«Beharrlichkeit gehört zum Job»

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Der Schweizer Dokumentarfilmer Christian Frei ist am Zugersee für seine Arbeit ausgezeichnet worden. Ein Porträt.

  • Christian Frei bringt so schnell kein Sturm aus der Fassung. (Bild Matthias Jurt)
    Christian Frei bringt so schnell kein Sturm aus der Fassung. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Jedes Jahr erhält eine Person den Genussfilm-Award, die sich durch ihre Arbeiten in den Bereichen Film, Literatur und Medien verdient machte. Beim diesjährigen Festival sah die Jury in den Produktionen des bekannten Schweizer Dok-Filmers Christian Frei einen Hochgenuss für die Augen der Betrachter. Den Genussfilm-Award sieht der gebürtige Solothurner als «Wertschätzung» für sein Wirken. Das sei ja bei den Köchen, die den 180 Gästen am Premierenabend etwas sehr Feines zubereitet hätten, nicht anders. Auch diese «verdienen unsere Wertschätzung».

Ein Filmer hat einen Augenblick, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen. In dieser Phase erhält er den Lohn für allerlei Mühen, die er von der Idee bis zum fertigen Film überwinden musste. Christian Frei, der im Durchschnitt alle vier Jahre einen Dokumentar-Film präsentiert, weiss das und sagt: «Beharrlichkeit gehört zu meinem Job.» Dies auch deshalb, weil Frei seine Dokumentarfilme selber produziert, schneidet und mit der passenden Musik unterlegt. Dass er dies könne und in der Weltliga mitspiele, erachtet der 62-Jährige als «Privileg» und zieht einen schönen Vergleich: «Ich bin immer an den Olympischen Spielen.»

20-jähriger Film ist auch heute noch aktuell

Dem Filmemacher hilft auch, dass er jeweils «in den Stoff verliebt ist». Er muss dabei besonders darauf achten, dass er das grosse Ganze nie aus den Augen verliert. Im Gegensatz zu einem Spielfilm haben Dokumentationen kein Drehbuch. Bei Freis Dokumentarfilmen ist es die Ruhe und das Unaufgeregte. Frei ist auch keiner, der Szenen drapiert: «Die Realität ist nie perfekt», sagt er. Auch was bei Freis Produktion «War Photographer» zu sehen ist, ist nicht gestellt. Der Film, der 2002 für einen Oscar nominiert war, ist zeitlos aktuell und in seiner Art überragend.

Der Gewinner des diesjährigen Zuger Genussfilm-Awards ist eine ehrliche Haut. Zur Inspiration für neue Dokumentarfilme lese er viele Bücher: «Die Themen finden mich.» Ein solcher Fall war «Genesis 2.0» aus dem Jahre 2018. In einem Buch von George Church sei er auf einen Beitrag über das Alphabet des Lebens gestossen, in dem Mammut-Stosszahnjäger eine Rolle spielen. Diese seien etwa auf den Neusibirischen Inseln unterwegs. Dort wühlen sie im aufgetauten Permafrostboden und suchen nach Stosszähnen.

Vier Mal im Programm bei renommiertem Festival

Da Frei für eine Expedition ans russische Ende der Welt keine Einreise erhalten hatte, spannte er mit einem jungen russischen Filmemacher zusammen. Das Endprodukt begeistert die Kritiker. Zudem ist der Dokumentarfilm am Sundance-Festival im Programm und erhält den Preis für die beste Kameraarbeit. Geadelt ist Frei zudem worden, indem er es beim Sundance-Festival, dem wichtigsten nach der Oscar-Prämierung, vier Mal ins Programm schaffte.

«Wir Schweizer Dokumentarfilmer haben weltweit einen exzellenten Ruf», sagt er. Bald könnten die einheimischen Filmer auch über mehr Geld verfügen. Der Nationalrat winkte am 16. September 2021 die sogenannte Lex Netflix durch. Damit sollen die Streaming-Dienste künftig vier Prozent der Einnahmen in den Schweizer Film investieren oder aber diese Abgabe an ihn zurückgeben müssen. Für Frei eine gute Nachricht: «Wir setzen das Geld gut ein», ist er überzeugt. Für den Gewinner des Awards ist deshalb der erste Tag des Genussfilmfestivals in Zug erinnerungswürdig: «Ich habe gleich doppelt gewonnen.» Allerdings könnte das Schicksal dieses Gesetzes an der Urne entschieden werden. Das Referendum ist angekündigt.

Derweil arbeitet Christian Frei an einem Projekt, in dem der Ausbruch von SARS in Asien 2003 und die Aufgeregtheiten und Verschwörungstheorien in Zeiten von Pandemien das Thema sind. Der 62-Jährige ist also einmal mehr zeitlos aktuell und mit einem brisanten Thema unterwegs. Zum gerade erhaltenen Zuger Preis gehört noch eine Verpflichtung: Der Sieger betreut einen jungen Filmemacher während eines Jahres als Mentor. Dies ist für die Nachwuchskraft im Fall von Christian Frei eine besondere Ehre. (Marco Morosoli)