Der Komponist zwischen Barock und Wiener Walzer

Musik

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Das Zuger Kammerensemble gemeinsam mit dem Solo-Cellisten Thomas Demenga: Ein stimmungsvolles Programm begeisterte die Besucher.

Unterägeri – Das 18. Jahrhundert wird auch heute in der Musikgeschichte oft nur als Übergang verstanden. Im Zwischenfeld vom Barock zur Wiener Klassik gibt es keine absolut weltbekannten Namen wie Johann Sebastian Bach, Beethoven oder Richard Wagner. Umso verdienstvoller war es vom Zuger Kammer­ensemble, mit zwei Konzerten in Baar (Kirche St. Martin) und Unterägeri (Marienkirche) an den 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach zu erinnern. Auch wenn sein Schaffen heute nicht mehr wie zu seinen Lebzeiten – über das seines Vaters gestellt wird, so ist er doch jener Bach-Sohn, dessen Name noch am häufigsten in den Konzertprogrammen auftaucht.

Präzises Zusammenspiel

Auch der jüngere Bach war ähnlich wie die Barockkomponisten – durch seine Anstellungsbedingungen zur kompositorischen Massenproduktion gezwungen, was ihn – wie Johann Sebastian – ebenfalls veranlasste, eigene und auch fremde Werke immer wieder in neue Formen zu überarbeiten. Gerade die Sinfonie in D-Dur liess solche Einwände jedoch sofort vergessen. Schon der erste Satz begann mit einem Orgelpunkt-ähnlichen Einsatz, aber nicht, wie vom Barock her gewohnt, im Bass, sondern mit den Violinen. Auch ohne Dirigent fanden die genau 20 Mitwirkenden – 12 Streicher, 7 Bläser und Cembalo – im teilweise sehr virtuos geschriebenen Notentext ein stilgerechtes und präzises Zusammenspiel. Der nahtlos angehängte zweite Satz stellte dem Unisono der Violinen einen eigenartigen Chor aus vier solistisch geführten tiefen Streichinstrumenten gegenüber, und im abschliessenden Presto wurde das sehr behände Grundmetrum immer wieder durch einstimmige Einwürfe in gemächlicherem Tempo unterbrochen.

Wiedersehen mit Demenga

Das abschliessende Cellokonzert brachte ein Wiedersehen mit dem im Kanton Zug schon mehrfach aufgetretenen Berner Cellisten Thomas Demenga. Er bestätigte ein weiteres Mal sein international bekanntes hohes musikalisches Können. Der Klang des Solisten verschmolz zu Beginn streckenweise mit dem hier ausschliesslich aus Streichern bestehenden Begleitorchester, was aber vom Komponisten offensichtlich gewollt war. Später wurde die Begleitung oft auf ein einziges gewissermassen zweites Solo-Cello (Natalia Chybiak) reduziert.

Klarere Abgrenzung brachte der zweite Satz, wo das ganze Orchester im Gegensatz zum Solisten mit aufgesetztem Dämpfer spielte. Verglichen mit dem Barock führte der Part des Solisten in viel höhere Lagen hinauf und war damit entsprechend anspruchsvoller; verglichen mit der Klassik waren Orchester und Solist noch weniger scharf getrennt, indem sich dieser beispielsweise auch nach der Kadenz noch am Ausklang beteiligte.

Apartes Klanggewebe

Schon vorher hatte man eine stimmungsvolle Wiedergabe des G-Dur Cellokonzerts von Luigi Boccherini gehört. Der selber auch als Cellist aktive Komponist erweiterte die gemütvolle Grundstimmung um alle technischen Finessen, die man mit der Spieltechnik des 18. Jahrhunderts auf dem Solo-Instrument überhaupt leisten konnte. Wiederum ein origineller Einfall für den zweiten Satz: Die Begleitung beschränkte sich auf die beiden Violinstimmen, was ein apartes Klanggewebe mit dem oft in vergleichbarer Lage spielenden Solisten bewirkte. Nahtlos ins Gesamtprogramm fügte sich die Sinfonia in G-Dur von Jiri Anton Benda. Dieser kannte den Bach-Sohn persönlich sehr gut, und die beiden schätzten auch wechselseitig ihre Kompositionen.

Als Eingang erklang die Sinfonia aus der Kantate Nr. 52 von Johann Sebastian Bach. Die lebensfrohe Einleitung mit Elementen aus andern Werken entstand wohl auch aus dem Zwang zur Massenproduktion. Sie kontrastiert eigenartig mit dem Text des nicht gespielten – nachfolgenden Sopran-Rezitativs: «Falsche Welt, dir trau ich nicht». Viel logischer erschien der Bezug zu der als Zugabe interpretierten Choral-Bearbeitung «Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ», wo das Spiel des Hauptsolisten durch ein stimmungsvolles Bratschensolo (Agnes Gyimesi) ergänzt wurde. (Jürg Röthlisberger)