Ab in die verrückte Welt der Märchen

Theater & Tanz

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Die Chamer Musicalschule VoiceSteps geht in ihr 19. Jahr und steht vor der Premiere eines Musicals der Superlative: Über dreissig Darstellende proben seit Montag auf der Bühne des Theaters Casino den Märchenwirbel «Into the Woods».

  • Der Bühnennachwuchs der Chamer Musicalschule VoiceSteps bei den letzten Proben für «Into the Woods». Hier mit der Hünenbergerin Lou Vogel als Hexe und Lucca Kleimann als Bäcker – beide spielen eine Hauptrolle. (Bild Matthias Jurt)
    Der Bühnennachwuchs der Chamer Musicalschule VoiceSteps bei den letzten Proben für «Into the Woods». Hier mit der Hünenbergerin Lou Vogel als Hexe und Lucca Kleimann als Bäcker – beide spielen eine Hauptrolle. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Die Bühne ist riesig. Im Moment scheint sie noch im Chaos zu versinken: Bühnenarbeiter des Theaters Casino schieben gigantische braune, von der Decke baumelnde Karton-Baumstämme herum, Ton- und Lichtdesigner der Musicalschule VoiceSteps bauen ihre Geräte auf, Regisseur Chris Schenk, Regieassistent Matthew Wildhaber und Choreografin Daniela Moser eilen hin und her, geben Anweisungen.

Die jungen Darstellerinnen und Darsteller der VoiceSteps-Company treffen ein, bepackt mit Säcken und Taschen, begrüssen sich und suchen nach ihren Garderoben und Kostümen. Irgendwie scheint doch alles an vorgedachten Fäden zu funktionieren, denn die Stimmung ist ruhig, heiter, konzentriert. Schul- und Projektleiter Guido Simmen hat alles im Griff – er macht das viermal im Jahr.

Am Samstag soll das berühmte Märchen-Potpourri «Into the Woods» bereit sein fürs Publikum. Es ist eines der bekanntesten Meisterwerke des kürzlich verstorbenen Musicalkomponisten Stephen Sondheim, das seit den 1980-er Jahren am Broadway und im Londoner Westend frenetisch gefeiert, aber erst mit seiner Verfilmung 2014 durch Disney zum weltweiten Hit wurde – mit Meryl Streep und Johnny Depp in den Hauptrollen. Die VoiceSteps-Inszenierung zeigt mit «Into the Woods – Ab in den Wald» die erste deutschsprachige Version in der Schweiz.

Märchenklassiker ausser Rand und Band

Der Wald ist die Location, in der sich verschiedene Märchenfiguren verirren: Aschenputtel flieht vor seinem Prinzen, Rotkäppchen vor dem Wolf, Hans klettert auf die Bohnenranke und das kinderlose Bäckerpaar will den Fluch der bösen Hexe besiegen. Zuerst scheint es gut auszugehen: «Und wenn sie nicht gestorben sind ...». Aber im zweiten Akt ändert sich alles, ein Haus fällt in Trümmer, Rapunzel wird zertrampelt, ein riesiger Fussabdruck beunruhigt alle, und die Gefühle werden dunkel – Rache, Schuld, Katastrophenangst. Vor der Bedrohung müssen die Figuren einander beistehen und Verantwortung übernehmen. Spiegel unserer eigenen Zeit?

«Ja, das scheint zunächst eine düstere Sache zu sein», beschreibt es Simmen hinter der Bühne mitten im Tohuwabohu zwischen Kulissen, Möbeln und Requisiten. «Wir haben aber die Komik daran im Fokus, das Allzumenschliche, das Groteske und Schräge, das Satirische.» Er hat sich offensichtlich Monate mit dem Stoff befasst, Gedanken, Fantasien und Interpretationen purzeln innert Minuten wortreich aus ihm heraus, und es entsteht der Eindruck: Dieses Musical ist ein Traum und ein Alptraum – fesselnd, schillernd, berührend.

Mit dabei: Profi-Nachwuchs aus Cham und Hünenberg

Zwei Hauptrollen in «Into the Woods» (der Bäcker und die Hexe) wurden von jungen Menschen übernommen, die gerade auf dem Weg zu Musical-Profis sind. Lucca Kleimann, 28, hat es schon geschafft, hat 2020 in Wien seine Ausbildung zum Musicaldarsteller abgeschlossen und steht auf Bühnen wie den Mammern Classics, der Maag-Halle Zürich oder dem Admiralspalast Berlin.

Der junge Chamer Bariton ist aber in bemerkenswerter Weise auf dem Boden geblieben: Während er noch in Ruhe «gesunde Vitamine» aus dem Becher löffelt, berichtet er von seinen Anfängen bei VoiceSteps, «zuerst im Büro», von seinem Interesse, auch an der Arbeit des Produktionsteams, seiner Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die den Auftritt backstage ermöglichen.

Die 17-jährige Lou Vogel sitzt daneben und nickt heftig, als er das sagt. VoiceSteps-Schülerinnen und -schüler sind von Anfang an in alle Aspekte der Bühnenarbeit miteinbezogen. Die junge Hünenbergerin hat 2022 ihr Auslandaustauschjahr in Florida an einer amerikanischen Musical-Highschool verbracht und ist auf dem Sprung ins Profileben. Denn die vielseitig begabte Sopransängerin und Tänzerin hat sich erfolgreich für ein Bachelorstudium an einer Londoner Musicaluniversität beworben und wird im Sommer 2023 dort ihre dreijährige Ausbildung beginnen.

Nach dem Interview mischen sich die beiden wieder unter die anderen jungen Mimen und Miminnen, stehen für Headset-Mikrofontests in der Schlange, schleppen Podeste, rücken Accessoires. Die Stückprobe kommt später am Abend. (Text von Dorotea Bitterli)

Hinweis

«Into the Woods» ist im Theater Casino Zug sechsmal zu sehen: am 25.2./2.3./3.3./4.3. jeweils um 20 Uhr, am 26.2./4.3. auch um 17 Uhr. Infos und Vorverkauf: www.VoiceSteps.ch