Bis Mitternacht gab’s etwas zu erleben

Kunst & Baukultur

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Sie bot in Zug, Baar und Cham viele kreative Überraschungen, umrahmt mit Musik, Tanz, Literatur und spannenden Begegnungen. Das Publikum wanderte interessiert von Haus zu Haus.

  • Ein Blick in die Ausstellung «Frisch verpackt» in der Shedhalle, Zug. (Bild Stefan Kaiser)
    Ein Blick in die Ausstellung «Frisch verpackt» in der Shedhalle, Zug. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Es ist jedes Mal so etwas wie eine Überraschungsschachtel. Man ist neugierig und will wissen, was drinsteckt und was alles an der Zuger Kunstnacht läuft. Schon ab 17 Uhr sind am Samstag die ersten Besucher an einer der 17 Stationen anzutreffen. Auch wenn man es nicht bis Mitternacht ausgehalten hat, kann man sagen, dass es wieder ein erlebnisreicher Abend war mit spannenden Ausstellungen, einem vielseitigen Rahmenprogramm und netten Begegnungen.

Und wenn man die Kulturnacht mit einer Schachtel vergleicht, dann versinnbildlicht dies die Ausstellung «Frisch verpackt» in der Shedhalle. Dort präsentieren 23 Teams von Kunstschaffenden die von ihnen gestalteten Kartonboxen. Jede ist total anders. Alle zeichnen sich durch eine fantasievolle Gestaltung mit Malereien, Texten sowie Multimedien aus. Einige sind einfach schön; bei vielen ist der feine Humor aber oft mit einem sozialkritischen Ansatz verbunden. So wie bei Bernadette Madörin (1947) und Ramon Bachmann (1978), die auf die Lebensmittelverschwendung hinweisen. Samantha Heller (1986) hat mit Zeichnungen ihres Grosis Hedy Heller-Winkler (1928) morbide Inszenierungen kreiert. Bruno Birrer (1943) und Gabor Schikula (1951) weisen auf die Gefahren der Macht hin, beim Geld, in der Politik – und auch auf dem Kunstmarkt. Birrer sagt schmunzelnd: «Es war nicht einfach, sich unter den vielen Entwürfen gemeinsam zu entscheiden.»

Jüngere Künstler waren gesucht

Die Idee für diese Ausstellung stammt von der Baarer Kuratorin und Schmuckkünstlerin Brigitte Moser. Sie wollte ein Generationenprojekt lancieren. Wie Samantha Heller sagt, hätte man sich für die Teams mehr jüngere Künstler gewünscht, ältere gab es genug. «Doch beim Aufbau war Brigitte Moser sehr überrascht über die teilweise tiefgründigen und sozialkritischen Arbeiten, ihre Darstellungsformen und Materialien.» Von den Besuchern werden die total unterschiedlichen Werke sehr interessiert betrachtet – und bestaunt. So sagt der Zuger Rolf Hegglin: «In jeder Box steckt grosse Fantasie. Zum Teil erkennt man die Künstler am Resultat.»

Wer eine Pause braucht, kann in der Shedhalle eine Suppe geniessen oder sich mit einem Glas Prosecco nebenan ins Atelier 63 begeben, wo die Kunst auf dem Boden, an den Wänden und auf den Tischen unübersehbar ist. In den Räumen sind derzeit elf Kunstschaffende tätig. Einer von ihnen ist Matthias Moos, der eigens für die Kunstnacht das Thema «unten» mit einer Lichtprojektion am Boden umgesetzt hat: «Die Software für solche Arbeiten schreibe ich selber und kombiniere die Computertechnik mit der Elektronik.»

Urmaterialien neu interpretiert

Eine Tür weiter liegt an der Hofstrasse das Museum für Urgeschichte. Die Sonderausstellung der ETH Zürich «BodenSchätzeWerte» beleuchtet mit mehreren Stationen die Rolle der Rohstoffe. Sie informiert auf spielerische Art, welche Rohstoffe wir verbrauchen, wie sie hergestellt und transportiert werden und welche Risiken sie beinhalten. Leander (12) ist mit Mutter und Schwester unterwegs und liest erschreckt, dass für Bekleidung ganz viel Erdöl benötigt wird. «Es ist spannend, das einmal zu sehen», sagt er und leuchtet das Etikett des Plastikbeutels mit den Gummibärchen an.

Im Museum muss man ein bischen suchen, um zwischen den Vitrinen mit den Exponaten aus früheren Zeiten die neuen Werke der Kunstschaffenden zu entdecken. So wie die Stoffobjekte von Grietje van der Veen, Basel, die zur steinzeitlichen Installation so gut passen, dass man meint, sie gehören dazu. Die Glasschalen von Be & Rolf Grönquist, Baar, wirken mit ihrer grünlichen Patina so, als wenn sie gerade erst ausgegraben worden wären. Kunstvermittlerin Anne Caroline Liechti bestätigt, dass die Teilnehmer die in der Urzeit verwendeten Rohstoffe wie Glas, Holz, Steine, Bronze und Metall eigens für die Kunstnacht zeitgemäss interpretiert haben.

Flüchtlinge berichten aus ihrem Leben

Es ist wirklich verlockend, sich an diesem Abend an den nächsten Ort zu begeben, wo wieder neue Aktionen warten. Das Kunsthaus hat neben den Kurzführungen ein interessantes Programm zusammengestellt. Es ist gut frequentiert. Die Leute flanieren von einem Raum zum anderen und treffen in der Bar auf solche, denen sie schon im vorherigen Haus begegnet sind.

Vor allem der Auftritt der ungarischen Volkstanzgruppe Óperenciás lockt zahlreiche Zuschauer an. «Wir wollen unsere Traditionen bewahren», sagt einer der Tänzer. Beschwingte Stimmung kommt bei den Liedern und Volkstänzen zum rassigen Csárdás auf, den die Paare inmitten der Fotoausstellung ihres Landsmannes Péter Nádas zeigen.

Eindrücklich verläuft weiter die nächste Darbietung der drei Musiker von Symphonyland, die zu Till Veldens Wiener Flüchtlingsorchester gehören. Und alles ist still, als der Iraker Achmed von seiner Flucht nach Europa berichtet und davon, wie wichtig für ihn die Musik ist: «Ich spiele jeden Tag auf meiner Oud.» Das Konzert wurde bewusst mit der Erstpräsentation des Dokumentarfilms «Ship of Tolerance» von Remo Hegglin verbunden.

Speziell ist der Besuch in der Galerie Malte Frank, wo zwei Tänzerinnen bei der Performance das Publikum einbeziehen und eine Skulptur erspüren lassen. Auf Interesse stösst hier die Ausstellung von Sussi Hodel. Sie hat als Hommage an Ferdinand Hodler (1853–1918) einige seiner Gemälde neu interpretiert.

In Baar und Cham gab’s auch Interessantes

Der Anlass, der sich besonders an den Nachwuchs richtet, findet bei Arrigoni Art Trade & Art Space in Cham statt: Hier malte Sandra Schawalder mit Kindern, wie sie ihre Welt sehen.

Nicht gerade die ganze Welt, aber den Süden Europas hat der Baarer Grafiker und Künstler Alex Stocker (1926–1954) geliebt und oft bereist. Seine Zeichnungen mit Bleistift, Kohle und Ölkreide sowie die Ölbilder zeigen im Dachstock des Schwesternhauses in Baar heimische und südliche Landschaften und ihre Menschen. Als Autodidakt hat er einen eigenwilligen Stil mit einem feinen Sinn für Komposition entwickelt. Interessant sind ebenso seine grafischen Arbeiten in den Schaukästen. Die Baarer Kulturbeauftragte Claudia Emmenegger freut sich über die Ausstellung: «Diese Werke befinden sich sonst im Depot der Gemeinde, das eine grosse Kunstsammlung umfasst. Aber wir haben wenig Möglichkeiten, etwas daraus zu zeigen.»

Zuletzt geht’s zur «Handy-Nanny», wo André Schweiger im witzigen Outfit auf die in kleinen Pappbettchen schlafenden Handys aufpasst. «Nur wenige konnten sich davon trennen. Das zeigt die heutige Realität», kommentiert er seine augenzwinkernde Aktion. (Monika Wegmann)