Naegelis nackte Frau verschwindet plötzlich aus Zuger Parkhaus

Kunst & Baukultur

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Der «Sprayer von Zürich» hatte auch in Zug ein Werk hinterlassen. Der Werkdienst entfernte das Kunstwerk unwissentlich.

  • Die entfernte Malerei. (Bild PD)
    Die entfernte Malerei. (Bild PD)

Zug – Harald Naegeli ist eine Legende. Eine Art früher Banksy der Schweiz, ein Streetartkünstler der ersten Stunde, als es noch nicht Streetart, sondern Schmiererei hiess. Sogar ein Kopfgeld wurde einst auf ihn ausgesetzt. Harald Naegeli erlangte als «Sprayer von Zürich» Weltruhm. Er wurde jahrelang wegen seines Tuns juristisch verfolgt, dann aber anerkannt. 2020 zum Beispiel wurde der inzwischen 82-Jährige mit dem Zürcher Kunstpreis geehrt.

Städte wie Köln, Düsseldorf oder eben Zürich sind inzwischen stolz, Werke von Naegeli als Kunst in ihrem öffentlichen Raum zu wissen. Der berühmte Sprayer machte auch einmal einen Arbeitsausflug in die Stadt Zug. Im Jahr 2018 hinterliess er beim Parkhaus Frauensteinmatt am Eingang ein weibliche Figur. Es fand 2020 Eingang als eines von 100 Werken in einem Prospekt «Kunst im öffentlichen Raum» der Stadt Zug,. Einen Titel hat das Kunstwerk nicht, inoffiziell heisst es «die nackte Frau». Doch plötzlich war die nackte Frau von Zug verschwunden. Jetzt ist sie weg.

«Die gesprayte Illustration ist von der Stadtverwaltung entfernt worden. Dies ist im Unwissen darüber erfolgt, dass es ein echter Naegeli gewesen sein könnte. Deshalb kann den zuständigen Leuten der Verwaltung kein Vorwurf gemacht werden», erklärte Zugs Stadtpräsident und Präsident der Kulturkommission Karl Kobelt gegenüber Zentralplus.

Dass hier aus Versehen ein wertvolles Kunstwerk zerstört wurde, war Thema im Stadtrat. Kobel: «Aufgrund dieses Ereignisses nimmt die Abteilung Kultur die nötige Sensibilisierung nun laufend vor, dass auf Kunstwerke im öffentlichen Raum noch vermehrt Rücksicht genommen werden soll – und bei Fragen und Unklarheiten Kontakt mit der Abteilung Kultur aufgenommen wird.»

«Eine wichtige Arbeit im öffentlichen Raum»

Die Harald-Naegeli-Stiftung in Zürich bestätigte gemäss dem Bericht, dass es sich bei der nackten Frau von Zug um ein Originalwerk des Sprayers von Zürich handelte. Dass es jetzt weg ist, wird in Zug bedauert: «Da ist mit der Arbeit von Harald Naegeli der Stadt wirklich eine wichtige Arbeit im öffentlichen Raum ‹entgangen›», sagt Matthias Haldemann, Direktor des Kunsthauses Zug. «Gut, dass solches künftig nicht mehr geschehen sollte.» Auch in der Bevölkerung wird das Kunstwerk vermisst. Nicolett Theier, welche am Kolinplatz arbeitet, sagt: «Für das Parkhaus Frauensteinmatt hat die gesprayte Frauen-Figur doch bestens gepasst; eine Belebung des Betons. Nackte Frau auf nacktem Beton; passt doch. Ich musste jeweils immer schmunzeln, wenn ich daran vorbeilief.» Ihr Fazit: «Wirklich schade, dass diese unwissentlich überstrichen wurde. Da ist zu hoffen, dass dies nicht plötzlich auch mit Pepperstein oder anderen Wandkünstlerbildern im öffentlichen Raum geschieht…»

Mit Pepperstein meint die Zugerin die Wandmalerei an der Strafanstalt Zug des Künstlers Pavel Pepperstein, die er dort 2002 anbrachte. Sie ist ebenfalls im Katalog der Kunst im öffentlichen Raum von Zug aufgeführt. Überhaupt ist die Stadt reich an öffentlicher Kunst: Die offizielle Werkliste umfasst 123 Arbeiten. Der Name von Harald Naegeli ist auf dieser Liste nicht zu finden.

Chefbeamter hielt Kunst für illegale Sprayerei

Am Werk von Pepperstein, das übrigens das Kunsthaus Zug initiiert und finanziert hatte, ist gut zu erkennen, dass Kunst im öffentlichen Raum nicht immer gleich als Kunst erkannt wird. Bei Peppersteins Wandzeichnung am Zuger Gefängnis nämlich «meinte ein kantonaler Chefbeamter anfangs, das sei eine illegale Sprayerei, worauf ihn der Gefängnisdirektor aufklärte», so Kunsthausdirektor Haldenmann. «Dass solches geschehen kann, liegt schon auch in der Natur der Sache.» (Text von Martin Messmer)