Ein Musicalwald – geheimnisvoll und bedroht

Theater & Tanz

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Das Musical «Into the Woods – Ab in den Wald» hat im Theater Casino in Zug seine Premiere gefeiert. Die Chamer Musicalschule Voicesteps hat damit die erste deutschsprachige Version auf eine Schweizer Bühne gebracht.

  • Die Darstellerinnen und Darsteller werden professionell geschminkt. (Bild Matthias Jurt)
    Die Darstellerinnen und Darsteller werden professionell geschminkt. (Bild Matthias Jurt)

Cham – Auf der Bühne des Zuger Theaters Casino stand am Samstag ein Märchenwald aus riesigen Baumstämmen, verzaubert durch Licht- und Geräuschkulissen (Lichtdesign Monika Krzesniak, Tontechnik Björn Bredehöft). Davor drei Settings: links die wanduhrgeschmückte Stube von Aschenputtels Familie, rechts der girlandenumrankte Sitzplatz von Hans Bohnenstange und seiner Mutter, in der Mitte die Verkaufstheke eines Bäckerpaares.

Mit diesen drei Märchen, die zum Teil aus der angel­sächsischen Welt stammen, begann das Musical «Into the Woods», das in den 1980er-Jahren von Stephen Sond­heim geschaffen, am Broadway gespielt und 2014 über seine Disney-Verfilmung zum Welthit wurde. Nun auch in Zug, inszeniert durch die Chamer Voicesteps Company (Regie Chris Schenk, Choreografie Daniela Moser).

Zu Aschenputtel, die nicht weiss, ob sie ihren Prinzen haben oder fliehen will, dem Bäckerpaar, das sich sehnlichst ein Kind wünscht, und Hans, den seine Mutter zum Kuhverkauf auf den Markt schickt, gesellten sich bald eine böse Hexe, Rotkäppchen und der Wolf, Rapunzel und ihr Prinz, Schneewittchen, Dornröschen und weitere Märchenfiguren. Ein eigentlicher Märchenwirbel – zusammengehalten durch eine Erzählerin (Mia Schneble), die mal rechts, mal links auf der Seitenrampe dem Ganzen die Struktur gab.

Vom Aschenputtel bis zur Frau Wolf

Daraus entwickelte sich eine sehr lange Musicalnacht, in der alle Figuren mit- und ineinander verwoben waren, innere und äussere Aufgaben bewältigen mussten. Gelegenheit für mehr als 30 Voicesteps-Schülerinnen und -Schüler, ihr Können unter Beweis zu stellen. Und das war beachtlich – stimmlich, tänzerisch und schauspielerisch. Voller Lust und Engagement, ohne Einbrüche über mehr als zwei Stunden hinweg.

Allen voran das originelle Aschenputtel (Svenja Schicker), der schlaksige Hans (Sarina Stocker), die intrigante Hexe (Timea Oertel), das Rotkäppchen (Joana Simmen) mit Zöpfen und rotem Umhang, eine laszive Frau Wolf mit tiefer Stimme und Musicalstöckchen (Jana Stadelmann) und – immer wieder im Zentrum – die erfrischend kecke Bäckerin (Elina Albrecht) und ihr Bäcker (Lucca Kleimann). Letzterer mauserte sich während des Stückes vom unbeholfenen Anhängsel zum Anführer und nahm gegen Ende sogar den Kampf gegen eine übermächtige Riesin auf – um seines neugeborenen Kindes willen.

Ort für seelischen Entwicklungen

Der Schlussapplaus war mehr als verdient. Stück und Inszenierung warfen aber auch Fragen auf: Kann das Massenmedium Musical mehr sein als eine Flucht in Fantasy-Welten? Voicesteps-Leiter Guido Simmen hatte es im Vorfeld der Premiere so ausgedrückt: «Seit Jahren wurde mir dieses Musical nahegelegt. Ich habe die Filmversion immer wieder angeschaut und mich gefragt, was ich damit machen soll.»

Gerade die Location, der Wald, drängt sich auf als geheimer Ort, an dem die Figuren seelische Entwicklungen durchmachen, und diese in der Natur verankerte Tiefenpsychologie ist ein kulturelles Thema des Abendlandes spätestens seit der Romantik.

Der Wald gerät im Musical aber auch zum bedrohten Ort, an dem Existenzen zertrampelt werden und den die Märchenhelden und -heldinnen durch gemeinsame Anstrengung zu retten gezwungen sind – was sofort an Klimakatastrophen und Biodiversitätsschwund erinnert. Eine bewusste Regie würde dies deutlicher herauszuarbeiten vermögen. Auf diese Weise könnte das hochbeliebte Medium Musical sein Publikum nachdenklicher nach Hause entlassen. Und als Kulturausdruck eine wichtige gesellschaftliche Rolle übernehmen – gerade für die und mit der Jugend, um deren Zukunft es heute allenthalben geht. (Text von Dorotea Bitterli)

Hinweis

Am 2., 3. und 4. März ab 20 Uhr sowie am 4. März auch ab 17 Uhr im Theater Casino Zug. Vorverkauf: www.voicesteps.ch