Zwischen Kunst und Kommerz

Dies & Das

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Im Projekt «Tandem – Kulturraum Zuger Innenstadt» arbeiten lokale Geschäfte und Gastronomiebetriebe mit Kulturschaffenden zusammen, die während eines Monats deren Ladenfläche als Atelier- oder Proberaum benutzen.

  • Der Klangkünstler Beat Unternährer arbeitet bei der Schmuckkünstlerin Anna Andrén. (Bild Stefan Kaiser )
    Der Klangkünstler Beat Unternährer arbeitet bei der Schmuckkünstlerin Anna Andrén. (Bild Stefan Kaiser )

Zug – Mittwochnachmittag. Im Speck-Bistro zum Pfauen sitzt der Medienkünstler Matthias Moos umgeben von Kunstinteressierten, die sich um seinen Laptop scharen und bewegte Bilder in Weiss-Rosa bewundern. Er hat am Vormittag in der Schaubäckerei Speck an der Industriestrasse mit seiner Videokamera gefilmt, wie in eine Buttercrème roter Randensaft tröpfelt und durch ein Rührwerk in Spiralen eingearbeitet wird.

In Zeitlupe wird der alltägliche Arbeitsprozess zum digitalen Kunstwerk, welches der Künstler am Computer zeitlich-räumlich so verändert, dass überraschende Einsichten in Formen, Farben und Bewegungen entstehen. Die Prozesse in der Konditoreiproduktion offenbaren ihr ästhetisches Potenzial. Moos schildert den Prozess und seine visuellen Ideen, die Zuschauenden befragen, begutachten und kommentieren ihn.

Zwei «Bubbles» sollen zusammenfinden

In dieser kleinen Szene ist exemplarisch eingefangen, worum es im Projekt «Tandem – Kulturraum Zuger Innenstadt» geht. Es will Synergien akti­vieren und eine nachhaltige Zusammenarbeit zwischen Ak­teuren zweier «Bubbles» anstossen, die bis­her nur wenig Berührungspunkte aufweisen: Detailhandel und Gastrono­mie stellen zwischen dem 1. Juni und dem 1. Juli 2023 Kulturschaffenden Ausstellungs- oder Aufführungsraum zur Verfügung, und diese spiegeln mit ihren Mitteln, was sie dort vorfinden.

Der Fokus liegt dabei nicht auf dem künstlerischen Endprodukt, sondern auf dem Werdeprozess, an dem das gezielt oder zufällig herbeischlendernde Publikum aktiv teilnimmt. Es geht um Forschen und Experimentieren, um kulturelle Teilhabe und Vernetzung und eine frische Begegnung zwischen Kunst, Kommerz und Bevölkerung. Die Kunstschaffenden profitieren von einem hohen Mass an Sichtbarkeit, finanzieller Unterstützung und medialer Bekanntmachung; die Geschäfte erhoffen sich erhöhte Attraktivität und Besucherfrequenz; und für die Zuger und Zugerinnen entsteht ein neues, niederschwellig zugängliches und partizipatives Freizeitangebot.

In diesem innovativen Pilotprojekt, das die Abteilung Kultur gemeinsam mit der Fachstelle Stadtentwicklung initiierte und koordinierte und das Pro Zug mit seinem Netzwerk seit Beginn mitträgt, wird von Stadt, Kanton und den grossen Zuger Stiftungen unterstützt. Nach einer fast zweijährigen Entwicklungsphase wurden unter 18 eingereichten «Tandems» schliesslich zehn ausgewählt.

Ein Posaunist im Goldschmiedeatelier

Ein paar Meter vom Bistro entfernt, an der Zeughausgasse 13, hat Anna Andrén ihr Goldschmiedeatelier. Aus ihrem Laden strömt ein merkwürdiges Klanggemisch, und hinter dem Schaufenster, in welchem ihre ­filigranen Schöpfungen ruhen, stehen auch ein Synthesizer voll bunter Kabel und ein Mann, der die Passanten temperamentvoll hereinwinkt.

Beat Unternährer, Posaunist und Klangforscher, hört nun während eines Monats auf die Geräusche, die bei der Goldschmiedearbeit entstehen, etwa eine raspelnde Feile, nimmt sie auf und mischt sie mit Naturgeräuschen. Goldschmiedin und Musiker, beide erzählen begeistert von ihrer inspirierenden Zusammenarbeit und kommunizieren stundenlang mit dem Publikum, das spielerisch ins Klanggeschehen eingreifen darf.

Walter Speck, der die Zusammenarbeit mit Matthias Moos angeregt hat und nun kurz Andréns Laden betritt, bringt die Stimmung auf den Punkt: «Das ganze Projekt ist nur schon deshalb interessant, weil man mit Dingen und Menschen in Berührung kommt, denen man sonst nicht begegnet.» Und so gehen die Rendezvous weiter: Von Porzellan-, Schnitz- und Textilkunst, Vasenherstellung, Zeichnen und Malen über choreografische Recherche und interaktive Kunstformen bis zum Entwicklungsprozess für eine Stand-up-Comedy. (Text von Dorotea Bitterli)

Hinweis
Das Projekt «Tandem – Kulturraum Zuger Innenstadt» dauert noch bis zum 1. Juli 2023 und wird dann mit einer Finissage abgeschlossen. Die Präsenzzeiten der 10 Tandems und ihre Beschreibung sind zu finden auf: www.stadtzug.ch/tandem