«Sprache ist für mich wie Musik»

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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In ihrem neuen Buch «Häschtääg Zunderobsi» windet Judith Stadlin dem Zugerdütsch auf ihre Art ein Kränzchen.

Zug – Basler, Berner, Bündner, Thurgauer, Walliser – nur ein gesprochener Satz und jeder weiss, woher die Person kommt. Viele Schweizer Dialekte sind unverkennbar durch ihren Klang und vor allem durch ihren Wortschatz. Und doch gibt es Kantone, die sich scheinbar durch keine besondere Sprachcharakteristik auszeichnen. Dazu gehört auch Zug. Oder gibt es etwa doch ein Zugerdütsch? Und wenn – ist ein solches überhaupt noch präsent, wo ja mittlerweile gefühlte zwei Drittel der Einwohner Englisch sprechen?

Eine Antwort liefert Judith Stadlin. Die Bühnenkünstlerin und Wortakrobatin ist selbst Urzugerin. «Der Zuger Dialekt hat leider einen schlechten Ruf», findet sie. «Und zwar deshalb, weil es ihn eben nach landläufiger Meinung gar nicht gibt.» Darum setzt sie ihrem – sehr wohl existierenden – Heimatdialekt nun ein kleines Denkmal in Buchform. «Häschtääg zunderobsi» ist ein heiteres, multimedial angelegtes Loblied auf das Zugerdütsch. Das Meiste darin ist genau so geschrieben, wie Judith Stadlin sprichwörtlich der Schnabel gewachsen ist. «Und es liest sich recht flüssig, weil das Zugerische ein vergleichsweise einfach zu verstehender Dialekt ist, in dem aber viele schöne Wörter vorkommen.»

Und genau auf diesen schönen Wörtern liegt ein besonderer Fokus des Buches. Neben einem neunseitigen Vokabular hat sich die Autorin 21 ausgewählten zugerdeutschen Ausdrücken angenommen und sie mit einem Hashtag (#, Häschtääg) versehen. Anhand eines kleinen Filmchens, das per QR-Code direkt auf Youtube abgerufen werden kann – hierin besteht die vorhin erwähnte Multimedialität –, illustriert Stadlin gleich höchstpersönlich die Bedeutung des jeweiligen Wortes. In einer Rumpelkammer etwa wundert sie sich über das Gstelaasch, auf dem Schnee rutscht sie aus, weil’s hääl ist oder sie plegeret entspannt am Strand herum. Eine ziemlich dienige Sache und wirklich gäbig fürs Verständnis.

Über ein Jahr lang seien die Kurzclips für die einzelnen Wörter an unterschiedlichen Orten entstanden, erklärt Stadlin. Ein beachtlicher Aufwand. Eine Reihe weiterer Codes verweist auf ganze oder ausschnittweise Bühnenlesungen der Zugerin. Diese Möglichkeit zur digitalen Interaktion bereichert den ohnehin schon süffig-unterhaltsamen Lesegenuss zusätzlich.

Alt- und Neuzugerisch

Den Inhalt des Buches machen prinzipiell «bühnenerprobte» Texte aus. Heisst, Judith Stadlin hat sie bereits ein oder mehrere Male live vorgetragen, sie haben also den «Eignungstest» bestanden. Einer von ihnen heisst «Wädelmond», ein Beitrag, den die Autorin im vergangenen Herbst in Luzern anlässlich 50 Jahre Totemügerli von Franz Hohler beigesteuert und dafür viel Zuspruch erhalten hat. «Die Erkenntnis, dass ein Text auf Zugerdütsch so gut ankommt wie einer auf Berndütsch, war schliesslich der Auslöser für mein Projekt», sagt Judith Stadlin rückblickend.

Der «Wädelmond» ist einer von insgesamt drei Buchbeiträgen, für welche die Autorin Hans Bossards Vokabular alt-zugerdeutscher Ausdrücke herangezogen hat. «Und der Rest ist so geschrieben, wie ich selber rede. Ich möchte nicht eine alte Sprache auf Biegen und Brechen erhalten», führt Stadlin hierzu aus. «Sondern ich akzeptiere, dass jede Sprache, jeder Dialekt einem steten Wandel unterzogen ist. Aber es freut mich, dass alte Zuger Ausdrücke noch immer existieren und auch verwendet werden.» Die Freude am Wort und die kreative Spielerei damit ist bekanntlich eine der grossen Spezialitäten der Zuger Bühnenkünstlerin. «Sprache ist für mich wie Musik», sagt sie. Und diese Musik trägt Judith Stadlin am liebsten mit Augenzwinkern und viel geistreichem Humor vor, «denn ich glaube an den Humor als Transportmittel für Botschaften».

Ihre Sicht auf die Welt

Solche bringt die Autorin mit den hochunterhaltsamen Texten im Buch rüber – es sind Beobachtungen, Reflexionen, auch Aufgeschnapptes und Erlebtes, was Judith Stadlins Sicht auf die Welt wiedergibt. Und diese ist manchmal halt etwas anders, «zunderobsi» eben. (Andreas Faessler)