Das Hohelied der Reformierten

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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Ehrengemeinde Bibellesung und Kinderkonzert, Orgelklang und Apéro - die Reformierte Kirche feiert ihr 150-Jahr-Jubiläum «im Tempel des Kommerzes». Ohne Reue.

  • Die Zuger Schauspielerin und Sängerin Eveline Suter hat gestern an der Messe aus der Bibel gelesen. (Bild Stephanie Bärtschiger)
    Die Zuger Schauspielerin und Sängerin Eveline Suter hat gestern an der Messe aus der Bibel gelesen. (Bild Stephanie Bärtschiger)

Zug – «Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.» Stadtpräsident Dolfi Müller liest gestern Abend um 19 Uhr den Messebesuchern aus der Bibel vor. Er ist Gast der Reformierten Kirche des Kantons Zug, die im Top Live in Halle B6 ihr 150-Jahr-Jubiläum feiert - als Ehrengemeinde der diesjährigen Zuger Messe.

Die vom Stadtpräsidenten mit viel Bedacht ausgewählte Bibelstelle aus dem Johannesevangelium erzählt vom lehrenden Jesus auf dem Ölberg. Schriftgelehrte und Pharisäer führen eine Frau vor, die die Ehe gebrochen hat. Sie erinnern Jesus an das Gebot des Mose, solche Frauen zu steinigen. Worauf Jesus ihnen entgegnet, den ersten Stein zu werfen - sofern man ohne Sünde sei. Und auch die Zuger Schauspielerin und Sängerin Eveline Suter hat sich eine prägnante Bibelstelle ausgesucht. Sie liest aus dem Hohelied der Liebe: «Nordwind wach auf, und Südwind komm! Weh durch meinen Garten! Seine Balsamdüfte sollen verströmen! Esst, ihr Freunde, trinkt und seid trunken von Liebe!»

Mit Jubiläumsbier

Dass das keine leeren Worte bleiben, dafür sorgt das Geburtstagskind gleich im Anschluss beim Apéro: Brötchen werden verteilt, und Jubiläumsbier macht die Runde - es kommt aus Baar und heisst «Pfaffe Mandli». Viele lassen es sich schmecken, plaudern dabei über Gott, die Welt und vielleicht auch über die reformierte Kirche im Kanton Zug. Musikalisch begleitet von Andrea Forrer an der Orgel und Alois Hugener am Alphorn.

Für zahlreiche Kinder haben ein paar Stunden zuvor Schtärneföifi den Messehimmel leuchten lassen. Abschliessend soll es für Gross und Klein Gospel geben: gesungen vom Hünenberger Chor «get up and sing». Und auch der grosse Gong, der am linken Bühnenrand steht, wird noch zu Ehren kommen: beim Gong-Jingle mit Percussionist Beat Föllmi.

Der richtige Ort?

Doch zunächst einmal ist es jetzt an der Zeit für die Präsidentin der Reformierten Kirche Zug, ein paar feierliche Worte zu sagen - eingerahmt von zwei schönen hölzernen Engeln und einem stattlichen Blumenschmuck. Sie freue sich, hier Jubiläum zu feiern, sagt Monika Hirt. «Für eine Kirche ist das ein ungewohnter Rahmen.» So habe diese Idee im Vorfeld auch für einige Diskussionen gesorgt: «Eine Kirche im Tempel des Kommerzes? Ist das richtig? Oder ist es nicht ein Verrat ideeller und christlicher Werte?»

Monika Hirt findet: «Da gibt es durchaus auch einen anderen Gedankengang.» Die Präsidentin erinnert an den ersten Gottesdienst der Zuger Reformierten im Packsaal der Spinnerei Baar. 1863 hatten diese sich in der alten Spinnerei an der Lorze getroffen, denn ein richtiges Gotteshaus fehlte ihnen damals noch - im katholischen Kanton Zug. Hirt erklärt: «Die Geschichte der reformierten Kirche im Kanton ist eng verknüpft mit der Geschichte der Wirtschaft.»

Eine Kerze als Geschenk

Und glücklicherweise gibt es noch eine weitere Bindung, die stetig im Wachsen begriffen ist: die zur katholischen Kirche. Monika Hirt freut sich, «die katholische Schwesterkirche in Person von Alfredo Sacchi, Domherr und Dekan, begrüssen zu dürfen».

Dieser kommt nicht allein, sondern bringt eine Gruppe Ministranten mit und erklärt fröhlich: «Wir können gratulieren!» Sein Geschenk an die Reformierten ist eine grosse Kerze samt steinernem Kerzenhalter und hölzernem Sockel. Er wolle dieses Licht nun nicht auf den Scheffel stellen, sondern auf den Leuchter, sagt Sacchi. Seiner gut gelaunten Geradlinigkeit zum Trotz will dann nur die Kerze nicht brennen: «Ihr müsst klatschen, das geht», fordert Sacchi das Publikum auf. Und siehe da, die kleine Flamme ist entzündet. «Im Lichte Jesu Christi sind wir eins», ist es nun an Monika Hirt, die ökumenische Eintracht mit Humor zu kommentieren.

Bleibt allen Beteiligten noch, im «Tempel des Kommerzes» auf fast 18 000 reformierte Kirchenmitglieder im Kanton anzustossen, auf sieben Bezirke und neun eigene Kirchen. (Susanne Holz)

Hinweis
Am Sonntag, 27. Oktober, um 9 Uhr wird innerhalb der Zuger Messe ein ökumenischer Gottesdienst mit Pfarrer Alfredo Sacchi und Pfarrer Andreas Haas gefeiert.