Märchen als Schlüssel für Werte

Literatur & Gesellschaft

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Für ihre Bachelorarbeit taucht die Rotkreuzerin Angelika Odermatt in die Welt des literarischen Kulturgutes ein.

  • «Am leichtesten fiel mir der Einstieg», sagt Angelika Odermatt über ihre Arbeit.Bild: Matthias Jurt (Zug, 24. 6. 2025)
    «Am leichtesten fiel mir der Einstieg», sagt Angelika Odermatt über ihre Arbeit.Bild: Matthias Jurt (Zug, 24. 6. 2025)

Rotkreuz – «Es war einmal ...»: Das ist ein typischer Anfang für ein Märchen. Mit dieser mündlich überlieferten Textsorte hat sich Angelika Odermatt vertieft auseinandergesetzt. Sie erhielt am Freitag ihr Lehrerinnendiplom von der PH Zug. Ihre Bachelorarbeit «Erzähl mir doch (k)ein Märchen» setzt die Fragestellung in den Fokus, inwiefern Geschichten dieser Art Kindern helfen können, ihre eigenen Wertvorstellungen zu entwickeln.

«Diese Textsorte bietet einen wichtigen Stellenwert in deren Entwicklung und beinhaltet verborgene Schätze», schreibt Odermatt in ihrer Arbeit. So würden ihnen Werte wie Gerechtigkeit und das Unterscheiden von Gut und Böse nähergebracht. Zudem könnten sie sich mit den verschiedenen Charakteren identifizieren und setzten sich mit der Moral auseinander. «Als Lehrperson beziehungsweise Eltern finde ich es wichtig, dass den Kindern nicht nur Geschichten erzählt werden, sondern gemeinsam über deren Inhalt diskutiert wird», so die 21-Jährige.

Bachelorarbeit in zwei Teile gegliedert

Während eines Jahres beschäftigte sich Odermatt mit der Bachelorarbeit. Die Literaturarbeit ist in zwei Teile gegliedert. Einerseits geht es um das Thema Werte. Dabei setzte sie sich mit der Wertevermittlung, dem Wertewandel in der Gesellschaft sowie der Wertetheorie von Dr. Shalom H. Schwartz auseinander. Der Sozialpsychologe definiert aus globaler Sicht zehn Grundwerte, die gemäss seiner Forschungsarbeit in jeder Kultur vorhanden sind.

Andererseits recherchierte sie über die Hintergründe von Märchen. Typische Merkmale sind die Unbestimmtheit von Ort und Zeit, die formelhaften Ausdrücke, das «Happy End» und die Zahlenbedeutung. Als Beispiel nennt sie Siebenschön: «Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit. Damit soll verdeutlicht werden, wie wunderschön diese Märchenfigur ist.»

Der Kreativität freien Lauf gelassen

Odermatt liess die Gelegenheit nicht aus, den klassischen Anfang und Schluss der Märchen miteinzubeziehen. «Am leichtesten fiel mir der Einstieg», sagt die frisch Diplomierte. Darin erzählt sie auf kreative Art und Weise ihre eigene Lebensgeschichte. Zudem fügte sie am Ende jedes Kapitels eigens gezeichnete Papierrollen ein, die die Kernaussagen des Teilstücks zusammenfassen.

Gemäss der Rotkreuzerin war die Themensuche von kurzer Dauer. Eine Dozentin sei auf sie zugekommen und habe gefragt, ob sie Lust habe, über Märchen zu forschen. «Ich hatte von Anfang an grosse Freude und hätte mich noch ewig weitervertiefen können.» Hier­zu dürfte auch ihr persönlicher Bezug beigetragen haben: «Meine Grossmutter und Mutter lasen mir viel vor und das habe ich in besonders positiver Erinnerung.»

Den verborgenen Schatz weitergeben

Angelika Odermatt wird nach den Sommerferien eine 5. Klasse in Rotkreuz unterrichten. «Es ist interessanterweise genau die Schule, die ich früher selbst besucht habe.» Sie werde dort also auf einige bekannte Gesichter treffen. Die angehende Lehrerin möchte Märchen in ihrem eigenen Unterricht integrieren und hat dafür schon einige Ideen. Sie möchte die bei sich selbst entdeckte Freude und das Interesse an diesen Geschichten den Kindern weitergeben. «Es ist so interessant, was hinter all den Worten verborgen ist.» Ein persönliches Lieblingsmärchen habe sie nicht, aber Schneewittchen oder Aschenbrödel seien ihr sehr vertraut.

Es sei zur Tradition geworden, den Film über das Mädchen, das drei Wünsche in Form von Nüssen erhält, jeden Winter zu schauen. Ihr gefalle der Grundgedanke dahinter: «Unabhängig vom persönlichen Hintergrund kann jede Person Grosses erreichen. Die Hoffnung sollte niemals aufgegeben werden – denn das Glück zeigt sich oft unerwartet.»

 

(Text: Nora Baumgartner)