Ein unerwarteter Ehrengast

Brauchtum & Geschichte

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Beim 334. Bäckermöhli in der Zuger Altstadt strahlen die Kinder mit der Sonne um die Wette.

  • Die Kinder erwarten die Gaben der Zünftler. (Bild Jan Pegoraro)
    Die Kinder erwarten die Gaben der Zünftler. (Bild Jan Pegoraro)

Zug – Würste tanzten im Wind. Für die Kinder hiess das: «Hoch die Hände!». Auswärtigen bot sich gestern in der Zuger Altstadt ein irritierendes Bild. Hiesige hingegen wussten schnell Bescheid: Das Bäckermöhli stand wieder einmal auf dem Programm. Nach Angaben der dieses ausrichtenden Zunft und Bruderschaft der Müller, Bäcker und Zuckerbäcker bereits zum 334. Mal. Die Zünftler warfen 3000 Mutschli und Weggli, 300 Kilogramm Orangen, 400 Paar Wienerli sowie Lebkuchen und Guetzli aus den Fenstern des Zunftlokals Aklin und vom Balkon des «Ochsen». Einmal im Jahr ist mit Essen Spielen nicht nur erlaubt, sondern es wird geschätzt.

Ein besonderer Tag war es nicht nur für die Kinder, sondern auch für den Zunftobmann Hugo Trütsch, der ein Jubiläum beging. Vor genau 20 Jahren wurde ihm nämlich die Ehre zuteil, als Mitbruder in die Zunft aufgenommen zu werden. Er begrüsste gestern Stephan Schmidlin, den Erschaffer der Holzskulptur für das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest, als offiziellen Ehrengast. Inoffizieller und aufgrund der Vorhersagen unerwarteter Ehrengast war die Sonne. Sie zeigte sich just zu diesem Traditionsanlass. Die Kinder scherten sich beim Aufsammeln der Gaben nicht gross darum, wie der 10-jährige Jason aus Zug freimütig zugab: «Das Wetter ist mir egal, ich freue mich über die vielen Lebkuchen.»

Für die Zünfter ist Durchhalten angesagt

Für die Zünfter war das Auswerfen der Esswaren – einst waren es die Reste ihres Mittagessens – Teil eines ritualdurchtränkten Tages. Dieser steht im Zeichen ihrer Jahresversammlung im erhabenen Gotischen Saal des Rathauses. Diese beginnt selbstverständlich erst nach einem Apéro mit Weisswein und Käsekuchen. Der erste Punkt auf der Tagessatzung ist jedoch ein stiller: der Gottesdienst in der Liebfrauenkapelle. Hier gedenkt man der heiligen Agatha. Sie ist die Schutzpatronin der Feuerwehr und damit auch der Bäcker. Denn die Backstuben der Vorzeit waren ein steter Gefahrenherd für Brände.

Dass diese Zunft früher einmal einen grossen Einfluss gehabt haben dürfte, zeigt eine eindrückliche Zahl. Man vermutet allein im Bereich der Stadt Zug zwölf Mühlen, wie der Homepage der Zunft zu entnehmen ist: Kollermühle, Aamühle, Bohlmühlen (insgesamt drei, wovon eine kleinere im Dorf), Platzmühle, je eine kleine Mühle beim «Hecht» und bei der Seeliken, Wallersmühle in Oberwil, Mühle im Fuchsloch Oberwil und zwei kleinere Mühlen am Lotenbach.

Der Legende zufolge machten die Bäcker und Agatha übrigens einmal in Zug gemeinsame Sache: Ein Brand in der Zeughausgasse soll erst gelöscht worden sein, nachdem zwei gesegnete Agathabrote ins Feuer geworfen worden waren. (Raphael Biermayr)