Offenheit

Von Seite der Organisatoren zeigt man sich recht bescheiden. «Wir verfolgen mit der Veranstaltung keine Superlativen», sagt Remo Hegglin und meint augenzwinkernd: «Im Gegenteil – wir sehen uns als ‹die kleinste Pride der Welt›.» Er und seine Mitorganisierenden sind ungemein gespannt, wie die erste Zug Pride ankommt. Die Resonanz auf den Social-Media-Kanälen ist bereits gross. «Auch aus den Reihen unseres Stammpublikums wie auch von zahlreichen Leuten ausserhalb der Community ist reges Interesse bekundet worden», sagt Eila Bredehöft und schiebt einen kleinen Appell nach: «Zug bezeichnet sich ja gern als weltoffene, fortschrittliche Stadt. Hier gibt’s nun Gelegenheit dazu, diese Offenheit zu zeigen.» (Andreas Faessler)