Vor der Schrottpresse bewahrt

Brauchtum & Geschichte

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Auf dem Firmengelände der V-Zug steht eine kleine Diesellokomotive. Weit kommt sie heute nicht mehr.

  • Seit Jahren ungenutzt auf dem Abstellgleis: die Diesellokomotive auf dem Areal der V-Zug. (Bild Patrick Hürlimann)
    Seit Jahren ungenutzt auf dem Abstellgleis: die Diesellokomotive auf dem Areal der V-Zug. (Bild Patrick Hürlimann)

Zug – Im Gegensatz zu Häusern greift für Lokomotiven kein Denkmalschutz. Hat eine Bahngesellschaft oder ein Industrieunternehmen für eine Zugmaschine keinen Verwendungszweck mehr, versuchen die Eigner, sie zu verkaufen oder allenfalls zu vermieten. Bleiben auch diese Anstrengungen ohne Erfolg, landen solche Altlasten auf irgendeinem Abstellgleis und rotten dort bei Wind und Wetter vor sich hin. Sprayer etwa finden solche Objekte anziehend, um ihre Fertigkeiten unter Beweis zu stellen. Sind solche «verwahrlosten» Lokomotiven irgendwann nichts mehr als ein Haufen Rost, so gibt es nur noch die Schrottpresse.

Wie lange die zweiachsige Rangierlokomotive östlich der Industriestrasse schon hinter dem Maschendrahtzaun steht, ist unklar. Dass keiner mehr einen Verwendungszweck für die Lokomotive hat, verrät allein eine Aussentreppe, welche auf dem Gleisbett endet.

In Deutschland zugekauft

Die Lokomotive mit der Nummer 57 552 trägt den Namenszug der V-Zug, er ist mit weisser Farbe aufgetragen. Gebaut hat sie die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz in Köln, heute Deutz AG. Lokomotiven bauen die Kölner jedoch seit 1970 nicht mehr. Die V-Zug-Lokomotive hat, so zeigen Recherchen (www.rangierdiesel.de), das Baujahr 1962. Beide Achsen werden mit einer Koppelstange angetrieben. Den Antrieb besorgt ein 55-PS-­Dieselmotor aus dem Hause Deutz. Mit einem Eigengewicht von 14,5 Tonnen erreicht die Verzinkerei-Lokomotive eine Geschwindigkeit von 14 Kilometern pro Stunde. Bei Lokomotiven auf Industriebahnen aber spielt das Tempo eine eher untergeordnete Rolle. Erstbesitzer des schmucken Zweiachsers war die Heinrich August Schulte Eisen AG in Düsseldorf. 1978 hat der Käufer der Industrielokomotive seinen Namen in Thyssen Krupp Schulte geändert. Trotz des neuen Namens hat die Firma ihren Sitz in Düsseldorf-Grafenberg behalten. Von dort ist die gelbe Rangierlokomotive in die Schweiz zur Verzinkerei Zug AG gelangt.

Wie lange die Lokomotive ihren Dienst verrichtet hat, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Gewiss ist hingegen, dass ab und an noch zwei bis drei Wagen dem Zuger Traditionsunternehmen zu- und wieder abgeführt werden. Wann dies geschieht, ist hingegen unklar.

Den Transport besorgen die SBB, wie der Schreiber der Korporation Zug, Daniel Schwerzmann, auf Anfrage sagt. Die Rund 500 Meter lange Strecke führt in einer Halbkreisform von der heutigen Station Baar Lindenpark über die Baarer- und Industriestrasse auf das Gelände der V-Zug. Im Bilde, was auf der Strecke passiert, ist Schwerzmann deshalb, weil die Korporation Zug Eigentümer des Grundes ist, auf dem die Gleise gelegt sind. Schwerzmann verortet den Eigentumsübergang am «Ende des 19.Jahrhunderts». Er sagt auch, dass die Anschlussbahn alle notwendigen Bewilligungen vorliegen hat. Die Gleise dürften kurz nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges (1914–1918) gelegt worden sein. Die historische Karte von Zug zeigt 1914 noch keine Gleise. Ein Jahr später sind sie vorhanden.

Schwerzmann erwähnt noch, dass früher wohl auch die Kistenfabrik sowie das eidgenössische Zeughaus mit der Bahn bedient worden sein könnten. Das würde bei der Kistenfabrik Sinn machen, haben die dort einst gefertigten Paletten wie auch die normierten Holzkisten beim Güterverkehr eine sprichwörtlich tragende Rolle gespielt.

Ein Gleisbogen wird zur Grenze

Interessant ist auch noch ein anderes Detail. Der Gleisbogen in unmittelbarer Nähe der Stadtbahn-Haltestelle Baar Lindenpark bildet auch gleich die Grenze zwischen den Gemeinden Zug und Baar. Diese Grenzziehung geht allerdings, so lassen sich alte Karten interpretieren, nicht wegen dem Bahnbau den Gleisen entlang. Vielmehr hat dort einmal ein Weg vorbeigeführt, für welchen die Grenze das Richtmass war.

Übrigens scheint die Lokomotive der Papierfabrik Cham, welche diese 2014 in die Ostschweiz verschenkt hat, immer noch auf einen Eigentümer zu warten. Ein Eisenhändler in Frauenfeld führt die Papiere-Lokomotive in seiner Verkaufsliste. Auf den Gleisen der für sie vorgesehenen Museumsbahn ist sie wohl nie gefahren. (Marco Morosoli)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.