Ein intergalaktisches Sommerkonzert

Musik

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Am Sonntagnachmittag gab das Stadtorchester Zug unter der Leitung des Dirigenten Joonas Pitkänen im Theater Casino ein abwechslungsreiches Sommerkonzert zum Besten.

  • Das Sommerkonzert des Zuger Stadtorchesters stand im Zeichen des Kosmischen und Intergalaktischen.Bild: Patrick Rohr (29. 6. 2025)
    Das Sommerkonzert des Zuger Stadtorchesters stand im Zeichen des Kosmischen und Intergalaktischen.Bild: Patrick Rohr (29. 6. 2025)

Zug – Es ist auf den ersten Blick ganz so wie es eben oft ist an klassischen Konzerten: Das Publikum ist relativ homogen, im fortgeschrittenen Alter, die Kleidung klassisch bis gediegen, die Abläufe sind klar und strukturiert. Das Orchester erhebt sich, die erste Geige und der Dirigent geben sich die Hand, das Publikum applaudiert. Die Hierarchien und Orchestertraditionen wirken hier aber, nicht etwa altbacken, sondern nicht zuletzt wegen der offenen und humorvollen Art des Dirigenten durchaus charmant.

Joonas Pitkänen, der das Zuger Stadtorchester offensichtlich mit viel Engagement leitet, hat denn auch ein Talent für Vermittlung, was in der Klassik nicht selten an der leicht verkopften Expertensprache scheitert. Pitkänen spricht vor dem Konzert kurz, in klarer Sprache, zugänglich und humorvoll über die Werke, die gespielt werden und schafft es so das Sinnliche der Musik, die Leidenschaft zu vermitteln, dies bei einer Gleichzeitigkeit von Humor und Ernsthaftigkeit.

«Das hat doch eine Wirkung, nicht wahr?»

Die Werke des Konzerts stammen einerseits von der zeitgenössischen amerikanischen Komponistin Missy Mazzoli (1980), dem in der Schweiz wenig gespielten Komponisten Vaughan Williams (1872–1958) und dem Komponisten Gustav Holst (1874–1934). Die Werke stehen mit Sinfonia for Orbiting Sphères (Mazzoli), einem Oboenkonzert (Williams) und Auswahl von Die Planeten (Holst) im Zeichen des Kosmischen und Intergalaktischen. Das letzte Stück hat gewissermassen selbst die Form eines Sonnensystems mit Kreisen und Rokoko-Loops, wie Pitkänen erzählt und dabei einzelne Instrumente vorstellt und sie kurz ein paar Sekunden aufspielen lässt. So etwa die seltenen Mundharmonikas, die nicht gerade angenehm zu hören seien und in der Intonation schrecklich seien, meint Pitkänen lachend und lässt die Mundharmonikas zu einem sphärischen kurzen «kosmischen Wind» aufspielen. «Das hat doch eine Wirkung, nicht wahr?», meint er Dirigent spitzbübisch. Diese kurze Einführung ist durchaus unterhaltsam und humorvoll, und wirkt mit manchen Instrumentenintermezzos fast slapstickartig.

Sphärisch und kinematographisch

Die ersten beiden Stücke vor der Pause, gefolgt von einem absoluten zeitlosen Klassiker – Bachs Kantate 156 – stehen denn im Zeichen der Neuen Musik im besten Sinne. Das klingt oft sphärisch, kinematographisch, ist mal zart und verspielt und doch vertrackt und da und dort opulent wie ein italienisches Badezimmer mit Gold, Abendlicht und Pfirsichduft. Das ausgezeichnete semiprofessionelle Orchester, im zweiten Oboenkonzert begleitet von der gefeierten amerikanischen Solo-Oboistin, Kelsey Maiorano, spielt diese Stücke äusserst präzis und auf den Punkt, mit der nötigen dramaturgischen Sorgfalt und dem Sinn für die Pause, den Stillstand, die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Unaufgeregt, sanft ist diese Inszenierung und gleichwohl tragend und kräftig in dieser lyrischen bis epischen Sinfonie-Komposition.

Zwei Stunden in den roten Sesseln träumen

Mit dem Sommerkonzert schafft es Joonas Pitkänen mit dem Zuger Stadtorchester in der neuen klassischen Musik komplex und herausfordernd zu sein und gleichzeitig einnehmend, sinnlich, überraschend und ohne Furcht vor dem Pathos. Man durfte also wieder einmal zwei knappe Stunden träumen in den roten Sesseln des kühlen Konzertsaals im Casino in Zug. Man wünscht sich gerade für solch zugängliche, unverkopfte und einnehmende zeitgenössische Klassik-Konzerte ein heterogeneres und jüngeres Publikum. Die Vermittlung der klassischen Musik, mit ihrer eigenen Szene und dem stets anhaftenden Assoziationen des Elitären und gutbürgerlich gesättigten ist stets ein grosses Thema und es steht noch wichtige Arbeit dabei bevor. Zusammenarbeiten und Austausch mit Musikern wie Joonas Pitkänen, die einer jüngeren Generation angehören und mit einer Offenheit, Engagement und ohne Scheuklappen auffallen, können in diesem Sinne der nötigen Öffnung der Klassikwelt nur zugutekommen. (Text: Anja Nora Schulthess)