Ein Leben für die Eisenbahn

Brauchtum & Geschichte

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Oberhalb des Einschnittes des Südportals des Stadttunnels – so heisst der Eisenbahntunnel unter der Stadt Zug nämlich – steht ein wunderbares Anwesen. Der Rosenhof wurde 1906 von Oberingenieur Franz Vital Lusser für seine zehnköpfige Familie gebaut und wird in vierter Generation von der Familie bewohnt.

  • Franz Vital Lusser, 1849–1927, Porträt ohne Jahresangabe. (Bild Staatsarchiv Uri, Scan Martin Stuber)
    Franz Vital Lusser, 1849–1927, Porträt ohne Jahresangabe. (Bild Staatsarchiv Uri, Scan Martin Stuber)
  • Rosa Lusser, geb. Cavadini, 1861–1942, Porträt ohne Jahresangabe. (Bild Sonderdruck «Zur Geschichte der Lusser aus Uri»)
    Rosa Lusser, geb. Cavadini, 1861–1942, Porträt ohne Jahresangabe. (Bild Sonderdruck «Zur Geschichte der Lusser aus Uri»)
  • Das Festbankett am 15. Mai 1894 in der grossen Baarer Theaterhalle. Die Eisenbahnwelt war eine reine Männerwelt, der Eisenbahnbau erst recht. Lusser ist auf dem Foto nicht auszumachen. (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)
    Das Festbankett am 15. Mai 1894 in der grossen Baarer Theaterhalle. Die Eisenbahnwelt war eine reine Männerwelt, der Eisenbahnbau erst recht. Lusser ist auf dem Foto nicht auszumachen. (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)
  • Anlässlich des Durchschlages des Albistunnels am 15. Mai1894 versammelte sich vor dem Südportal bei der Litti eine illustre Schar. Lusser drängte sich nicht in den Vordergrund – er befindet sich auf dem Foto kaum erkennbar ganz im Hintergrund, direkt vor dem Portal. Auf der Rückseite des Bildes ist zu lesen: «mit freundlichen Grüssen, Moser». Robert Moser war Oberingenieur der Nordostbahn, der Bauherrin der Linie «Thalweil–Zug», welche Moser wegen Differenzen mit der neuen Führung 1895 verliess. Lusser und Moser arbeiteten in der Folge vor allem bei Gutachten und Expertisen immer wieder zusammen. (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)
    Anlässlich des Durchschlages des Albistunnels am 15. Mai1894 versammelte sich vor dem Südportal bei der Litti eine illustre Schar. Lusser drängte sich nicht in den Vordergrund – er befindet sich auf dem Foto kaum erkennbar ganz im Hintergrund, direkt vor dem Portal. Auf der Rückseite des Bildes ist zu lesen: «mit freundlichen Grüssen, Moser». Robert Moser war Oberingenieur der Nordostbahn, der Bauherrin der Linie «Thalweil–Zug», welche Moser wegen Differenzen mit der neuen Führung 1895 verliess. Lusser und Moser arbeiteten in der Folge vor allem bei Gutachten und Expertisen immer wieder zusammen. (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)
  • Die Einladungskarte zur Feier des Durchstichs. Das Zuger Volksblatt schrieb zum Festbankett: «Am Bankette, an dem ca. 60—70 Ehrengäste teilnahmen, gieng es sehrlebhaft zu. Dasselbe war ausgezeichnet und unter der kundigen Leitung Marie’s wurden auch die Flaschenbatterien fleißig geladen und geleert.» (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)
    Die Einladungskarte zur Feier des Durchstichs. Das Zuger Volksblatt schrieb zum Festbankett: «Am Bankette, an dem ca. 60—70 Ehrengäste teilnahmen, gieng es sehrlebhaft zu. Dasselbe war ausgezeichnet und unter der kundigen Leitung Marie’s wurden auch die Flaschenbatterien fleißig geladen und geleert.» (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)
  • Die Einladungskarte zur Feier des Durchstichs. Das Zuger Volksblatt schrieb zum Festbankett: «Am Bankette, an dem ca. 60—70 Ehrengäste teilnahmen, gieng es sehrlebhaft zu. Dasselbe war ausgezeichnet und unter der kundigen Leitung Marie’s wurden auch die Flaschenbatterien fleißig geladen und geleert.» (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)
    Die Einladungskarte zur Feier des Durchstichs. Das Zuger Volksblatt schrieb zum Festbankett: «Am Bankette, an dem ca. 60—70 Ehrengäste teilnahmen, gieng es sehrlebhaft zu. Dasselbe war ausgezeichnet und unter der kundigen Leitung Marie’s wurden auch die Flaschenbatterien fleißig geladen und geleert.» (Bild Privatarchiv Augustin Lusser, Scan Martin Stuber)

Zug – Kein anderer Zuger hat in der Eisenbahnwelt eine vergleichbare Stellung erlangt wie der Ingenieur Franz Vital Lusser. Viel Archivmaterial im Staatsarchiv Uri und im Staatsarchiv Zug, wo das Privatarchiv Augustin Lusser inzwischen beherbergt wird, wartet auf eine systematische Auswertung für eine spannende Biografie.

Im Leben des 1849 in Altdorf geborenen Lussers spiegelt sich eine ganze Epoche, nämlich die Zeit zwischen den 1860er-Jahren bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. Wir können im Folgenden nur eine kleine Übersicht über sein Leben geben.

Am «grossen Tunnel» mitgebaut

Franz Vital Lusser wurde in eine alteingesessene und einflussreiche Urner Familie geboren, die ursprünglich aus dem Schächental stammte. Die Stellung der Familie ermöglichte ihm, dem Rat seines Onkels zu folgen und an der ETH Ingenieur zu studieren. Der Ratschlag des Onkels erfolgte auf die Aussage des jugendlichen Franz Vital, dass ihn Mathematik am meisten interessiere. Bereits 1871 schloss er mit Bestnoten an der ETH ab und hielt es danach nicht lange im Baudepartement des Kantons Zürich aus.

Der Bau der Gotthardbahn hatte 1872 begonnen und Lusser war vom Anfang bis zum Schluss an der Entstehung des Jahrhundertwerkes beteiligt – aufgrund seiner fachlichen Qualitäten bald in leitenden Positionen. Zur Gotthardbahn gehörten auch die «tessinischen Thalbahnen», unter anderem mit dem Damm bei Melide, wo Lusser Bauführer war. 1876 stellte ihn Louis Favre als Bauführer der Sektion Süd des «grossen Tunnels» an. Auch dank Lussers «technischem Können, zäher Ausdauer und persönlichen Mutes», wie es in seinem Nachruf hiess, gelang die «mission impossible» am Gotthard. Es war Lusser, der vor der Sprengung der letzten Scheidewand eine Fotografie des während des Baus verstorbenen Louis Favre als Gruss an seinen Kollegen auf der Nordseite, Ing. E. de Stockalper, durch das Sondierloch schob. Auf der Rückseite hatte Lusser geschrieben: «Qui est plus digne de passer le Premier que celui qui nous était patron, ami et père. — Viva il Gottardo! 28. II. 1880. Lusser, Ing.»

Der Lebensbericht – 36 Jahre später

In seinem bisher unveröffentlichten Lebensbericht beschrieb Lusser 36 Jahre später anschaulich und glaubwürdig auch die schwierigen und oft unmenschlichen Bedingungen am Gotthard. Viele Anekdoten werfen dabei auch ein Licht auf seinen Charakter und es wird geschildert, wie er Rosa Cavadini – die Schwester eines seiner besten Arbeitskollegen – kennen und lieben lernte. Geheiratet wurde am 18. Januar 1880 in Morbio Inferiore, der erste Sohn Franz kam am 27. Oktober 1880 in Airolo zur Welt.

Die Beschreibung seiner Taufe verrät Lussers trockenen Humor: «Als Eigentümlichkeit erwähne ich, dass Airolo zu den Gemeinden der Leventina gehört, die noch den alten Ritus in den kirchlichen Gebräuchen bewahrt haben, nach denen z. B. bei der Taufe der Kopf des Täuflings in das Wasserbecken getaucht wird, & da zufällig eine leichte Eiskruste darauf lag, der liebe Täufling dieselbe einschlagen musste & so dabei die erste Probe der Hartköpfigkeit ablegte.»

Hinter jedem starken Mann steckt eine starke Frau, und das war Rosa Antonia Cavadini wohl. Ohne ihre Toleranz und Unterstützung wäre Lussers Nomadenleben nicht möglich gewesen. Er war bereits 57 Jahre alt, als er sich mit seiner Familie 1906 endgültig in Zug niederliess. Weiter entnimmt man Lussers Lebensbericht, dass er auch durchaus geschäftstüchtig war. So konnte er 1881 den Ausbau des internationalen Bahnhofes in Chiasso übernehmen, was auch den Vorteil der Nähe zu Morbio hatte. Der Bau der Gotthardbahn war in eine grosse Zahl von Einzelaufträgen aufgeteilt, für die sich auch am Gotthard bereits Beschäftigte bewerben konnten.

Die Auftragnehmer mussten aber eine «Caution» stellen, welche Lusser für den Chiasso-Auftrag von seinen Eltern vorgestreckt bekam. An anderer Stelle schildert er, wie er und ein Kompagnon den Auftrag für ein Los der Ceneristrecke wegen der Intervention der italienischen Regierung an eine italienische Firma verloren hatten.

Jahre in Serbien, Sprache inklusive

Nach der Eröffnung der Gotthardbahn 1882 hatte Lusser vom Oberingenieur Bridel den Bau der Werkstätten in Bellinzona bereits zugesichert, als eine Anfrage der königlich serbischen Eisenbahnbaudirection eintraf. Für ihn überraschend akzeptierten die Serben seine hohen Bedingungen (drei Jahre Anstellung, Jahresgehalt von 12’000 Franken und Gratifikation von 6000 Franken nach Ablauf der drei Jahre). So reiste er schliesslich auf der Donau nach Belgrad und weiter nach Brailina, wo er die Leitung der aufwendigen und problematischen Kunstbauten auf der Strecke Dzep–Nis übernahm. Seine Familie samt seiner Mutter reiste später nach. Lusser gefiel es auf dem Balkan, der Umgang und die Gastfreundschaft der Bevölkerung behagte ihm. Offenbar war Lusser auch ein Sprachtalent – neben Lateinisch, Französisch und Italienisch erlernte er nun noch die serbische Sprache.

Sein Leistungsausweis veranlasste die serbische Regierung, ihn nach den drei Jahren zum Leiter der technischen Abteilung des königlich serbischen Bautenministeriums zu ernennen. Lusser zog samt Familie nach Belgrad. Milan Lusser, der Sohn welcher beruflich als Ingenieur im Bahnbereich in die Fusstapfen seines Vaters treten sollte, wurde 1886 in Belgrad geboren, zwei Jahre später Rosa Maria.

Mit seinem Kompagnon Seyfert zog Lusser 1889 nach Anatolien weiter und baute in Lefkeh eine 32 km lange Sektion, seine Familie reiste nach Altdorf zurück. Auf der Baustelle herrschten schwierige Lebensumstände und Lusser schildert in seinem Lebensbericht, dass die Beschäftigten reihenweise starben und auch Seyfert und Lusser erwischte es: «Climatisches Fieber», wie Lusser die Malaria bezeichnete – was 1891 oft ein Todesurteil war!

Die beiden Associés reisten Anfang Juli 1891 immer noch krank zurück – Lusser zur Familie in der Schweiz. Er schildert später das Wiedersehen nach der Rückkehr aus «Kleinasien»: Ich langte «nach glücklich überstandener Fahrt über den Arlberg anstandslos im Hauptbahnhof Zürich im letzten Wagen an & sah gerade noch, wie meine liebe Frau, die umsonst die ersten 10 Wagen durchsucht hatte & nun eilig zum Ausgang lief, mit lauter Stimme bei ihrem Namen rief & sie zum Stehen brachte & wie sie mich am Fenster des letzten Wagons sah, freudig erregt, nach mehr wie 2 jähriger Trennung in die Arme fiel & des Küssens kein Ende war.»

Lusser war gläubig und führte es immer auf Gottes Fügung zurück, wenn er wieder einmal überlebt oder grosses Glück gehabt hatte. So beschreibt er seine Abreise aus Konstantinopel: «Die Reise von Konstantinopel wurde durch Fügung des Allerhöchsten verhindert, nachdem der Wagen bereits einige Zeit gewartet hatte vor dem Hotel. Ich wurde nämlich nachdem ich etwas vergessen hatte, plötzlich von einer Ohnmacht befallen und dadurch die Abreise mit dem Expresszug verhindert und auf den nächsten Expresszug, der erst in acht Tagen fällig war, verschoben. Darin sah ich eine Fügung Gottes, da der ganze Zug mit dem ich fahren sollte, vollständig ausgeraubt wurde. (...) Die weitern Züge wurden zur Vorsicht von 6 bewaffneten Soldaten bis Belgrad begleitet. Ich hatte mein Geld vorsichtigerweise in den beiden Stiefelschaften versorgt. Es waren 185.000 Frc.»

Der Albistunnel – das Meisterstück

Im November 1891 wurde von der Nordostbahn (NOB) der Bau des Albistunnels ausgeschrieben. Lusser wollte sich dafür bewerben, konnte aber die verlangte Kaution von 200’000 Franken nicht aufbringen. Weil keine brauchbare Offerte vorlag, erfolgte eine zweite Ausschreibung.

In der Zwischenzeit hatte Lusser zusammen mit seinen beiden Associés Seyfert und Polak aus der Zeit in Anatolien und mit einem Kredit der Schweizerischen Kreditanstalt die Kaution beieinander und so erhielt die «Bauunternehmung Franz Lusser & Cie.» im zweiten Anlauf am 12. März 1892 den Zuschlag. Ein Licht auf die gründliche Arbeitsweise des Ingenieurs wirft sein bei Beginn des Baues von Hand selber geschriebenes Inventar des gesamten Baumaterials.

So erfahren wir zum Beispiel, dass zwei «Locomobile» (Feldbahnlokomotiven) zum Einsatz kamen, unter anderem zum Transport der Tuffsteine aus der Höll (bei der Höllgrotte) für die Tunnelausmauerung und dass im dortigen Steinbruch eine Wohnbaracke der Unternehmung stand. Die Familie Lusser bezog ein stattliches Haus an der Leihgasse in Baar und er schreibt in einem nie verschickten Brief: «Ausser dem materiellen Gewinn brachte mir diese Arbeit auch 4 Baarerbuben ein, wovon einer bereits als Dipl. Electroingenieur bei der grossen Fabrik Oerlicon angestellt ist.» Den Gewinn beziffert er im Brief auf 10 Prozent der Bausumme.

Der Bau des Albistunnels – damals mit 3,36 km der zweitlängste Tunnel in der Schweiz! – war Lussers Meisterstück: Vollendung fast ein Jahr vor Termin, im Budgetrahmen, mit wenig Unfällen und ohne Nacharbeiten. Das musste gefeiert werden! Mit einer denkwürdigen «Durchschlags-Feier», welche sorgfältig organisiert war – heute würde man von «filmreif» sprechen – wurde am 15. Mai 1894 das Ereignis aufwendig gewürdigt.

Die NOB hatte Lusser einen Beitrag von 2000 Franken zugesichert und machte darauf aufmerksam, dass der 14. Mai ungeeignet sei, da Feiertag im Kanton Zürich. Am Anlass kam auch die Achtung Lussers für seine Mitarbeiter (1894 waren im Eisenbahnbau nur Männer beschäftigt) zum Ausdruck. Lusser hatte bei einem Genfer Graveur 8 goldene, 100 silberne und 350 bronzene Medaillons anfertigen lassen und händigte jedem, der mindestens seit drei Monaten am Tunnelbau arbeitete, eine Gratifikation und eine Gedenkmünze aus. Die Zuger Nachrichten brachten seitenlange Berichte über drei Ausgaben hinweg und schrieben am 23. Mai: «Der Name jedes Einzelnen wurde aufgerufen; der Mann trat, den Hut höflich abnehmend, an den Tisch und empfing sein Festgeschenk.»

Experte, Gutachter und Tunnelbauer

Seine langjährige Gutachtertätigkeit begann Lusser schon während des Baus des Albistunnels. Im Sommer 1893 wurde er von der kantonsrätlichen Lorzekommission als Gutachter beigezogen für die Sanierung der Lorzenverbauung, die Lusser als dringend erachtete und er eine gründliche Reparatur empfahl.

Einige Monate später berichtet das Zuger Volksblatt über die Regierungsratsverhandlungen vom 18. Dezember 1893. «Betreff des Quantums von Steinen, welche im Winter 1891/92 zur Verbauung des Mennebaches ungemessen in das Bachbett zugeführt worden, waltete zwischen Kanton und den Bauunternehmern (Landis und Keiser) ein Anstand. Das in Sachen einberufene Schiedsgericht (Forstadjunkt Düggeli, Lachen, Kts.-Jng. Müller, Altdorf, Schiedsrichter, Ing. Franz Lusser, Baar, Obmann) setzte das streitige Quantum auf 1500 m3 fest.»

1896 folgte ein Gutachten für den Standort der neuen katholischen Kirche in Zug für die katholische Kirchgemeinde. Lusser kümmerte sich auch um «kleine» Anliegen, wenn er um Rat gefragt wurde.

1899 lieferte Lusser gewissermassen sein Opus magnum als Experte ab – das «Gutachten betreffend Bau und Betrieb einer Rickenbahn» und den dazugehörenden «Technischen Bericht zur Vergleichung der Basistunnel-Projekte». Die Ostschweiz hatte den direkten Anschluss an die Gotthardbahn verpasst und unternahm einen erneuten Anlauf für eine direkte Verbindung St.Gallen–Zug – via Ricken. Das insgesamt 201 Seiten schwere Werk plus Pläne behandelt profund fast alle Aspekte des Eisenbahnbaus und -betriebs und könnte gut als Lehrmittel dienen. Kein Wunder, bauten die SBB zwischen 1904 und 1911 genau das von Lusser als Bestvariante vorgeschlagene Projekt.

Nachdem er die oberste Bauleitung des Albulatunnels innehatte, zog es ihn 1902 nochmals in die Ferne: beim Bau des 6,34 km langen Wocheinertunnels zwischen Feistritz und Podbrdo für die neue österreichische Alpenbahnverbindung Salzburg–Triest konnte er als Oberbauleiter seine Expertise unter Beweis stellen. Er war in seinem Herzen ein Tunnelbauer.

Schlaganfall auf dem Zenith

Die Krönung von Lussers Karriere erfolgte schliesslich am 4. März 1910, als ihn der Bundesrat zum Vizedirektor der Kreisdirektion V. der SBB ernannte. Am 10. Dezember 1910 musste die Schweizerische Bauzeitung dann folgenden traurigen Text abdrucken: «Wie wir in unserer Notiz ‹Zur Besetzung der Kreisdirektion V der S. B. B.› in der letzten Nummer melden mussten, hat sich unser geehrter Kollege Ingenieur Franz Lusser leider genötigt gesehen, (...) von der Stelle als Mitglied und Vizepräsident der Kreisdirektion endgültig zurückzutreten. Bald nach seiner Ernennung, am 14. April d. erlitt er einen Schlaganfall mit Lähmung auf der rechten Seite. Durch fortgesetzte Pflege konnten dessen allmählich Folgen gehoben werden, sodass Lusser zu der Hoffnung berechtigt schien, es werde ihm möglich werden, seine Arbeit bald wieder voll aufzunehmen. Da jedoch die der Lähmung der rechten Hand langsamer wich, als ihm von den Aerzten in Aussicht gestellt worden war, was ihn in der vollen Ausübung seiner Berufsaufgaben hinderte, hielt er es nunmehr für seine Pflicht, doch auf seine Stelle zu verzichten, um sie einer vollwertigen Arbeitskraft einzuräumen.»

Lusser sollte sich nie mehr richtig erholen, trotz des Supports durch seinen Freund und Ostschweizer Mr. Eisenbahn, Isidor Grauer-Frey, der ihm in seiner Naturheilanstalt Sennrüti in Degersheim zur in der damaligen Zeit bestmöglichen Rekonvaleszenz verhalf. Mit der Zeit war Lusser an den Rollstuhl gefesselt. 1916 diktierte er seiner Tochter und späteren Schriftstellerin Rosa Maria Lusser seinen «Lebensbericht», der später auf 100 eng beschriebenen Schreibmaschinenseiten transkribiert wurde und aus dem wir zitiert haben.

Am 19. September 1927 starb Lusser an den Folgen einer Operation, seine zwölf Jahre jüngere Frau Rosa folgte ihm 1942. Nach dem Studium seines Lebenswerkes und seines Lebensberichtes und Gesprächen mit seinem Enkel Franz Lusser scheint dem Schreibenden, dass es der ausführliche und als Sonderdruck erschienene Nachruf von Lussers engem Freund und Ingenieurkollegen M. Roos auf den Punkt gebracht hat: «Als Mensch bescheiden und einfach, war Lusser innerlich überreich an Herzensgüte und Nächstenliebe. Der Politik hielt er sich fern. Im Kreise seiner zahlreichen Familie und Freunde suchte und fand er Ruhe und Erholung von seiner verantwortungsvollen und aufreibenden Berufstätigkeit. Im beruflichen Leben war er ein Mann der zielbewussten Tat, frei von kleinlicher Gesinnung und Engherzigkeit. Ein christlicher Glaube, persönlicher Mut und restlose Pflichterfüllung waren der Urquell seines Erfolges.» (Text von Martin Stuber)

Hinweis Martin Stuber forscht zur Geschichte der Eisenbahn mit den Schwerpunkten Eisenbahnkrise 1875–1879, Gotthardbahn und Eisenbahn im Kanton Zug. www.eisenbahngeschichte.ch