«Es geschieht im Moment»
Kunst & Baukultur
Im Kunstkiosk in Baar malt ein junger Künstler ein Tagebuch über einen Ort, den es gar nicht gibt. Was spannend klingt, bleibt es auch bei näherem Hinsehen.
Baar – Im Kunstkiosk im Robert-Fellmann-Park in Baar malt der Baarer Künstler Rafael Casaulta mit Spraydose und grobem Pinsel noch bis am 12. März öffentlich an seinen Bildern, jeweils ab zirka 15 Uhr. Die farbintensiven Bilder zeigen das Leben an einem Ort, den Rafael Casaulta das Wasteland, das Ödland, nennt.
Er und Maria Greco, Vorstandsmitglied des Kunstkiosks, erzählen, was es mit dem «Artist in Residence» und seinen Bildern aus dem Ödland auf sich hat.
Rafael Casaulta, wo oder was ist dieses Wasteland?
Rafael Casaulta: Wasteland ist ein Ideenpool.
Und Sie malen ein Tagebuch über die Geschichten im Ödland?
Casaulta: Ich schreibe natürlich nicht Tagebuch im Sinne von: «Liebes Tagebuch. Heute war schlechtes Wetter.» Meine Bilder, meine Musik und meine Texte sind Abbilder der Wirklichkeit, und ich gebe diesen Abbildern den Raum, eben das Wasteland, damit sie dort gedeihen können.
Maria Greco: Es ist eine Fantasiewelt. Wegen der eigentlich groben Technik mit Spraydosen und breiten Pinseln sieht jeder etwas anderes, und genau dadurch bekommt man einen umso lebendigeren Einblick ins Wasteland. Da ist beispielsweise ein Porträt eines Mannes mit Hut. Er hat keinen Hintergrund. Vielleicht eine Anspielung auf die Anonymität, die Baar als Stadt, die Dorf schreit, langsam erreicht?
Haben Sie sich irgendwas davon beim Malen überlegt?
Casaulta: Nein, so was nimmt man eher unbewusst wahr. Das geschieht im Moment. Der Mann mit Hut hier ist beispielsweise ein Priester im Wasteland. Ein wenig ein zwielichtiger, sonst hätte er es in der sündigen Umgebung des Wastelands eher schwer.
Rafael Casaulta ist «Artist in Residence» beim Kunstkiosk. Was ist das genau?
Greco: Der Künstler ist irgendwo zu Gast und arbeitet dort. Wir vom Kunstkiosk geben also einen Ort her, wo der Künstler arbeiten kann und Besucher ihm dabei über die Schultern sehen können.
Casaulta: Bei mir ist das vielleicht gerade besonders geeignet, da ich hier auch noch Musik zum Thema Wasteland mache.
Greco: Das Gesamtbild des Wastelands, das durch die Kombination von Musik und Bild entsteht, ist sehr interessant. Und durch die Besucher wird der Kunstkiosk zusätzlich belebt.
Rafael Casaulta, Sie werden hier ausgenutzt, merken Sie das? Sie sollen bloss Leute zum Kunstkiosk locken!
Casaulta: Ach was! Bei meinem Konzept gehts ja auch gerade um diesen Austausch. So gesehen ist es mir sehr recht, ein wenig ausgenutzt zu werden.
Greco: «Ausgenutzt» ist das falsche Wort. Rafael ist hier vielmehr «ausgestellt». Er stellt seinen gesamten Arbeitsprozess aus.
Casaulta: Ich glaube, es ist für viele sehr interessant, einmal zu sehen, wie ein Bild entsteht. Oder wie ein Song aus einer Improvisation heraus entsteht. Wo sonst hat man so eine Gelegenheit?
Greco: Die Leute sollen sich trauen, anzuhalten und zu schauen. Wenn Rafael draussen sprayt oder Gäste zum Musizieren einlädt, die sonst nicht im Kunstkiosk wären, werden Grenzen überwunden.
Nach der Finissage in zwei Wochen kommen die grössten Bilder weg. Wieso denn? Das ist doch schade um die Arbeit.
Greco: Muss man sie denn behalten?
Casaulta: Es geht um den Moment, um den Moment des Kreativen. Sobald das Bild auf Papier ist, sobald es quasi mal das Licht der Welt erblickt hat, darf es dann auch wieder gehen. Das ist nicht schade, das schafft wieder Platz für Neues. (Interview Lionel Hausheer)
HinweisRafael Casaultas kleinformatige Bilder sind im Mai in Brigitte Mosers Galerie ausgestellt und können dort auch gekauft werden.