Solothurner Literaturtage: Am Anfang steht ein Onlinemagazin

Literatur & Gesellschaft

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Ab heute erzählen Autorinnen und Autoren online in Videos und Texten – als Einstimmung auf die Literaturtage vom 22. bis 24. Mai.

Zug – Wehmütig blickt Christopher Kloeble in die Computerkamera. Der deutsche Schriftsteller ist spezialisiert auf historische Romane und lebt mit seiner Frau, die aus Delhi stammt, ein Teil des Jahres in Indien. Gerne hätte er sein Buch «Das Museum der Welt» in Solothurn vorgestellt: Einen Roman über einen indischen Jungen, der im 19. Jahrhundert das erste Museum seines Landes gründen will. Erschienen ist der Roman kurz vor der Coronakrise. Nun sitzt er zu Hause und erzählt von den Literaturfestivals in Indien: In Hyderabad habe er einmal mit Urs Widmer auf einem Podium gesessen. An einem der grössten asiatischen Literaturfestivals im nordindischen Jaipur kämen an fünf Tagen rund 100000 Besucher, unter ihnen auch die Königsfamilie aus Bhutan, grosse Verlage gäben dort Partys in Luxushotels – «in Jaipur kommt man sich vor, als hätte man das Set eines Bollywoodstreifens betreten», erzählt er im Videobeitrag.

Bis zum 22. Mai ein paar poetische Appetizer

Christopher Kloebles Beitrag ist wie viele andere sowohl als Text wie als Video ab heute zur Einstimmung auf die Solothurner Literaturtage in deren Onlinemagazin verfügbar.

Weil die diesjährigen Literaturtage vom 22. bis 24. Mai ohne Landhausgedränge, Flanieren an der Aare und Schmökern in der Festival-Buchhandlung, sondern live mit Onlineübertragung über die Bühne gehen, hat sich die Festivalleitung zu einem Online-Anlauf entschieden. Neben Kloeble werden weitere Autorinnen und Autoren speziell für dieses Onlinemagazin verfasste Texte beitragen, bis zum offiziellen Start der Literaturtage am 22. Mai. Darunter etwa Romana Ganzoni oder Flurina Badel. Nora Gomringer hat einen gewohnt spielerisch-poetischen Zeitkommentar geliefert: «Das kollektive Stillhalten der Füsse leert die Strassen. Die Kommentarspalten füllen sich mit Erstaunen über Brot, Vogelsang, Nachbarsgüte, das Seufzen über Kinder und alle wollen sich merken, was sie derzeit, nein, genau jetzt, fühlen, um in der Zukunft bessere Menschen, bessere Eltern und Arbeiter zu sein. Der Planet soll spüren, dass wir wieder willens sind, eine Schicht aus – mindestens – guten Absichten um ihn zu krusten. Oh, diese Angst. Diese stille, präsente Angst.»

Via Livestream an die Literaturtage

Am 22. Mai beginnt dann das Internetabenteuer der Solothurner Literaturtage: Denn am Programm will die Festivalleitung festhalten, nun allerdings mit gratis Livestreams zu den Lesungen, Diskussionen, Podien und Workshops. Wer sich an Diskussionen beteiligen will, muss sich anmelden. Das Liveprogramm der 42. Literaturtage findet an verschiedenen virtuellen Spielorten wie in der Säulenhalle, im Seminarraum oder in der «Kneipe» statt. Die Veranstaltungen finden live zu den programmierten Zeiten statt und können im Anschluss nicht mehr abgerufen werden. Wer also etwa der Diskussion mit Lukas Bärfuss, Nora Gomringer und Sandra Künzi zu «Literatur und Moral» lauschen möchte, schaut ab heute ins detaillierte Programmheft.

Einnahmen aus dem Ticketverkauf gibt es dieses Jahr keine, andererseits fallen keine Reise- und Übernachtungskosten für die eingeladenen Autorinnen, Autoren und Gäste an, und die Technikkosten reduzieren sich. Die Literaturtage streben eine ausgeglichene Rechnung an. (Hansruedi Kugler)

Solothurner Literaturtage

www.literatur-online.ch. Das detaillierte Programm der Literaturtage vom 22. bis 24. Mai ist ab morgen online.