Er malt Graffiti an Firmengebäude
Kunst & Baukultur
Der Künstler Ralph «Seone» Hospenthal mit Zuger Wurzeln besprayt Hausfassaden und verdient damit sein Geld.
Zug – In der Schule hatte der freischaffende Künstler und Auftragsmaler Ralph Hospenthal mit Legasthenie zu kämpfen, heute jongliert er die Buchstaben und Wörter in seinen Graffiti herum, bis sie so kunstvoll verschnörkelt sind, dass nur noch ein geübtes Auge sie lesen kann. Aber auch anspruchsvollere, fotorealistische Bilder sprayt und malt der 36-Jährige auf Fassaden, Wände oder Holzplatten. Dabei können die Kunstwerke schon mal bis zu mehreren Dutzend Metern lang werden.
Ein prominentes Beispiel seiner Kunst ist auf der Hausfassade der Werner Odermatt Tiefbau und Recycling AG in Goldau zu sehen. «Der dänische Künstler Christian Storm und ich haben auf 110 Quadratmetern eine Bienen-Ragwurz, eine einheimische Orchideenart, die im Frühsommer am Rossberg blüht, und daneben eine Biene, die die Pflanze anstrebt, gesprayt», sagt Hospenthal.
Hospenthal hat schon auf der ganzen Welt gesprayt
Die beiden Künstler haben circa 80 Arbeitsstunden in das fotorealistische Spraybild investiert. Eine glänzende Lackschicht schütz es vor UV-Strahlung und lässt es zusätzlich in der Sonne schimmern. Solche Bilder würde Hospenthal, der unter dem Künstlernamen Seone arbeitet, am liebsten rund um den Zugersee realisieren. Mit der Region fühlt er sich verbunden, da er seine Lehre in Zug absolvierte und seine Mutter in der Nähe des Klosters Frauenthal in Hagendorn aufgewachsen ist. Es sei eine Herausforderung, Firmen und Privatpersonen auf diese neue Kunstform aufmerksam zu machen, da in vielen Köpfen noch Vorurteile existieren. «Oft verbinden Leute das Thema Spraybilder mit dem Bild von schlechtem Graffitigeschmiere, als noch Jugendliche mit billigen Spraydosen Wände bemalten», erklärt Hospenthal, der vor drei Wochen Vater geworden ist. Heutzutage könnte man viel präziser mit den Spraydosen arbeiten und die Farbe verbleiche erst nach mehreren Jahren.
Da die Graffitiszene in der Region überschaubar ist, lebe der gelernte Zahntechniker und Werbetechnikgestalter seine Leidenschaft gerne im Ausland in grossen Städten aus. «Ich habe schon über 30 ferne Destinationen wie Bolivien, Chile, Mexiko, Japan, Manila oder die Malediven bereist. Dort habe ich mich jeweils inspirieren lassen und habe bei jeder Reise Bilder auf freie Wände gesprayt.» So habe er viele Leute aus der Szene kennen gelernt. «Am liebsten hätte ich ein Studio in New York oder Schanghai.»
Sein Studio in Goldau befindet sich in der Bernerhöhe Nord in Goldau. «Ich habe aus einer Industriehalle, in der sich nur acht Pfosten befanden, ein Kunststudio mit Büro, Sitzungszimmer, Atelier und Küche entworfen», so Hospenthal. Hier könne er an einzelnen Projekten unter anderem auch im Winter arbeiten.
«Viele Leute haben mich belächelt»
Er habe mit Workshops seine Graffitikarriere begonnen und sich so immer weitergebildet. Gezeichnet habe er immer gerne. «Es war nicht immer leicht weiterzumachen. Viele Leute haben mich auch belächelt dafür, dass ich mein Geld mit Graffiti verdienen möchte», erinnert sich Hospenthal. Doch er hielt immer an seinem Traum fest.
«Gerne möchte ich Firmen beispielsweise vermitteln, dass so ein grosses Graffito an Hausfassaden quasi eine über zehn Jahre anhaltende Werbung sein kann.» Mittlerweile hat er schon für viele Kunden wie den Natur- und Tierpark Goldau, Nivea, Zuwebe, Stoosbahnen oder Postauto Auftragsarbeiten gemalt oder gesprayt und hat noch viele Aufträge bis Ende dieses Jahres offen.
«Ich bin sehr zufrieden, denn ich habe mir das alles selbst erarbeitet und mein Studio neben der Arbeit mit Hilfe von Freunden aufgebaut», sagt Hospenthal stolz. Für die Zukunft würde er sich wünschen, eine gute Balance zwischen Auftragsarbeiten, freien Projekten und dem Familienleben zu finden. (Tijana Nikolic)