Zwei Lösungen mit einer Halle

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Zug will zwei Kulturprobleme mit einer Halle lösen. Die Stadt verspricht in ihrer Kulturstrategie, mehr Raum für Kultur zu schaffen. Nun macht sie ernst und hat grosse Pläne. Dabei gibt es auch Befürchtungen, denen sie begegnen muss.

  • Hier gibts möglicherweise Raum für Kultur: So sieht die Halle momentan aus. (Bild: zvg)
    Hier gibts möglicherweise Raum für Kultur: So sieht die Halle momentan aus. (Bild: zvg)

Zug – Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Mehr Kulturräume für Zug! So lautet eines der Ziele, welches die umfangreiche Kulturstrategie der Stadt Zug vor kurzem erarbeitet hat. Dieses Ziel ist insofern essenziell, da Kulturschaffende Räume zu marktüblichen Preisen – gerade in Zug – meist nicht zahlen können.

Neben zwei Werkräumen, welche neuerdings im Kloster Maria Opferung für Kulturschaffende zur Verfügung stehen, tut sich nun auch im ­Gebiet Göbli etwas. Hier soll auf insgesamt 1500  Quadratmetern eine kulturelle Zwischennutzung umgesetzt werden.

Konkret geht es um eine ungenutzte Shedhalle im Tech Cluster Zug, auf dem ehemaligen Industrieareal der V-ZUG AG. Eigentümerin der Halle ist die Urban Assets Zug AG, eine Tochterfirma der Metall Zug AG.

Gemeinsam mit Stadt und Kanton Zug sucht sie aktuell eine Trägerschaft, welche in den kommenden fünf bis zehn Jahren den Betrieb von «Kunst im Tech Cluster Zug» übernehmen soll.

1500 Quadratmeter für Kunst! Das klingt nach paradiesischen Zuständen für Kulturschaffende. Wer das Projekt jedoch genauer anschaut, der merkt: So simpel ist das nicht. Die Hürden für die Trägerschaft sind ziemlich hoch. BewerberInnen müssen nichtrenditeorientiert, jedoch «ökonomisch robust aufgestellt» sein. Sie müssen ausserdem Erfahrung haben in der Zusammenarbeit mit Kunstinstitutionen.

 

Raum für Atelier 63 und Kunstdepot

Ausserdem sind bereits jetzt zwei der Nutzungen definiert. Zum einen wird das Atelier 63 hier Einzug halten. Es handelt sich um einen Zusammenschluss interdisziplinärer Künstler aus dem Kanton Zug. Derzeit ist der Verein in der Shedhalle an der Hofstrasse 15 beheimatet. Weil das Areal jedoch bald saniert und teils neu bebaut wird, benötigen die rund zehn Kunstschaffenden eine neue Bleibe.

Auch die Zuger Kunstgesellschaft, ergo das Kunsthaus Zug, braucht dringend Platz für ein Kunstdepot. Ziel ist es, dass das Kunsthaus dieses der Öffentlichkeit zumindest teilweise zugänglich macht. «Daraus kann auch ein Vermittlungsformat entstehen», sagt Iris Weder, die Leiterin der Abteilung Kultur der Stadt Zug. «Insbesondere erscheint uns die Synergie von Atelier 63 und Kunstdepot spannend. Das ist gewissermassen auch ein Experiment, bei dem Zwischenräume entstehen, die man gestalten kann.»

Übrig bleiben neben Kunstdepot und Atelier voraussichtlich 200 bis 400 Quadratmeter, die freier bespielbar sind, respektive eine dritte Nutzung ermöglichen. Die Gestaltung dieser Nutzungseinheit wird durch die neue Trägerschaft definiert und umgesetzt.

Als Projektziel ist in der Ausschreibung die «Schaffung eines niederschwelligen, allgemein zugänglichen Begegnungsortes im Kontext von Kunst und unter Einbezug des Quartiers» festgelegt.

 

Die Miete übernehmen Stadt und Kanton

Die Mietpreise in der Stadt Zug sind alles andere als günstig. Eine Trägerschaft zu finden, welche den marktüblichen Mietzins bezahlen kann, ist quasi unmöglich. Deshalb kommen hier der Kanton und die Stadt Zug ins Spiel, welche die Mietkosten übernehmen wollen.

«Die Mietkosten, welche wir mit der öffentlichen Hand ausgehandelt haben, entsprechen der Hälfte des marktüblichen Preises, den mitunter die Vormieter bezahlt haben», erklärt Beat Weiss, CEO des Tech Cluster Zug. Er sagt: «Die Räumlichkeiten sind bautechnisch in einem sehr guten Zustand, sodass sie problemlos noch einige Jahre gebraucht werden können.»

Die Nettomiete für den bestehenden Edelrohbau bietet Urban Asset Zug nun zu 85 Franken pro Quadratmeter, dazu kommen Nebenkosten in der Höhe von 25 Franken. Macht insgesamt 110 Franken pro Quadratmeter. «Dies entspricht einer Bruttomiete von 165000 Franken per Jahr», erklärt Iris Weder. Ein Mieterausbau wird von der Firma vorfinanziert. Der Betrag von 250000 Franken soll der Mieterschaft mit je 50000 Franken pro Jahr über fünf Jahre verrechnet werden.

Die jährlich anfallenden 215000 Franken will die öffentliche Hand wie folgt aufteilen: Der Kanton zahlt maximal 135000, die Stadt Zug 80000 Franken. Dies unter der Voraussetzung, dass der Grosse Gemeinderat den Beitrag der Stadt diesen Frühling durchwinkt. Sagt der GGR Nein, fällt das gesamte Projekt ins Wasser. «Einen Plan B gibt es bis jetzt nicht. Wir sind positiv gestimmt, dass das städtische Parlament der Vorlage zustimmt», so Beat Weiss.

 

Dringender Raumbedarf

Aldo Caviezel, Leiter des Amtes für Kultur, erzählt: «Für den Kanton ist das Projekt insofern interessant, da es gleich zwei dringende Raum-probleme löst. Zum einen platzt die Zuger Kunstgesellschaft derzeit aus allen Nähten. Sie braucht unbedingt ein Depot für jene Werke, welche nicht unbedingt ein Museumsklima benötigen.» Angedacht sei ein periodisch wechselndes Schaudepot für plastische Kunstwerke. Gleichzeitig soll dieses als Vermittlungsort genutzt werden. «Zum anderen bin ich bereits seit Jahren auf der Suche nach einer Nachfolge­lösung für das Atelier 63. Aus diesem Grund sind wir mit dem Tech Cluster ins Gespräch gekommen.» Insbesondere das Atelier 63 liegt Caviezel am Herzen: «Grundsätzlich ist mir wichtig, dass dieses in Zug bleibt. Und bekanntlich ist es im Kanton Zug sehr schwierig, zahlbare Ateliers zu finden.»

Auch Iris Weder sieht im Künstlerkollektiv einen grossen Mehrwert für die Kulturszene. Sie spricht von einem «wunderbaren Universum und einer höchst kreativen Plattform, auf der tolle Dinge entstehen».

Das Kunsthaus Zug ist eine etablierte Institution mit signifikanter Strahlkraft, welche von verschiedensten Seiten finanzielle Unterstützung geniesst. Wäre es nicht mutiger, den Raum stattdessen zu einem grossen Biotop für einzelne Kulturschaffende verschiedenster Sparten zu machen? Dazu sagt Caviezel: «Genau dies bietet das Atelier 63, es ist ein Biotop für Kunstschaffende. Das Nebeneinander von Kunstproduktion und Kunstvermittlung sehen wir zudem als Chance für anregende Interaktionen.»

Die Kunstschaffenden des Atelier 63 sind über die Aussicht auf eine Anschlusslösung erleichtert. «Wir hatten in den letzten Jahren viele Diskussionen darüber, wo wir nach dem Beginn der Bauarbeiten an der Hofstrasse unterkommen könnten», sagt Matthias Moos, eines der Ateliermitglieder. Nun sei der Verein sehr erleichtert über das Angebot. Dass dieses zeitlich begrenzt ist, beunruhigt ihn nicht. «Natürlich wären wir an einer langfristigen Lösung interessiert. Bis dahin sind wir aber sehr dankbar für Zwischennutzungen.»

 

Welcher Raum wofür?

Andere Kulturschaffende sind weniger begeistert von den Plänen für den Kunstraum im Tech Cluster. «Es gibt in verschiedenen Sparten ein grosses Bedürfnis nach kulturellen Produktionsorten», ist sich Rafael Casaulta von der Kreativagentur Gäggeligääl sicher. «Doch bräuchte es einen aktivierten Raum, wo Kulturschaffende sich gegenseitig vernetzen können, Visibilität erfahren und gemeinsame Wertschöpfung passiert.» Dazu gehöre auch Platz, wo öffentliche Veranstaltungen angeboten werden könnten.

Nicht zuletzt deshalb, um Geld zu erwirtschaften, das für den Betrieb des gesamten Kulturraums benötigt wird. Etwa für dessen Bespielung und Gestaltung, für die Veranstaltungskommunikation oder eine Website. «Nun ist jedoch der Grossteil der nutzbaren Fläche schon fürs Kunstdepot und das Atelier 63 reserviert. Gerade beim Depot handelt es sich um unproduktive Fläche. Ich frage mich, wie der Betrieb über die ausgeschriebenen maximal 400 Quadratmetern überhaupt finanziert werden soll.»

Dazu äussert sich Iris Weder wie folgt: «Wir können uns gut vorstellen, dass in diesem Raum beispielsweise Ausstellungen stattfinden, wie sie in der Shedhalle an der Hofstrasse schon ­umgesetzt wurden.»

Diese seien denn auch mit kleineren Beiträgen der öffentlichen Hand unterstützt worden. «Es ist klar, dass solche Anlässe nicht selbsttragend sind, da die Veranstalter ja keine oder nur kleine Eintrittsgebühren verlangen können.» Aber, so stellt Weder klar, «müssen es qualitativ gute Veranstaltungen sein.» Zur Idee, der Kulturraum im Tech Cluster einer grösseren Anzahl Kreativschaffender zur Verfügung zu stellen, gibt Aldo Caviezel zu bedenken: «Es ist klar definiert, welche Bereiche die Kulturförderung der öffentlichen Hand unterstützen darf und welche nicht. Die sogenannte Kreativwirtschaft, die sich mit der Schaffung, Produktion und medialen Verbreitung von kulturellen respektive kreativen Gütern oder Dienstleistungen beschäftigt, fällt nicht unter die Kulturförderung.» Unter die Kreativwirtschaft fallen 13 Teilmärkte wie etwa Architektur, Werbung, Tonstudios oder Grafikbüros. Und weiter: «Die Kulturförderung der Schweiz basiert auf der Subsidiarität und greift nur dann, wenn es ohne sie nicht geht.»

Bis zum Redaktionsschluss war noch nicht bekannt, welche Organisationen respektive wie viele Bewerber:innen sich eine Trägerschaft für Kunst im Tech Cluster Zug vorstellen könnten.

 

Fehlen die Mittel dann anderswo?

Rafael Casaulta befürchtet weiter, dass dadurch, dass die Stadt in den kommenden vier Jahren je 80000 Franken in den Tech Cluster Kulturraum investiert, kein Geld mehr für weitere Projekte bleibe. «Alles budgetierte Geld aus dem neuen städtischen Konto zur vergünstigten Bereitstellung von Kulturräumen wird damit auf eine Karte gesetzt», sagt der Illustrator und Musiker.

Die städtische Kulturverantwortliche Iris Weder beschwichtigt: «Es ist nicht so, dass die Stadt über ein Konto von 80000 Franken verfügt und wir das ganze Geld in das Projekt im Tech Cluster stecken.» Die Stadt könne nur mit konkreten Projekten an die Politik gelangen. «Das heisst, die 80000 Franken gehen direkt auf dieses spezifische Projekt. Das heisst jedoch nicht, dass die Stadt kein anderes Projekt unterstützen kann, so sie dieses unterstützungswürdig findet.» Und weiter: «In diesem spezifischen Fall war es so, dass wir sowohl beim Atelier 63 als auch beim Kunsthaus nachgewiesene Mängel hatten, welche wir mit dem Tech-Cluster-Projekt lösen können.»

(Text: Valeria Wieser)