Ab in den grössten Bunker des Kantons
Brauchtum & Geschichte
Die Philippsburg war im Zweiten Weltkrieg der wichtigste Bunker im Ägerital und ist heute ein interaktives Museum.
Unterägeri – Ein regnerischer Tag Ende August beim Steinbruch in Unterägeri. Nur wenige Schritte vom Parkplatz bei der Grube entfernt befindet sich eine steile Treppe. Einige Hundert Stufen führen hinunter bis vor den Eingang der Philippsburg, benannt nach dem Menzinger alt Bundesrat Philipp Etter (1891–1977). Im Zweiten Weltkrieg war das der wichtigste Bunker im Ägerital, denn dort befand sich die Telefonschaltzentrale.
Zug liegt geografisch auf dem Weg von Norden her Richtung Süden und gehört somit zur Verteidigungslinie des Schweizer Réduits, eines Systems aus militärischen Verteidigungsanlagen in den Schweizer Alpen.
«Die Infanterie zog eine eigene Telefonleitung von ihrem Standort zum Feldanschlusskasten (FAK), der sie direkt mit der Philippsburg verband – und somit mit sämtlichen Standorten im Ägerital», erzählt Tanja Dettling von der Militärhistorischen Stiftung Zug (MHSZ), als sie neben dem Kasten neben der Treppe zum Bunker vorbeiläuft. Man merkt der erfahrenen Lehrerin die Leidenschaft für die Militärgeschichte an und hört gebannt zu.
Eine der wenigen Bunker mit Küche
Sie öffnet die schwere, quietschende Stahltür der Philippsburg. Man erblickt einen engen Gang, der nach rechts in eine kleine Küche führt. Beim Vorübergehen passiert man eine Reihe von griffbereiten Karabinern mit Bajonett, die nie im Ernstfall genutzt wurden und mit denen sich heute Erinnerungsfotos machen lassen.
«Die Philippsburg ist eine der wenigen, die über eine Küche verfügen. Die meisten Bunker mussten mit Essen beliefert werden», so Dettling. Sie reicht einen grossen Behälter herum, mit dem man früher Suppen und Eintöpfe transportiert habe. Das Gewicht des Behälters ist beachtlich.
Dettling weiss vieles über die militärhistorische Geschichte Zugs und erzählt das gerne bei gebuchten Bunkerführungen, die von ihr sowie zahlreichen freiwilligen Helfenden der MHSZ durchgeführt werden. Auch der Unterhalt der Anlagen wird durch die Helfenden sichergestellt: «An vier Samstagen im Jahr kommen wir alle für Putz- und Wartungsarbeiten in den Bunkeranlagen und deren Umgebung zusammen. Einzelne machen das noch viel regelmässiger.» Finanziert werde die Stiftung durch den Kanton Zug sowie Gönner und Sponsoren.
Bei Nacht und Nebel zielgenau schiessen
Grosse Schlachten wurden früher in weiten Ebenen oder hügeligem Gelände geschlagen. «In den südlichen Sümpfen des Ägerisees bei Morgarten stoppten nach Überlieferungen die Eidgenossen das habsburgische Heer. Die Wildenburg kontrollierte hoch über dem Lorzentobel den Verkehr vom Tal in die Bergdörfer», erzählt Dettling weiter.
Nördlich der Stadt Zug seien die ersten Beobachtungsposten installiert worden. Alle Eingänge ins Ägerital seien befestigt worden. Man habe in den 1940er-Jahren innert kürzester Zeit auf dem Zugerberg und in den weiteren Zuger Berggemeinden Panzerabwehr-, Maschinengewehrwerke oder Panzergräben gebaut. Von den Hunderten von Anlagen seien heute viele nicht mehr vorhanden, speziell aber die Strassenhindernisse, die Holzbaracken in den Wäldern und die Flaktürme (mehrere Hochbunker).
Die Philippsburg ist ein Maschinengewehrwerk. Das Maschinengewehr befindet sich auf einer Lafette (ein Gestell, seitlich und in der Höhe verstellbar) in einem der oberen Räume des Bunkers. «Sogenannte Aussenbeobachter, die sich im Vorfeld des Bunkers befinden, übermitteln beim Schiessen die Zielangaben an den Schützen. Dieser richtet das Maschinengewehr mit einem oberhalb der Waffe montierten Fadenkreuz an einer Panoramatafel ohne Sicht auf das Ziel ein. So kann er bei Nacht und Nebel zielgenau schiessen», erläutert Tanja Dettling.
Wie ein interaktives Museum kommt einem die Philippsburg vor: Im Essbereich stehen Schüsseln mit diversem Plastikessen, in der Schiessscharte entdeckt man neben dem Maschinengewehr auch ein Schiesskolben-Kühlsystem, eine Gasmaske sowie Munitionspatronen, die noch geladen werden müssen.
Auch Kehlkopfmikrofone, die für die Kommunikation um den Hals gemacht wurden und bei grossem Lärm verwendet werden können, hängen bereit. Im Mannschaftsraum reihen sich neben einem grossen Tisch bezugsbereite Militärbetten an- und nebeneinander. «Regelmässig kommen private Gruppen oder Klassen zu den Führungen, um das etwas beklemmende und kühle interaktive Erlebnis mitzuerleben», so Dettling weiter. Im Bunker würden nämlich stets acht bis zehn Grad herrschen.
Stiftung pflegt 75 Prozent des Zuger Festungsbestands
Zum militärhistorischen Erbe, welches die MHSZ übernommen hat, gehören Festungsobjekte in den Gemeinden Unterägeri und Oberägeri, Anlagen von nationaler Bedeutung auf dem Zugerberg und auf der Füürschwand in Menzingen sowie die Fliegerabwehr-Lenkwaffenstellung auf dem Gubel.
Damit pflege die Stiftung fast 75 Prozent des gesamten Festungsbestandes des Kantons. «Die Substanz der Anlagen ist gesichert, der Gubel ist als Museumsanlage offen und die Bloodhound-Stellung wird im Rahmen von Führungen von Spezialisten gezeigt. Über die Website der MHSZ kann man für den Besuch der Festungen Führungen buchen», sagt Dettling abschliessend. (Text von Tijana Nikolic)