«Diese Kunstschenkung ist ein Glücksfall»
Kunst & Baukultur
Ihre Leidenschaft trug reiche Früchte: Ein Ehepaar unterstützte und förderte über viele Jahre hinweg drei heute international bekannte Künstler – und beschenkt das Kunsthaus Zug.
Zug – Am Anfang war eine zufällige Begegnung – aus heutiger Sicht betrachtet war sie eine Fügung des Schicksals. Als Sonja und Christian Graber 1968 aus dem Berner Seeland nach Richterswil zogen, waren sie Fremde am neuen Ort. Vielleicht war genau dies wegbereitend für die schicksalhafte Begegnung mit zwei jungen, kaum bekannten Künstlern. Es entwickelte sich eine Freundschaft und bei Grabers zudem das Interesse an ihrer Kunst. Sie erwarben Werke ihrer neuen Freunde, um sie zu unterstützen und natürlich weil sie von ihren Arbeiten angetan waren. Einer der jungen Künstler war Bernhard Schobinger (*1946), damals Goldschmied im biederen Richterswil und eher als Kauz angesehen denn als ernst zu nehmender Künstler. Es schien erst jemandes Zugezogenen zu bedürfen, dass er ernst genommen wurde. Heute ist Schobinger ein international tätiger Kunstschaffender mit Renommee. Dasselbe galt für seine Frau Annelies Štrba, 1947 in Zug geborene Künstlerin. Der mit dem Ehepaar befreundete Adrian Schiess (*1959) stiess 1981 als Dritter zum Kreis hinzu. Entstanden ist ein fruchtbares Mäzen-Künstler-Gebilde, dessen effizientester Treibstoff die tiefe Freundschaft und vor allem auch das aufrichtige Interesse der Grabers an der Kunst der drei illustren Leute waren.
Die Sammlung Graber mit Werken von Schobinger, Štrba und Schiess wuchs und wuchs, während die drei dem anfänglichen Schattendasein entkamen und zu bekannten Kunstschaffenden wurden, deren Arbeiten in den Beständen wichtiger Museen in Europa und Übersee vertreten sind. «Ihr grosses Ziel war es, von ihrer Kunst leben zu können», sagt Christian Graber.
Für die Kunst gelebt
Nun sind die Jahre vergangen, und die Grabers haben über die Zukunft ihrer Sammlung nachgedacht. Ihr Entscheid: 170 Werke sollen als Geschenk dem Kunsthaus Zug übergeben werden. Sowohl Štrba als auch Schobinger haben hier bereits ausgestellt. Ein Glücksfall, findet Kunsthaus-Direktor Matthias Haldemann: «Es ist nicht zuletzt durch den regionalen Bezug mit Annelies Štrba eine grossartige Ergänzung zu unserem bestehenden Fundus.» Auch Bernhard Schobinger wähnt seine Werke an einem guten Bestimmungsort: «Sie sind in einem sicheren Hafen gelandet.» Matthias Haldemann würdigt die Gesinnung der Grabers, dass sie ihre Sammlung ohne die Absicht, etwa einst daraus Profit zu schlagen, angelegt haben, sondern «sie haben für die Kunst gelebt aus aufrichtigem Interesse und mit dem Ziel der Förderung», so Haldemann. Marco Obrist, Verantwortlicher für Sammlung und Leihwesen, fügt an: «Hoch anzurechnen ist den Grabers auch, dass sie mit so viel Ernsthaftigkeit, Leidenschaft und insbesondere Konstanz die drei Künstler von Anfang an unterstützt haben.» Haldemann kommt zum Schluss: «Die Schenkung ist ein grosser und wichtiger Schritt für das Kunsthaus Zug.»
Nun sind hier ausgewählte Werke der drei Künstler zu sehen, die unter Grabers «Fittichen» gewachsen sind. Am Freitag war Vernissage. Während die ersten vier Räume je einen der drei Künstler als Schwerpunkt haben, vereinen die beiden grossen Hallen im Obergeschoss alle drei in sich – eine wohlüberdachte, ansprechende Anordnung von Kunst, spartenübergreifend. Die multiformatigen Fragmente und «Fetzen» von Adrian Schiess – mehrheitlich Acryl auf Pappe – etwa bilden ein Spannungsfeld, wenn sie in einen Dialog mit dem Raum und dessen unterschiedlichen Lichtverhältnissen treten. Archaisch und in sich ruhend etwa wirkt hier die Spanplatte, überzogen mit braunem Lack, der die Umgebung reflektiert.
Der erweiterte Materialbegriff
Die Stimmungsvielfalt, die von Annelies Štrbas Fotokunst ausgeht, ist mehr als bemerkenswert. Erwecken einige ihrer Porträts – entstanden mit Menschen aus ihrer familiären Umgebung – den Eindruck historischer Schwarz-Weiss-Fotografie, teils an Genrebilder anlehnend, so leuchten ihre mit Computertechnik abstrahierten Abbildungen neonfarben von der Wand. Da verpixelt, dort zur Unkenntlichkeit verwischt. In einigen Werken zitiert sie Objekte aus dem Schaffen ihres Mannes Bernhard Schobinger. Neben seinen skulpturellen Objekten im Obergeschoss sind im Soussol in Vitrinen seine Schmuckarbeiten zu sehen. Manche höchst ungewohnt und nicht gleich als solche zu erkennen. Allerhand Materialien verwendet der gelernte Goldschmied. Schobinger: «Ich bewirke eine Umwertung, ein Durchbrechen althergebrachter Wertvorstellungen, indem ich den Materialbegriff erweitere. Alles Denkbare kann Schmuck sein.» Eine Entsagung des reinen Gebrauchs von Edelmetall, ein regelrechter Protest gegen die Auffassung, dass Schmuck immer aus Teurem bestehen muss – obschon Schobinger sehr wohl Gold, Silber und Edelsteine verwendet. Aber oft in Verbindung mit «Wegwerfmaterial»: Flaschenhälse, Blechstücke, korrodierende Nadeln oder Kobaltdraht. «Er ist ein Meister im Kombinieren», konstatiert Matthias Haldemann und bestätigt den Eindruck, den man erhält beim Betrachten der Schmuckstücke: Der Tragkomfort spielt eine sehr kleine Rolle. Wer Schobingers Schmuck auf sich haben möchte, der muss je nach Objekt auch ein Stück weit bereit sein zu leiden. (Andreas Faessler)
HinweisDie aktuelle Ausstellung (Schenkung Graber) ist bis und mit 15. November zu sehen. Details unter www.kunsthauszug.ch