Spuk auf der Walchwiler Allmend

Brauchtum & Geschichte

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Täuschung und Betrug werden immer bestraft. Dies musste ein hinterlistiger Zuger erfahren, von dem eine alte Sage berichtet. Die Schwyzer erzählen die Geschichte jedoch ein wenig anders.

  • Das Eigenried auf dem Walchwilerberg. Hier an der Gemeindegrenze zu Zug nahe dem Bannholz soll der Bannhölzer sein Unwesen getrieben haben. (Bild Andreas Faessler)
    Das Eigenried auf dem Walchwilerberg. Hier an der Gemeindegrenze zu Zug nahe dem Bannholz soll der Bannhölzer sein Unwesen getrieben haben. (Bild Andreas Faessler)

Walchwil –

Sagen und Legenden gelten vor allem in der Zentralschweiz als wertvolles Kulturgut, und sie sind ein aufschlussreiches Zeugnis davon, welche Blüten der einst aus einer katholisch-frommen Haltung heraus gewachsene Volksglaube trieb. Dass viele dieser Erzählungen einst so populär waren, dass sie wiederholt abgewandelt und regional neu interpretiert worden sind, zeigt hierzulande insbesondere die Geschichte vom «Bannhölzer», welche sich auf Zuger Boden zugetragen hat.

Die Erzählung handelt von den Stadtzugern und den Walchwilern. So soll eine reiche Luzernerin auf dem Walchwilerberg eine weitläufige Allmend besessen haben. Sie vermachte diese ihrem in Walchwil wohnhaften Patenkind, worauf die Allmend folglich den Walchwilern zur Verfügung stand. Die Allmend jedoch war so gross, dass die wenigen Walchwiler Kühe sie nicht voll nutzen konnten. Von Zuger Höfen kam daher die Anfrage, ob sie ihr Vieh auch auf dem Walchwilerberg weiden dürfen.

Des Zugers List

Die Walchwiler waren einverstanden. Doch mit der Zeit erhoben die Zuger rechtlichen Anspruch auf die Walchwiler Allmend. Das passte den Dörflern ganz und gar nicht. Es entbrannte ein Rechtsstreit, den die Walchwiler wiederholt gewannen. Dann hatte ein hinterlistiger Zuger eine Idee: Es soll eine weitere Gerichtsverhandlung geben – ausgetragen auf der Walchwiler Allmend –, und er wolle als Zeuge auftreten. Vor Beginn der Verhandlung füllte der Zuger hurtig je eine Handvoll Erde von Zuger Boden in seine Stiefel und versteckte einen «Strähl» (Kamm) und eine «Gatze» (Schöpfkelle) unter seinem Hut. Vor dem Richter schwor er den Eid: «So wahr ich den Schöpfer und den Richter ob mir habe, so gewiss stehe ich auf Zuger Grund und Boden.» Das Gericht fällte somit den Entscheid zugunsten der Zuger.

Auf dem Heimweg ereilte den Meineidigen ein Unglück, und er kam zu Tode. Man erzählte sich, der Leibhaftige habe ihm den Hals umgedreht. Seither spukte der Betrüger als Geist auf der Walchwiler Allmend in der Gestalt eines Reiters, der auf seinem Ross, begleitet von einem Hund, über die Allmend prescht. Auch soll er Wanderer mit Blumen gelockt und sie schliesslich über einen Fels gestürzt haben.

Die Einheimischen nannten das «Unghüür» nur den «Bannhölzer», vielleicht, weil er jeweils beim so genannten Bannholz gesichtet worden ist, einem Waldstück am oberen Lauf des Hafenbaches unterhalb Früebüel an der Gemeindegrenze zu Zug. Das Bannholz wird erstmals um 1711 urkundlich erwähnt.

Der Bannhölzer wird gebannt

Schliesslich habe ein Entlebucher namens Krummenacher das Gespenst in einen Fels gebannt. Hier musste es auf ewig verharren und konnte nur heraus, wenn es gerufen wurde. Selbst dann konnte der Geist nur auf der Walchwiler Allmend sein Unwesen treiben, nicht aber darüber hinaus. So sollen Lausbuben öfters den Bannhölzer gerufen haben, wonach sie bei dessen Erscheinen schnell über die Allmendgrenze in Sicherheit geflohen sind.

Die Zuger Version der Sage berichtet von einigen bemerkenswerten Erscheinungen des Bannhölzers – und vom «Gutsch-Chasper» aus Oberägeri, der auf der Allmend beobachtete, wie der Unhold seinen Meineid in geisterhafter Szene wiederholte. Der Chasper soll von Furcht derart ergriffen gewesen sein, dass es ihm den Hut lüpfte.

Die Zuger Version der Sage vom Bannhölzer endet damit, dass die Leute bald genug hatten von dessen Treiben und den Schäden, die er mit seinen Launen immer wieder anrichtete. Man bannte ihn in den Pilatus. Dort soll er so lange bleiben, bis die Walchwiler ihn herbeirufen – bei einem nächsten grossen Rechtsstreit.

Wie die Schwyzer die Sage erzählen

Auch in der bekannten Schwyzer Sagen-Sammlung von Hans Steinegger findet sich diejenige des Bannhölzers, allerdings mit einigen deutlichen Abwandlungen und Unterschieden. So soll die Allmend im 15. Jahrhundert nicht einer Luzernerin, sondern einer reichen Schwyzer Witwe gehört haben, welche das Grundstück den Walchwilern schenkte. Diese erlaubten den Zugern, sommers ein, zwei «Milchflotschli» (Kuh) auf die Walchwiler Allmend zu treiben. Bis zum Meineid des hinterlistigen Zugers setzt sich die Schwyzer Version mehrheitlich identisch, wenn auch ausgeschmückt fort.

Als Gespenst habe der Bannhölzer – so die Schwyzer Variante – das Walchwiler Vieh in Ruhe gelassen, die Zuger Kühe jedoch habe er so verschreckt, dass sie über die Grenze auf Zuger Boden geflohen sind. Die Zuger riefen die Kapuziner zu Hilfe, auf dass sie den Unhold bannen mögen. Aber diesen gelang das nicht hin. So riefen die Zuger den bekannten Geisterbeschwörer Mattmann Kandi aus Luzern herbei. Er bannte das Unghüür in einen Strohhalm, der am einen Ende verknotet war, das andere versiegelte man mit gesegnetem Wachs. Mit dem Geisterpferd und dem Hund wurde gleich verfahren. Danach wurden die drei Strohhalme in einen Fels auf der Zuger Seite des Rossbergs gesteckt.

Zwar kehrte jetzt Ruhe ein auf der Walchwiler Allmend, aber die Zuger Kühe frassen den Walchwiler Kühen wieder das beste Gras vor der Nase weg. Gemäss Schwyzer Version konnte sich der Bannhölzer irgendwann durch das ungesegnete Ende des Halms befreien. Dann holte er auch Ross und Hund aus dem Bann. Seither soll aus dem Fels wüstes Wasser quellen.

Jetzt riefen die Walchwiler erneut den Mattmann Kandi und auch die Kapuziner. Die Jagd auf den Bannhölzer gestaltete sich diesmal schwieriger. Die Schwyzer Erzählung zeichnet ein heiteres Bild, denn nach den Aufzeichnungen des Brunner Sagensammlers Felix Donat Kyd geht diese Version folgendermassen aus: «Mit Ausnahme des Bruders Koch und des Kellners mussten alle mithelfen. Obwohl sie mit auseinandergehaltener Kutte bei der Verfolgung des Bannhölzers eine Kette bildeten, gelang es ihm immer wieder, zwischen den Kuttenmännern hindurch zu schlüpfen, bis ihn endlich Mattmann Kandi erwischte und auf ewige Zeiten ins Enziloch (Änziloch) im Napf verbannte.»

Ob der Bannhölzer nun im Pilatus oder im Änziloch sein Dasein fristet, bleibt offen. Aber die Sage ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie man sie sich je nach Region weitererzählt hat. Mindestens einen wahren Kern hat die Geschichte letztlich: Im 18. Jahrhundert stritten sich die Walchwiler mit den Zugern tatsächlich um die Nutzung der Allmend. 1763 erfolgte gerichtlich eine partielle Teilung, nach einem weiteren Gerichtsprozess knapp 100 Jahre später die vollständige. Dies dürfte der Nährboden für die fantastische Geschichte vom Bannhölzer gewesen sein. (Text von Andreas Faessler)