Die Freude an der Reizüberflutung

Kunst & Baukultur

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Der Winterthurer Künstler Luca Harlacher arbeitet zwei Wochen im Atelierraum der Kunstpause in Zug.

  • Künstler Luca Harlacher mit Nadine Schrick (links) und Laura Hürlimann von der Kunstpause. (Bild Jan Pegoraro)
    Künstler Luca Harlacher mit Nadine Schrick (links) und Laura Hürlimann von der Kunstpause. (Bild Jan Pegoraro)

Zug – Auf dem Tisch stapeln sich Farbtuben, Skizzenblätter, Pinsel und Bücher, der Boden ist voller Farbtupfer, von der Decke hängen Bilderrahmen. Mittendrin: Luca Harlacher, lockenköpfiger Herr über dieses kreative Chaos. Seit bald zwei Wochen arbeitet der Winterthurer Künstler auf Einladung des Zuger Vereins Kunstpause im «Ministerium für Kultur und andere lebensnotwendige Angelegenheiten», einem Werkraum der Landis-&-Gyr-Stiftung beim Kloster Maria Opferung. Was der 27-Jährige hier erschafft – an der Wand lehnen zwei grosse, in Teilen bunt bemalte Leinwände –, soll an der kommenden Kunstpause, die vom 20. bis 23. Mai in der Chollerhalle in Zug stattfindet, zu sehen sein.

Das Durcheinander der Dinge: Es ist eines der Themen, mit denen sich der Absolvent der Zürcher Hochschule der Künste auch künstlerisch auseinandersetzt. In seinen Collagen treffen kindliche Fantasiewesen auf Markenturnschuhe, abstrakte Formen auf Piktogramme, Acrylfarbe auf Knetmasse. «Ich versuche, die Flut von Gedanken und Eindrücken zu visualisieren», erklärt Harlacher mit ruhiger Stimme, die so gar nicht zum Überbordenden seiner Bilder passen will. Seine Arbeit verweist darin auch auf die Vielzahl an Reizen, denen wir in unserer digitalisierten, globalisierten Welt tagtäglich ausgesetzt sind. Ein Kulturpessimist ist Harlacher deswegen aber nicht: «Für mich sind Vielfalt, Komplexität und Reizüberflutung keine Bürde, sondern etwas, das Freude und Heiterkeit bereitet.»

Wartezimmer statt Workshops

Dass mit Harlacher einer der 35 Kunstschaffenden, die an der Kunstpause ausstellen werden, im «Ministerium» arbeitet, ist eine Premiere, wie Projektleiterin Laura Hürlimann von der Kunstpause erklärt. Seit November kann der Verein den Werkraum nutzen. Wäre die zweite Welle der Coronapandemie nicht dazwischengekommen, hätten darin Workshops und kleinere Ausstellungen stattgefunden; stattdessen richtete das Kunstpause-Team das «Wartezimmer» ein, ein künstlerischer Adventure-Room für die Bevölkerung.

Von Anfang an aber war klar, dass man das Atelier vor der Ausstellung zwei Wochen einem der teilnehmenden Kunstschaffenden überlassen wollte. Hürlimann: «Hinter der Kunstpause steckt der Gedanke einer starken Förderkultur. Wir wollen ein überregionales Netzwerk aufbauen, aber auch überregionales Kunstschaffen nach Zug holen.»

Unterwegs im idyllischen Zug

Harlacher freute sich über die Anfrage: «Der Tapetenwechsel tut gut», sagt er. Zug kennt er kaum, sein eigenes Atelier befindet sich in der Nähe von Winterthur. «Ich bin an einem neuen Ort, lerne Leute kennen, kann meinen Horizont erweitern. Das ist inspirierend.» Die Kunstpause hat ihm ein Zimmer in einer WG in Zug vermittelt, über die Teammitglieder des Vereins lernt er die lokale Kunstszene kennen. Auch sein künstlerisches Thema, die Reizüberflutung, hat ihn in die Innerschweiz begleitet, etwa auf morgendlichen Spaziergängen. Dann jedoch im gegenteiligen Sinne: «Zug ist sehr idyllisch und überschaubar. In Zürich läuft viel mehr parallel. Ich habe den Eindruck, die Logik des Internets ist da schon viel stärker in den Alltag eingedrungen.»

Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, hat ihn der Ortswechsel produktiv werden lassen. Während er normalerweise für ein Bild etwa zwei Wochen braucht, nehmen nun zwei Werke gleichzeitig Gestalt an. «Damit habe ich nicht gerechnet», sagt Harlacher. Auf einige ausgedehnte Abende in seinem temporären Atelier hat er sich trotzdem eingestellt – damit die beiden Bilder rechtzeitig auch fertig werden für die Ausstellung. (Tobias Söldi)