Die Kolosse sind wieder in der Stadt

Brauchtum & Geschichte

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Der Stieremärt ist längst ein riesiges Volksfest. Um auch das Kerngeschäft zu erhalten, lassen die Veranstalter nun etwas springen.

  • 240 Stiere waren gestern in Zug zu sehen. Nicht nur Profis haben sich für sie interessiert. (Bild Werner Schelbert)
    240 Stiere waren gestern in Zug zu sehen. Nicht nur Profis haben sich für sie interessiert. (Bild Werner Schelbert)
  • Noch bis heute Abend präsentieren die Bauern auf dem Stieremärt-Areal in Zug ihre stärksten Tiere. Rund 180 Landwirte mit 240 Stieren sind, wie Alois Schmidig (Bild), angereist, um ihre Tiere zu verkaufen oder bewerten zu lassen. Dank finanziellen Anreizen ist die Teilnehmerzahl um 15 Prozent gestiegen. (Bild Werner Schelbert)
    Noch bis heute Abend präsentieren die Bauern auf dem Stieremärt-Areal in Zug ihre stärksten Tiere. Rund 180 Landwirte mit 240 Stieren sind, wie Alois Schmidig (Bild), angereist, um ihre Tiere zu verkaufen oder bewerten zu lassen. Dank finanziellen Anreizen ist die Teilnehmerzahl um 15 Prozent gestiegen. (Bild Werner Schelbert)

Zug – Es fühlt sich an wie das Eintauchen in eine längst vergangene Welt, wenn man das «Stieremärt»-Areal in Zug betritt. Zwischen modernen Hochhäusern und Überbauungen trifft man plötzlich auf bärtige Männer in Edelweisshemden, die «Chrumme» im Mundwinkel. Es ist wieder Stieremärt in Zug, und das schon zum 123. Mal. Während im Hintergrund Ländlermusik läuft und die Sonne vom Himmel brennt, beraten die Viehzüchter über ihre stärksten Stiere. Tier an Tier stehen die Kolosse in langen Reihen nebeneinander, schnauben und scharren mit den Hufen. Einige von ihnen bringen mehr als eine Tonne Lebendgewicht auf die Waage.

Schönheit trifft auf Stärke

Insgesamt sind rund 180 Landwirte mit 240 Stieren angereist, um diese zu verkaufen oder bewerten zu lassen. Die Tiere werden in zwei verschiedenen Kategorien angeboten. Zum einen gibt es die reinrassigen Original-Braunvieh-Bullen, deren Vorfahren ausschliesslich aus der Schweiz stammen. In der zweiten Kategorie werden Stiere angeboten, die ursprünglich mit amerikanischen Brown-Swiss-Tieren gekreuzt wurden. Gehandelt werden vor allem Jungtiere. Der Preis für einen Muni liegt dabei je nach Gewicht, Alter und Schönheit des Tieres bei ungefähr 3000 Franken. Original Braunvieh erzielt einen leicht höheren Preis. Ein Landwirt aus Luzern erklärt: «Ich achte beim Kauf von Stieren auf einen geraden Rücken. Das weist auf ein langes Leben hin.» Berufskollege Franz Schindler aus Goldau ergänzt: «Die Zuchttiere müssen ein gutes Fundament und eine ausgeprägte Fleischigkeit, sprich starke Beine und Muskeln haben.» Schindler besucht den Märt bereits zum 50. Mal und stellt selber vier Stiere aus. «Davon verkaufe ich aber höchstens drei, Zöttel brauche ich noch für meine eigene Zucht!» Auch wenn es sein Name nicht vermuten lässt: Zöttel ist knapp 1,2 Tonnen schwer. Als ausgewachsener Bulle würde er keinen hohen Preis mehr erzielen. Allgemein habe man früher viel mehr an den Zuchttieren verdient, so Schindler.

In den letzten Jahren kamen nicht zuletzt deswegen immer weniger Landwirte an die Zuger Viehschau. Laut Martin Rust, Mitglied der Geschäftsleitung bei Braunvieh Schweiz, liegt das an der Möglichkeit der künstlichen Besamung: «Einen Stier zu halten, ist aufwendig und birgt ein gewisses Sicherheitsrisiko. Künstliche Besamung ist daher für viele Landwirte einfacher.» Nicht so für Bauer Brand aus Graubünden: «Hier kann ich mir ein Tier aussuchen, das genau meinen Vorstellungen entspricht und die Stiere ausserdem miteinander vergleichen.» Und auch für Markus Egger aus Obwalden ist klar: «Der Stieremärt ist einfach Tradition.»

Transport wird subventioniert

Um auch andere Landwirte wieder zum Besuch der Viehschau zu bewegen, werden neu die Transportkosten teilweise subventioniert. Mit Erfolg: Laut Martin Rust von Braunvieh Schweiz haben sich 15 Prozent mehr Landwirte angemeldet als noch im letzten Jahr.

In der Bevölkerung wächst das Interesse für die bodenständige Ausstellung derweil unbegrenzt. So versammeln sich ganze Schulklassen auf dem Areal und staunen über die kraftstrotzenden Bullen, die hier gehandelt werden. Martin Rust: «Viele Besucher sind ohne Kaufabsichten hier. Der Stieremärt ist ein Publikumsmagnet und vor allem am Abend im Raum Zug ein fester Begriff.» Aber nicht nur Zuger werden vom traditionellen Spektakel angelockt. So reist Familie Betschart seit zwanzig Jahren extra aus dem Wallis an, um die mächtigen Stiere zu bestaunen: «Uns begeistern vor allem die Atmosphäre und die Schönheit der Tiere.» Eine Besucherin aus Graubünden ist ebenfalls beeindruckt: «Ich bewundere die Züchter, die mit solch grossen Kolossen umgehen können.» (Leandra Nef)