Das Lampenfieber verleiht ihr den nötigen Adrenalinschub

Musik

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Als junge Künstlerin ein Publikum nur mit der Stimme zu fesseln, braucht Mut, Talent und Können. Die Zuger Mezzosopranistin Anna Nero weiss ihre Attribute gekonnt einzusetzen.

  • Die gebürtige Zugerin Anna Nero entspannt am besten an der Reuss in Luzern. (Bild Haymo Empl)
    Die gebürtige Zugerin Anna Nero entspannt am besten an der Reuss in Luzern. (Bild Haymo Empl)

Zug – Mit 23 verfügt die Mezzosopranistin Anna Nero bereits über ein beachtliches Repertoire: von den Schlagern der klassischen Musik wie Mozart, Gluck, Händel oder Vivaldi bis zu Kunstliedern von Schumanns «Nussbaum» oder absolut zeitgenössisch: Leonard Bernsteins Duett «We Are Women», welches er kurz vor seinem Tod 1990 geschrieben hat.

Und wie kommt eine junge Frau auf klassische Musik, auf die Oper? «Ich habe mich bereits schon als kleines Kind für Musik interessiert», erklärt die in Zug geborene Mezzosopranistin beim Interview in Luzern. «Erst waren es diverse Perkussionsinstrumente, später interessierte und fokussierte ich mich auf den Gesang.» Dennoch, viele interessieren sich für Musik, nur für wenige wird es zur Leidenschaft. Insbesondere dann, wenn man wie Anna Nero – nicht aus einem klassikaffinen Haushalt stammt. «Mein Vater besitzt eine umfangreiche CD-Sammlung. So lernte ich früh unterschiedliche Stile kennen. Doch die klassische Sammlung meines Vaters ist nicht sehr gross», bestätigt die Sängerin. Letztendlich war es sie selbst, die spürte, dass sie mit ihrer Stimme mehr anstellen kann – sofern man die richtige Technik beherrscht. «Singen kann man lernen, es steckt viel Technik und Theorie dahinter, und genau das wollte ich beherrschen», erklärt Anna Nero. Erste gesangliche Impulse erhielt die Sängerin an der Musikschule Zug von Cornelia Stäb, welche sie erfolgreich auf die Aufnahmeprüfung an der Hochschule Luzern Musik vorbereitete, wo sie seither bei Professor Peter Brechbühler studiert. Entsprechend lebt die gebürtige Zugerin nun in Luzern, wo sie demnächst in der Kammeroper «Sieben Briefe zur Begegnung» von Vsevolod Pozdejev zu sehen sein wird (siehe Hinweis).

Vor Lampenfieber nicht gefeit

Wer auf der Bühne seine Stimme präsentiert so wie Anna Nero das tut – geht bisweilen eine intime Beziehung mit dem Publikum ein. Die Stimme an sich ist etwas sehr persönliches, und diese Persönlichkeit dann auch entsprechend zu präsentieren, kann viel Mut erfordern. «Man hat nichts ‹vor dem Bauch›», attestiert Anna Nero. Damit man letztendlich dann auch ganz auf das Publikum eingehen kann, braucht es entsprechende Vorbereitung. «Psychisch beginne ich bereits möglich früh, mich auf die jeweilige Situation einzustellen – wenn man gut vorbereitet ist, hat man die Möglichkeit, quasi einen weiteren ‹Kanal› zu öffnen. Mit diesem nehme ich mein Umfeld und Schwingungen im Publikum wahr und kann unter Umständen auch entsprechend darauf eingehen.» Natürlich ist auch Anna Nero vor Lampenfieber nicht gefeit, ganz im Gegenteil: «Ich esse immer viel vor Auftritten, für das bin ich bei meinen Mitstudenten bekannt. Dann lasse ich das Lampenfieber zu und freue mich, dass es mir den nötigen Adrenalinschub verleiht.»

Anna Nero heisst eigentlich Anna-Chiara Muff. Diesen Sommer hat die Mezzosopranistin beschlossen, sich fortan «Nero» zu nennen. Versucht sie, sich hinter dem Künstlernamen zu verstecken? Als Gegenreaktion auf die ehrliche, echte und intime Musik? Als Bühnenperson ist man vor allem im kleineren Rahmen letztendlich auch verletzlich und angreifbar. «Mein Stimm-Timbre ist dunkel gefärbt, und ich mag den Klang von ‹Nero›», erklärt sie pragmatisch. «Zudem ist ‹Schwarz› der ledige Name meiner Grossmutter, und ich finde die Kombination der Buchstabenfolge optisch gelungen.» Zwei Mal vier Buchstaben – bedeuten diese vielleicht bald den ganz grossen Durchbruch? «Es wäre schon mein Ziel, von der Musik leben zu können. Damit dies aber gelingt, brauche ich entsprechende Engagements», so die Mezzosopranistin. Damit es aber überhaupt zu Engagements kommt, ist ein entsprechendes Netzwerk – nebst viel Talent, Ausdauer, Technik und Glück – enorm wichtig.

Sie weiss, was sie will...

Dieses Netzwerk soll nun auch in Zürich ausgebaut werden, denn die Sängerin möchte demnächst von Luzern nach Zürich zügeln. «Es ist nun aber nicht so, dass ich mich privat nur im klassik- oder opernaffinen Umfeld bewege, im Gegenteil: Mein enger Freundeskreis lebt und arbeitet in einem anderen Umfeld, und das erdet mich wohl auch.» Oft ist es ja tatsächlich so, dass gerade in der klassischen Musik, in der Oper im Speziellen, ein bemerkenswerter Diven-Kult herrscht. Das sei mittlerweile eher die Ausnahme denn die Regel, obwohl eine Prise Drama wohl auch bei Anna Nero zu finden ist, denn: «Meine Generation hat einen neuen Zugang zur Musik, wir sind anders aufgewachsen und wollen und können uns nicht mehr in einem Elfenbeinturm der Klassik verstecken.» In der Tat fällt auf, dass Anna Nero weiss, was sie will, diesen Weg aber unverkrampft und fröhlich zu gehen scheint. Letztendlich ist es aber immer noch die Stimme, die den Weg leiten wird, und an dieser wird sie so Anna Nero – ein Leben lang arbeiten. (Haymo Empl)

Hinweis
Anna Nero in der Kammeroper von Vsevolod Pozdejev: «Sieben Briefe zur Begegnung». 24. August, 19 Uhr im Luzerner Theater. www.annanero.ch