Die «Glockenvase» der Medici

Brauchtum & Geschichte

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Der Typus der sogenannten Medici-Vase hat seinen Ursprung in der Antike. Am Zuger Postplatz stehen zwei schöne.

  • Eine der beiden Medici-Vasen am Treppenaufgang zum Regierungsgebäude. (Bild Stefan Kaiser)
    Eine der beiden Medici-Vasen am Treppenaufgang zum Regierungsgebäude. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Es gibt sie in jedem Gartenfachgeschäft zu kaufen, in Deko­läden, im Baumarkt; von fingergross bis mannshoch, aus allen möglichen Materialien angefertigt – meist maschinell, oft als Massenprodukt. Dabei liegt jenen charakteristischen, dickwandigen Kratervasen in umgekehrter Glockenform und rundem Sockel ein ganz besonderes Vorbild aus dem ersten Jahrhundert vor Christus zugrunde.

Damals nämlich entstand das Urmodell dieses Vasentypus in Athen. Es war aus Marmor und knapp eineinhalb Meter hoch. Sein Zweck soll das Mischen von Wein mit Wasser gewesen sein. Die Vasenwand war aufwendig relifiert mit mythologischen Szenen des antiken Griechenland sowie mit reichster floraler Zierde, auf zwei Seiten waren bogenförmige Henkel vorhanden. Der kannelierte Rundsockel stand auf einer quadratischen Plinthe.

Jahrhunderte später tauchte dieser monumentale antike Vasentypus nachweislich erstmals in Rom auf, in einem 1598 abgefassten Inventar der Villa Medici. Diese Art Kratervase wurde schnell überaus populär, zumal die europäische Renaissance in voller Entwicklung stand und man sich in Sachen Kunst vor allem auf die Antike zurückbesann, wo das nun als Medici-Vase bezeichnete Zierobjekt seinen Ursprung hat. Massgeblich zur grossen Beliebtheit dieser Gefässe bei­getragen hat nicht zuletzt die Tatsache, dass die Medici zu jener Zeit eine der wohlhabendsten und einflussreichsten Dynastien Europas waren.

Kaum ein Garten römischer Adliger und reicher Familien war ohne mindestens eine grosse Medici-Vase. Sie wurde gerne als Ergänzung in den Reigen der Marmorstatuen eingefügt in ganz unterschiedlichen Variationen, stets in der charakteristischen Form einer umgekehrten Glocke.

Omnipräsentes Zierobjekt

Auch während des Barock büsste die Medici-Vase kaum an Beliebtheit ein, gewann aber mit dem Einzug der Neorenaissance respektive des Historismus ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder zusätzliche Popularität. Man findet sie überall in und um repräsentative Bauwerke jener Zeit: im Garten, als Balustradenzier, an Fassaden, auf Dächern, in Treppenhäusern, als Teil des Wohninterieurs ... Meist aus Stein oder Gusseisen gefertigt. Ein schönes Beispiel solcher Medici-Vasen als repräsentative Zier und als Stilelement der Neorenaissance treffen wir vor dem Eingang zum 1871 fertiggestellten Zuger Regierungsgebäude am unteren Postplatz. Den Treppenaufgang flankiert am Mauerende je eine gusseiserne, silbergrau über­zogene Medici-Vase. Sie bilden mit den beiden näher zur Tür aufgestellten Laternenkandelabern eine Einheit. Die Glockenform der Vasen mit stark aus­kragendem Rand ist eindeutig erkennbar. Die Vasenwand ist im Gegensatz zum Urmodell schmucklos. Die Henkel haben die Form von je einem schön ausgeformten Widderkopf, eine fast vollplastische Girlande verbindet die Tierköpfe auf beiden Seiten. Während der warmen Jahreszeiten sind die beiden Medici-Vasen beim Zuger Regierungsgebäude bepflanzt. (Text von Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.